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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 9
Museen.
(F i n .lugend w e r k B e 11 i n i s.) Die Gemäldegalerie
des Louvre in Paris, der bisher ein eigenhändiges Werk
des größten venezianischen Quattrocentisten fehlte, hat soeben
ein Jugendwerk Giovanni Bellinis erworben, die Halbfigur
des Erlösers vor einer Landschaft. Das Bild, das dem Louvre
den verhältnismäßig geringen Preis von 75.000 Franken
kostete, ist von Direktor Dr. Max J. F r i e d 1 ä n d e r in
Berlin als Jugendwerk des Meisters erkannt worden, aus
jener Zeit, wo Bellini noch unter dem Einfluß Mantegnas
stand. Die herbe Gestalt des Erlösers, in leichtem Hemd, das
über der Seitenwinde offen ist, hält in der Linken ein Buch
und hat die Rechte segeuspendend erhoben.
(Die neue Pi na ko t lick von Prat.) Die Reihe
der altitalieiiisclien Kunstsammlungen in Toskana hat eine
schöne und wertvolle Bereicherung erfahren: in der Vor
woche wurde die neue Pinakothek von Prat festlich einge
weiht. Die Bilderschätze der zur Zeit der Renaissance be
rühmten toskanischen Stadt in der Nähe von Florenz sind
unter Leitung ü. Poggis neugeordnet worden und haben
jetzt in dem zu diesem Zwecke restaurierten prächtigen
Palazzo Pretorio, der aus dem Trecento stammt, ihr ständiges
Heim gefunden. Die Sammlung enthält u. a. eine wundervolle
Madonna auf dem Throne von Filippo L i p p i.
Vom Kunstmarkt.
(Die erste Versteigerung im Berliner
Kunstauktionshaus Gebrüder H e i I b r o n.) Das
Berliner Kunstauktionshaus Gebrüder H e i 1 b r o n teilt uns
über seine erste Versteigerung folgendes mit: Am 15. April
wurden für die bemerkenswerteren Skulpturen von Begas
erzielt: Die große Bismarckbüste 10.000 Mark, Venus mit
Amor (Erwerber Nationai-Galerie) 16.300 Mark, Faun und
Psyche, Marmor (Erwerber Geheimrat Woog), 37.000 Mark,
kleinerer elektrischer Funke in Marmor (derselbe Erwerber)
21.200 Mark. Den großen elektrischen Funken ersteigerte
ebenfalls Geheimrat Woog mit 67.500 Mark, an kleineren
Werken erwarb er «Adam und Eva« in Bronze für 1300 Mark,
die prachtvoll individualisierte Kindergruppe in Marmor mit
8000 Mark, den lebensgroßen Merkur rnit 5500 Mark und eine
Tänzerin rnit 2700 Mark. An weiteren Begas-Werken wurden
an diesem Tage noch Pan mit flötenspielendem Putto in
Marmor für 9550 Mark erworben; für einen charakteristischen
Moltkekopf zahlte man 3500 Mark, während die Atelierbronzen
Preise von 1000 bis 2000 Mark brachten. An namhaften Ge
mälden wurden verkauft: Richard Zimmermann, Nr. 265,
erworben von Direktor Fey er abend vom Görlitzer Kaiser
Friedrich-Museum, ein Jules Dupre zugeschriebenes feines
Bild für den billigen Preis von 615 Mark (Burchardt-Lasch),
ein Andreas Achenbach für 900 Mark (Direktor Wein-
kauff). Von Herrn Geheimrat Woog wurde die Zentaurin von
Franz v. Stuck für 3400 Mark, ein kleiner Leibi für
1900 Mark, das Porträt der Traumtänzerin von Kau Ibach
für zirka 1600 Mark, ein Bauernmädchen von Trübner für
2100 Mark erworben. In denselben Besitz gelangte auch das
Porträt der Herzogin von Urach von Lenbach. Hiesige
und auswärtige Kunsthändler, unter denen Hamburg und
München besonders stark vertreten waren, erwarben eine
große Anzahl von den durchgängig guten Gemälden zu außer
ordentlich billigen Preisen. Nachdem am ersten Versteige
rungstage die hauptsächlichsten Werke zum Ausgebot gekom
men waren, zeigte die Auktion an den beiden darauffolgen
den Tagen insofern ein verändertes Bild, als wir neben un
seren Galeriedirektoren nur die ernsthaft in Betracht kom
menden Reflektanten und Sammler bemerkten, während die
große Menge Schaulustiger und Neugieriger des ersten Tages
fehlte. Die Auktion begann mit der Versteigerung des Repro
duktionsrechtes sämtlicher Begas -Werke und wurde vom
Auktionsleiter für den Gesamtpreis von 60.000 Mark airge-
boten. Es sollte damit bezweckt werden, daß nicht kleine
Fabriken die Reproduktion von Einzelwerken in die Hand
bekämen: von weiteren Reproduktionswerken wurden nur
solche Werke aiigeboten, die in Edelmaterial bereits ihre
Liebhaber gefunden hatten. So erwarb auch Geheimrat Won g
das alleinige Recht für die Reproduktion des »elektrischen
Funken« zum Preise von 2800 Mark. Die Nationai-Galerie, die
durch ihren Direktor Herrn .1 u s t i vertreten war, erwarb
den lebensgroßen Gipsabguß »Badendes Mädchen« für 14011
Mark. Einige kleinere Marmorarbeiten brachten 2400 bis 3000
Mark. Ein Weitkampf zwischen Direktor Marko w s k y
vom Rauch-Museum und dein Kapitän Begas in Kiel ent
stand um den Erwerb eines Tondo, das von Lenbach uikI
Hertel bemalt war. Kapitän Begas siegte mit dem für
diesen Gipsabguß angelegten Preis von 3100 Mark. Von Gips
skulpturen wurden eine Tänzerin für 500 Mark, Abgüsse von
den ausgeführten Werken von Begas in größerer Anzahl noch
verkauft. Von namhaften Gemälden wurden von Hovelt
die Kühe am Waidesrande für 600 Mark und neben vielen an
deren kleineren Werken ein sehr gutes Gemälde von Holz
zum Preise von 520 Mark verkauft. Dasselbe Bild zeigte der
dritte Tag. Direktor Justi von der Nationai-Galerie kaufte die
Menzelsche Totenmaske und die beiden Menzel-Hände,
die ursprünglich von den Erben zurückgezogen wurden, aber
der öffentlichen Galerie doch erhalten bleiben sollten. Die
Bronzeabgüsse der bekannten Begasschen Zentaurengruppe
brachten 400 bis 1800 Mark. Von bemerkenswerten Gemälden
wurde ein Schmutzler für 1000 Mark ausgeboten, die
Namenstagfeier von S p e r 1 ging für den billigen Preis von
1100 Mark in den Besitz eines Liebhabers über. Die Spinnerin
von Teixera erzielte 600 Mark, zwei Gemälde von Voltz
750 und 800 Mark. Das Gesamtresultat der drei Ver
steigerungstage beträgt zirka 350.000 Mark. — Von anderer
Seite wird uns geschrieben: Die Marmorgruppe von »Venus
und A m o r«, die Direktor Ludwig Justi zur Bereicherung
der nicht eben großen Begas-Sammlung der Berliner Nationai-
Galerie erwarb, ist eines der schönsten Werke aus der römi
schen Jugendzeit des Meisters. Sie entstand nicht, wie der
Katalog angibt, um 1880, sondern im Jahre 1864 auf des Künst
lers Hochzeitsreise und atmet das ganze Glück jener Tage,
wo der Dreiunddreißigjäh rige im Zusammenarbeiten mit
Feuerbach und B ö c k I i n sein Bestes gab. Einer der
heitersten Schöpfungen hellenischer Dichtungen entnahm er
den Stoff, deti Versen Auakreons, in denen der Knabe Eros
der göttlichen Mutter sein Leid klagt: eine Biene, in einer Rose
versteckt, habe ihn in den Finger gestochen:
»O weh mir, rief er, Mutter!
O weh, ich bin des Todes!
Da hat mich eine Schlange
Gebissen, klein, mit Flügeln:
Der Landrnann nennt sie Biene.«
Und jene sprach: »So schmerzet
Der Stachel einer Biene.
Nun denke, wie es schmerzet,
Wenn, Eros, du verwundest!«
Die in holdester fraulicher Schönheit prangende Aphrodite,
in deren Modellierung Begas sein ganzes Können in der
weich spielenden Belebung des Marmors gezeigt hat, neigt
sich da zu dem kleinen Knaben herab; in köstlicher Unbe
fangenheit steht das nackte Kind und zeigt die verletzte Stelle
am Arm, während die Mutter ihm begütigend den Kopf
streichelt.
i (Die Kunstsammlungen Freiherr von
Franckenstei n.) Wir haben in unserer vorigen Num
mer (siehe Seite 125 und 126) die bei der Versteigerung der
ersten Abteilung der Freiherr v. Franc kensteinschen