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Internationale S a m m 1 e r - Z i t u n g.
der Wiedergabe von schwarzen Gewändern, Lack
gegenständen und dergleichen mehr, wird die Be
grenzung oder Modellierung durch aufgesparte weiße
Linien ausgedrückt. (Siehe Fig. 2 und 3.) Bis in die
zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist auch die Anwen
dung der Perspektive eine sehr mangelhafte, oft fehlt
sie ganz. Die Tiefe der Darstellung wurde durch kulissen
artige Anreihung zürn Ausdruck gebracht. (Siehe Fig. 3.)
Der erste Künstler, der die Lehren unserer Perspek
tive sich zunutze machte, soll Utagawa Toyoharu ge
wesen sein, dies um 1760. Doch auch in neuerer Zeit,
bei Gebrauch der europäischen Perspektive, wurde sie
in Japan oft von anderen Gesichtspunkten angewandt,
als es der Europäer gewohnt ist, zu sehen. Der europäi
sche Künstler verlegt zumeist den Horizont von der
Grenze des ersten Drittels der Bildflächc bis zur Hälfte
und den Augenpunkt in die Mitte des Horizontes. Eine
größere Verschiebung des Horizontes oder Verlegung
des Augenpunktes fand bis zur neuesten Zeit bei uns
selten statt. Man kann sagen, daß dies fast schablonen-
aitig bei uns zur Regel wurde, das Publikum wurde ge
wöhnt, von diesem Standpunkte aus die Bilder zu be
trachten.
Der Japaner hält sich nicht an solche Regeln; sein
Horizont und der Stand des Augenpunktes im Bilde
wechseln bei ihm in den verschiedenen Darstellungen;
Fig. 3. Hiroshige.
oft ist der Horizont sehr hoch, ja selbst außerhalb des
Blattes verlegt und der Augenpunkt von der Mitte des
Horizontes in eine Ecke verschoben. Die Darstellungen
neigen in vielen Fällen zur Vogel- oder Kavalierperspek
tive. (Siehe Fig. 4.) Auch findet man bei den japanischen
Fig. 4. Hiroshige.
Bildern in der Regel keine abschließende Darstellung,
wie es zumeist bei den europäischen der Fall ist, wo die
Darstellung ein Ganzes für sich bildet. Bei den japani
schen Bildern kann man sich fast immer eine Fort
setzung der Darstellung nach beiden Seiten vorstellen,
ja man wird hiezu oft direkt angeregt, indem zum Bei
spiel im Vordergründe ein Ast in das Bild auffällig hin
einragt, dessen Stamm außerhalb des Blattes gedacht
werden muß, und so Aehnliches mehr. Bei Hiroshige,
den berühmten japanischen Landschaftsmaler, können
wir viele derartige Bilder, die beispielgebend sind, vor
finden. (Siche Fig. 3 und 4.)
Daß derartige japanische Buntdrucke beim Auf
tauchen in Europa unnatürlich und seltsam gefunden
wurden, ist nach dem Gesagten erklärlich. Jedoch man
fand bald Gefallen daran und diese Darstellungsart
wurde für manchen modernen europäischen Künstler
sogar vorbildlich. Bei Personen erscheinen uns beson
ders die Gesichter in den Bildern gleichförmig, ja kon
ventionell gezeichnet; doch ist dies nur scheinbar, denn
in Wirklichkeit ist in ihnen eine Verschiedenheit, die
der an den Anblick ungewohnte Europäer nicht be
merkt. Erst bei längerem Umgehen mit den japanischen
Bildern lernt man in dieser Hinsicht sehen und die uns
fremde Physiognomie erfassen. Es ist dies ja auch so
im Leben der Fall. Fremde Menschenrassen und auch
Tiere, mit denen man nicht beständig umgeht, sind
schwer zu unterscheiden, sie kommen einem zumeist
gleichförmig vor, wir finden keinen Unterschied in ihrem
Gesichtsausdrucke. Umgekehrt ist dasselbe auch bei den