MAK
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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 1 
Japanern der Fall, die Gesichter der Europäer kommen 
ihnen auch alle gleich vor. 
Zu der scheinbaren Gleichförmigkeit der darge 
stellten Gesichter trägt auch viel bei, daß die Frauen 
ihre Gesichter gleichmäßig pudern, schminken und be 
malen und so bei vorübergehender Betrachtung einen 
einförmigen Eindruck machen. 
Wie der Japaner aber die Gcsichtsbäldung und den 
Ausdruck aus den einfachen und uns gleichmäßig 
scheinenden Linienführungen seiner Darstellungen her 
ausfindet, möge folgender Fall beleuchten. Ich war bei 
einem Farbendrucke im unklaren, ob die reichgekleidcte, 
mit überladenem Schildkrotkopfschmucke dargestellte , 
big. 5. Gekko. 
weibliche Person, eine Oiran (Kurtisane) sei oder ob sie 
einem solideren Gesellschaftskreise angehöre. Ich zeigte 
das Bild einem Japaner von feiner Bildung und fragte 
ihn um seine Meinung. Der Japaner beachtete weniger 
den reichen, überladenen Kopfschmuck oder die prunk 
volle Kleidung, sondern betrachtete aufmerksam das 
Gesicht und sagte dann mit Bestimmtheit, daß dies die 
Darstellung einer soliden Person sei, er erkenne dies an 
dem Gesichtsausdruck. Ein Nichtkenner würde selbst 
unter hundert Frauenköpfen auf den japanischen Farben 
holzschnitten keinen besonderen Unterschied heraus 
finden, geschweige denn, daß er den Charakter einer 
Person bestimmen könnte. 
Im übrigen muß man bedenken, daß auch unsere 
Kunst im Mittelalter mit ihrer Tafelmalerei mehr eine 
dekorative war, die viel Konventionelles an sich hatte, 
bis im Quattrocento ein Umschwung zur realistischen 
Schule mit der naturalistischen Darstellungsweise statt 
fand. Ein ähnlicher Vorgang vollzieht sich seit dem 
19. Jahrhundert auch in Japan. Die naturalistische Dar- 
stellungsweise nimmt in der bildenden Kunst Japans 
stets zu und nähert sich so der europäischen Darstel 
lungsweise. 
Hoch stehen jedoch die japanischen Künstler in ihrer 
dekorativen Farben- und Flächenwirkung. Die Farben 
wirkung vereint mit der Linienführung ist eine derartige, 
daß die Schattengebung nicht vermißt wird. Man lernt 
mit der Zeit das Körperliche und Stoffliche der Dar 
stellung so zu sehen und zu erfassen, wie es in der Wirk 
lichkeit gewesen. Die Farbenzusammenstellung ist dabei 
oft bezaubernd und so meisterhaft abgetönt, daß auch 
die größten Farbenkontraste in harmonischen Einklang 
gebracht werden. 
ln Europa zeichnet der Künstler die für den Holz- 
schnitt bestimmte Darstellung mit der Feder oder dem 
Blei direkt auf die Druckplatte. In Japan dagegen 
zeichnet sie der Künstler mit dem Pinsel und Tusche auf 
dünnem, durchscheinendem Papier. Diese Zeichnung 
wird dann auf die Druckplatte geklebt und mit derselben 
verschnitten, so daß das Original verloren geht. Damit 
beginnt die Tätigkeit des Holzschneiders. (Die Ab 
bildung 6 präsentiert uns so eine für den Holzschnitt be 
stimmte Zeichnung.) 
Der Holzschneider ist in Europa zumeist Kunsthand 
werker, weniger Künstler. Selten, daß ein Künstler selbst 
seine Platten schneidet; so ist es ja bekannt, daß die 
größten Künstler, die für den Holzschnitt arbeiteten, 
selbst nicht geschnitten haben, so Albrecht D ii r e r, 
Lukas Cr an ach, Hans Holbein und andere. 
Erst in neuerer Zeit schneiden moderne Künstler 
häufig ihre Platten, besonders für den Farbendruck, 
selbst. Diese Werke besitzen einen gewissen Reiz, 
wirken meist originell und sind infolgedessen auch meist 
sehr schätzenswert und wohl zu beachten, doch stehen 
diese noch lange nicht auf der Höhe des japanischen 
Buntdruckes, ja meist sind selbe äußerst wunderlich, hie 
und da auch plump und derb in der Ausführung, was 
mehr auf den Mangel in der Kunsttechnik, als auf Ab 
sicht und Eigenart des Künstlers zurückzuführen ist. 
Auch in Japan schneidet der Maler seine Platten 
nicht selbst, er überläßt dies dem Xylographen. Der 
japanische Holzschneider ist dagegen gewöhnlich mehr 
Künstler als, wie bei uns, Kunsthandwerker. Nur ein 
Künstler ist imstande, eine Holzplatte so zu bearbeiten, 
daß der Abdruck von einem Aquarelle schwer zu unter 
scheiden ist. Man steht oft vor so einem Drucke wie vor 
einem Rätsel und begreift nicht, mit welchen technischen 
Hilfsmitteln der Holzschneider dies erreicht hat. Die 
Weichheit des Haarpinsels, die Zufälligkeiten bei der 
Führung desselben, das Verlaufen vom Hellen in das 
Dunkle oder von einer Farbe in die andere, Farben 
gebungen ohne Konturen mit den zartesten Ueber- 
gängen, wie bei einem Regenbogen, werden täuschend 
und bisher unübertroffen durch den Holzschnitt darge 
stellt. 
Dies hat nicht nur auf den alten Holzschnitt, sondern 
auch auf den modernen japanischen Buntdruck Bezug. 
Wenn auch die Kunstrichtung sich in Japan geändert 
hat, der Holzschneider ist derselbe geblieben und in 
seiner 1 echnik ist er, wie die modernen Blätter es be 
weisen, derart vorgeschritten, daß ihm der europäische 
Holzschneider nicht so bald nachkommen dürfte. 
Das Material, das der Holzschneider zu seinem 
Schnitte verwendet, ist vorwiegend das Holz des japani 
schen Kirschenbaumes. Seltener verwendet er Catapa- 
l'Olz oder Buchsbaum hiezu. Die Platte wird im Längen 
schnitt benützt, während in Europa die Platten für den 
Holzschnitt dem Querschnitte nach hergestcllt werden.
	        
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