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Nr. 10
Internationale Sammler-Zeitung.
erste Kuß, der Liebesbrunnen, der Liebesschwur, die
glückliche Ehe (Häuslichkeit, menage), die Versöhnung,
der Ammenbesuch, sein Kosenopfer, der Milchtopf be
sonders gerühmt; ebenso wurden die mit seiner Schwä
gerin Fräulein Marguerite üerard gemeinsam gemalten
Bilder »das Lieblingskind«, »die ersten Kinderschritte«,
mit Beifall begrüßt, ln allen Gemälden Fragonards ist die
große künstlerische Begabung, die sichere Hand des ge
wandten Zeichners, die edle Auffassung des mensch
lichen Körpers in feinen Linien wahrnehmbar. Den Frauen
widmete er sein ganzes Können. Ihre Gestalten sind
schlank, zart, verführerisch, reizend, ihre Kleidung ge
wählt, die Körperform läßt mehr erraten, als sie zeigt, und
ist dadurch um so verlockender. Die beabsichtigte Wir
kung auf die Sinne feierte daher bei ihm wie bei Watteau,
Lancret und den schon genannten Boucher,; Pater und
Le Prince wahrhafte Triumphe, sie wurden die gesuch
testen, beliebtesten Künstler einer leichtlebigen Zeit,
welche die heranziehenden bedrohlichsten politischen
und gesellschaftlichen Stürme im Taumel sinnlicher Lust
und bestrickender Feste unbeachtet ließ. Der besondere
Einfluß und die Bedeutung dieser vielgepriesenen Künstler
verschwand allmählich mit der großen französischen Re
volution und deren weiteren Entwicklung. Die Preise
ihrer Bilder sanken namhaft, da die Käufer fehlten. Frago-
nard wandte sich der Schule des großen David zu, er
ging zum Porträt, zu ernsteren Stoffen über, doch ver
geblich; seine Zeit war abgelaufen, obwohl er sogar
eine kurze Frist über Vorschlag Davids zum Mitglied
der Jury zur Verteilung der. großen Staatspreise ernannt
worden war. Diesen Posten verlor er aber bald wieder.
Verarmung war das Los seiner letzten Lebensjahre, in
Vergessenheit starb er in Paris 1806. Dieses Schicksal
drückte sich auch in den Preisen seiner Bilder aus, die
nie so hoch bewertet waren, als jene Watteau.s und
seines Lehrers, des süßlichen Boucher, und Lancrets.
Selbst seine besten, gerühmtesten Gemälde erreichten bei
seinen Lebzeiten nie mehr als 3000 Franken. Eines seiner
besten Bilder, »Der Liebesschwur«, erzielte 1846. in
öffentlicher Versteigerung nur 1100 Franken, die »Glück
liche Mutter« 1180 Franken, bei der Versteigerung Pem-
brocke 1862, »die Rückkehr vom Felde«, ein prächtiges
Bild, gar nur 810 Franken und die berühmte »Schaukel«
(la balanpoire, I’escarpolette)* nicht einmal diesen niedri
gen Preis (751 Franken bei der Versteigerung Cyprienne
1845), während es bei jener des Herzogs von Morny
20 Jahre später, schon mit 30.200 Franken bezahlt wurde,
und ein kleines Gemälde »das Andenken« (le Souvenir)
nur eine Person und einen Hund darstellend, sogar einen
Käufer mit 35.000 Franken fand, obwohl es nicht einmal
zu Fragonards besten Bildern zu zählen ist.
Der kürzlich verstorbene große amerikanische
Kunstfreund und Milliardär Pierpont Morgan gelangte
aber um den Preis von 1,300.000 Mark in den Besitz von
hragonards für die Gräfin Dubarry gemalten wunder
vollen dekorativen Panneaux »Der Roman der Liebe und
der Jugend«, die in sechs Hauptblättern und vier Sopra
porten bestehen, die sich bis 1793 in Grasse befanden und
Nach meiner Vermutung dürfte die »Schaukel« jenes
höchstbezahlte Einzelbild Fragonards sein, das der eingangs
erwähnte Bankier Bcrton erworben hat. Der Kupferstecher
de Launay hat dieses reizende Bild unter dem Titel »Les
hazards heureux de l’escarpolette« ausgezeichnet gestochen
und dem Maler selbst gewidmet. Es ist dieser Stich in Alfred
von Wurzbachs »Die französische Malerei des 18. Jahr
hunderts« abgebildet.
1898 um eine Million Franken nach London verkauft
worden waren.
So sehen wir die Werke dieses hervorragenden
Malers eine Stufenleiter von Preisen durchlaufen, die
zwischen den Zahlen 751 Franken und 1,300.000 Mark
schwanken, die kaum bei den größten Künstlern in Er
scheinung getreten sein dürfte.
Fassen wir nun danach das Gesamturteil über diesen
Maler zusammen, so ergibt sich seine so überaus ver
schiedene Wertschätzung aus den gesellschaftlichen und
moralischen Anschauungen jener Zeitabschnitte, in denen
Fragonards Werke zum Verkaufe gelangten. Der mit
einer ausschweifenden Phantasie voll Witz, Schalkheit,
Geist und Feuer begabte Künstler wurde dadurch nur zu
leicht zu Darstellungen verleitet, die damals zwar viel
seitigsten Anreiz und Beifall fanden, aber manchmal doch
jene Grenzen überschritten, die Sitte und Anstand ver
langen. Der Maler der Grazien, der Schäferszenen, der
Sinnenlust .'und der verlockenden weiblichen Anmut und
Schönheit wird aber zu allen Zeiten auf Schätzer seiner
üppigen Schöpfungen rechnen dürfen, die seinen Werken
immer wiederkehrende Würdigung sichern, und das er
klärt auch den neuerlichen Aufstieg Fragonards in der
Gunst vieler Kunstfreunde, die auch, abgesehen von dem
in einem Gemälde behandelten Stoff, dessen meisterhafte
Ausführung und die Größe des Künstlers im Auge be
halten werden.
Nach Fragonards Werken haben bedeutende Kupfer
stecher und Radierer, w ie Beauvarlet, Halbem, Vidal, Fli
part, de Launay, Pence, Saint-Non, einzelne Bilder der
Nachwelt überliefert. Er selbst hat auch 26 Radierungen
angefertigt, darunter einige Bacchanalien eigener Kom
position, dann 14 Stücke nach Hannibal Carracci, weitere
nach Tintorctto, Liberi, Tiepolo, die ebenso von der ge
diegenen Auswahl der vervielfältigten Gemälde als von
deren gelungenen Ausführung Zeugnis ablegen.
* *
Aus Paris wird uns geschrieben:
Einen Beweis für die Wandelbarkeit der Wertschätzung
von Gemälden lieferte die Versteigerung der Sammlung
Eugene Kraemer, die in der Galerie Georges Petit am
28. und 29. v. M durchgeführt wurde.
Während für einzelne Gemälde ganz außerordentliche
Preise erzielt wurden, blieben manche bekannte Stücke, be
sonders Bilder von französischen Malern des 18. Jahrhunderts,
nicht unbeträchtlich hinter den angesetzten Preisen zurück.
Dieses Schicksal widerfuhr Boucher, Coypel,
Drouais, aber auch Fragonard, von dem drei Gemälde
unter den Hammer des Auktionators kamen. Man zahlte für
das Bild »Le lever«, für das 100.000 Franken gefordert wurden,
nur 87.000 Franken, »La nuit« und »Le jour«, die mit je
40.000 Franken angesetzt w^aren, wurden mit je 29.100 Franken
losgeschlagen. Bouchers »Le colombier« erzielte etwas
über die Hälfte des geforderten Preises, 16.500 Franken statt
30.000, sein Gemälde »Le fleuve Scamandre« 29.000 statt
der angesetzten 40.000 Franken. Für Drouais’ »Made
moiselle de Romans« zahlte man 125.000 Franken (gefordert
150.000 Franken), für dessen »Madame Sophie« um 20.000
Franken weniger, als man gerechnet hatte: 60.000 anstatt
80.000 Franken. Dagegen erzielten N a 11 i e r s »La Baronne
de Fontcttes« 42.000 Franken (um 12.000 Franken mehr als
gefordert wurde), und Lebruns »Mde. de Chatenay«
32.000 Franken (gefordert 25.000 Franken).
Im ganzen ergaben die Gemälde der ersten Versteige
rung 1,657.540 Franken.