Seite 4
Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 1
Fig. 1. Anonym.
hält, und zwar geschieht dies, ob er zeichnet, malt oder
schreibt, weniger aus dem Handgelenke, wie bei uns,
sondern mehr mit dein, ganzen Oberarme.
Bekanntlich wird in Japan mit dem Pinsel auch ge
schrieben und die Kalligraphie, die da hoch entwickelt
ist, wird wie die Malerei auch sehr geschätzt und gleich
dieser zu den schönen Künsten gezählt. Bei uns legt
man, besonders in neuester Zeit, keinen besonderen
Wert auf das schöne Schreiben und Schreibkünstler, wie
wir sie früher hatten, sind nicht mehr zu finden.
Die Linienführung der japanischen Schrift zeigt auch
eine große Aehnlichkeit mit der Linienführung einer
japanischen Zeichnung, so daß von einigen Kunst
forschern die Meinung ausgesprochen wurde, daß die
japanische Malerei ihren Ursprung in der Schrift habe,
daß diese sich aus ihr entwickelte. Wenn auch diese Be
hauptung als zu weitgehend bezeichnet werden muß, so
kann die Aehnlichkeit und Verwandtschaft von Schrift
und Malerei doch nicht geleugnet werden und die Ur
sache mag wohl darin liegen, daß diese Arbeiten, das
Schreiben wie das Malen und auch Zeichnen, mit dem
Pinsel allein vollführt werden.
Die japanische Schrift, die man ähnlich wie bei un
seren Tafeldrucken des 15. Jahrhunderts, auf allen
japanischen Farbenholzschnitten vorfindet, trägt auch
viel zum eigentümlichen Charakter derselben bei und
wirkt oft, die Darstellung hebend, äußerst dekorativ.
Die Grundbedingungen für den japanischen Künstler
sind, daß er mit großer Sicherheit die Umrisse seines
Werkes auf das Papier bringt. Dies erfordert eine feste
und sichere Hand, große Uebung und Kühnheit in der
Führung seines Pinsels, den er nach Bedarf mit der fein
sten Spitze oder im breiten Aufschläge über das Papier
gleiten läßt. Dabei arbeitet er mit Tusche, welche das
weiße Papier rasch aufsaugt und eine Verbesserung mit
Hilfe von Radiergummi und dergleichen nickt zuläßt. Ein
jeder Strich muß sitzen, ohne dabei viel zu überlegen.
Der japanische Künstler ist auch so der Schöpfer
des Impression! sm u s. Er bringt zum Beispiel die
rasche Bewegung eines laufenden Menschen oder
Tieres, eines fliegenden Vogels, eines schwimmenden
Fisches oder eines sonstigen lebenden Wesens auch mit
der größten Raschheit, mit einigen Strichen nur, zu
Papier und überträgt auf diese Art suggestiv den Ein
druck der raschen Bewegung auf die Sinne des Be
schauers. (Siehe Figur 1.)
Der Japaner versucht nicht, Rundungen und
Schattengebung durch konventionelle Schraffierungen
zum Ausdrucke zu bringen. Seine Bilder sind überhaupt
schattenlos. Den Schatten wendeten erst Künstler im
19. Jahrhundert an und dies meist bei Darstellungen mit
Mondbeleuchtung, so zum Beispiel Hiroshige, Yoshitora
und andere. (Siehe Figur 2.)
Bilder in Helldunkel kennt die japanische Kunst
nicht; ebenso kommen Reflexlichter sowie Widerspiege
lungen, z. B. im Wasser, erst bei neueren Künstlern in
Anwendung und auch da selten; so z. B. bei Hokusai
im ersten Bande der 100 Ansichten des F u j i, dann
bei G e k k o (siehe Figur 5), Strichlagen wendet
der japanische Künstler nur dort an, wo es die Sache
infolge der natürlichen Beschaffenheit erfordert, so bei
Haaransätzen am Körper des Menschen; ferner bei be-
Fig. 2. Yoshitora.
haarten Tieren, wie an der Mähne und dem Schweife des
Pferdes, beim Felle des Affen, des Fuchses und Tigers
u. s. w. Das Gefieder der Vögel und die Rinde der Bäume
haben auch eine charakterisierende Strichlagengebung.
Bei größeren schwarzen Flächen wie zum Beispiel bei