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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
5. Jahrgang. Wien, 15. Mai 1913. Nr. 10. 
Die Wertschätzung Pragonards. 
Von Albin Freih. v. Teuffenbach zu Tieienbach und Maßwegg, k. u. k. General der Infanterie d. R. (Görz). 
Kürzlich brachten die Zeitungen die auch bei den 
immer mehr zunehmenden hohen Preisen von Gemäl 
den besonders beliebter Maler noch überraschende Nach 
richt, daß bei einer Versteigerung im Hotel Drouot in 
Paris der amerikanische Bankier Samuel B e r t o n 
ein Gemälde von Fragonard um den Preis von 
750.000 Franken erstanden habe und daß nicht lange vor 
her ein Bild desselben Künstlers mit einer halben Million 
Franken bezahlt worden sei. 
Da solche Preise für Bilder von diesem einst überaus 
gefeierten Maler »der Liebe«, der später fast in Ver 
gessenheit geriet, aber seit Jahren wieder zu steigendem 
Ansehen gelangt, doch noch in der Kunstwelt Eindruck 
hervorrufen, so dürfte es nicht unwillkommen sein, auf 
das Wirken und Schaffen dieses bedeutenden Künstlers 
und die Bewertung seiner Bilder innerhalb ungefähr 150 
Jahren einen Blick zu werfen. 
Honore Fragonard, 1732 in Brasse, Grafschaft 
Nizza, geboren, übersiedelte mit seinem durch Geld- 
spekulationen verarmten Vater nach Paris, kam zu einem 
Notar, zeigte aber mehr Lust zum Zeichnen als zum 
richterlichen Studium, erhielt bei dem schon bekannten 
Maler Boucher Aufnahme, entsprach aber nicht dessen 
Anforderungen, wurde Schüler des berühmten Char 
din (1699 bis 1779), überraschte aber seinen ersten 
Lehrer mit mehreren bereits so gelungenen Zeichnungen, 
daß Boucher nun neuerdings sein Lehrer wurde. Frago- 
nards künstlerische Entwicklung war eine sehr rasche. 
Mit 20 Jahren erhielt er für sein Bild »Jerobeam opfert 
den Götzen« den großen Preis der Akademie, durch den 
ihm die Reise nach Italien — das Ziel aller strebenden 
Künstler — ermöglicht wurde. In diesem Lande, der 
zweiten Wiege der Künste, bildete er sich an den großen 
Vorbildern, besonders anziehend für ihn waren Solimena, 
Peter von Cortona und J'iepolo, der heute so hoch- 
geschätzte Künstler als ein gepriesener Vorläufer der 
Sezessionisten. In Italien war cs auch, wo er von dem 
Kunstfreund und ausgezeichneten Zeichner und Radierer 
Abbe Saint-Non, neben Le Prince, Ango und H. Robert 
als Zeichner für dessen Radierungen und besonders 
Bisterarbeiten (Tuschmanier, lavis) gewonnen wurde. 
Diese berühmt gewordenen Schöpfungen erschienen dann 
als das bereits sehr selten gewordene Werk unter dem 
Titel »Recueil de Griffonies de Vues. Paysages, Frag 
ments antiques et sujets historiques«, unter denen aus 
den verschiedensten Gebieten, besonders aber der Bibel 
und der Mythologie, über 160 Zeichnungen Fragonards, 
deren viele er auch mit dem in Italien angenommenen 
verkürzten Namen FTago gefertigt hat. Alle diese Ar 
beiten geben ein getreues Bild seiner Vielseitigkeit als 
ausübender Künstler, die ihm mit Saint-Non zu ihren ge 
meinsamen Studien in Rom, Neapel, Pompeji-Hercula- 
num, Bologna und Venedig in den Jahren 1763, 1772 und 
1773 vereint hatten. 
Wie sehr Saint-Non diesen hochbegabten Freund und 
mehrjährigen Mitarbeiter schätzte, beweist die Tatsache, 
daß er ihn auf einer seiner Bisterarbeiten (Plafond von 
Guercino im Palais Sampieri in Bologna) von 1772 il 
divo (den göttlichen) Frago nannte, von dem er allein 
über 300 Handzeichnungen besaß. Das waren aber wohl 
nur Zeichnungen nach eigenen Entwürfen oder nach Ge 
mälden, Kunstgegenständen des Altertums, Darstellungen 
aus der Heiligen Schrift und der Mythologie, die zweifels 
ohne auch seine künstlerischen Studien und Forschungen 
wesentlich gefördert haben. Als Maler aber schloß er 
sich ganz der durch Watteau begründeten Schule an, die 
dem Zeitgeist und der Herrschaft einer Pompadour und 
Dubarry nur allzu bereitwillig huldigte. Aus Italien nach 
Paris heimgekehrt, versuchte er sich zwar anfangs mit 
ernsten Werken. Das etw ? as reichliche und gezierte, aber 
gelungene Gemälde »Der Hohepriester Coresus opfert 
sich, um Callirhoe zu retten« errang allgemeinsten Bei 
fall und Fragonard wurde in die Akademie der Künste 
aufgenommen und Pensionär des Königs. Er malte die 
Heimsuchung der Jungfrau Maria für den Herzog von 
Grammont und die Anbetung der Hirten in der Art Rem- 
brandts für den Grafen Verri. Mit einem von ihm ge 
wünschten Gegenstücke, »Verrou« genannt, reihte er sich 
jedoch schon ganz den Malern des Sinnenreizes, der be 
liebten Schäferstücke, und der Lüsternheit an, welcher 
verführerischen Malart er nun seine überreiche Phan 
tasie, seine künstlerische große Begabung, Vielseitigkeit 
und seine ganze Tätigkeit durch den größten Teil seines 
Lebens als der Maler der sinnlichen Liebe, des Kusses 
und der Grazien mit außergewöhnlichen künstlerischen 
und materiellen Erfolgen widmete. 
Von seinen Bildern wurden neben den erwähnten 
Gemälden eine Kindergruppe nach Boucher (1767), der
	        
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