MAK
Seite 146 
Nr. 10 
Internationale Sammler-Zeitung. 
erste Kuß, der Liebesbrunnen, der Liebesschwur, die 
glückliche Ehe (Häuslichkeit, menage), die Versöhnung, 
der Ammenbesuch, sein Kosenopfer, der Milchtopf be 
sonders gerühmt; ebenso wurden die mit seiner Schwä 
gerin Fräulein Marguerite üerard gemeinsam gemalten 
Bilder »das Lieblingskind«, »die ersten Kinderschritte«, 
mit Beifall begrüßt, ln allen Gemälden Fragonards ist die 
große künstlerische Begabung, die sichere Hand des ge 
wandten Zeichners, die edle Auffassung des mensch 
lichen Körpers in feinen Linien wahrnehmbar. Den Frauen 
widmete er sein ganzes Können. Ihre Gestalten sind 
schlank, zart, verführerisch, reizend, ihre Kleidung ge 
wählt, die Körperform läßt mehr erraten, als sie zeigt, und 
ist dadurch um so verlockender. Die beabsichtigte Wir 
kung auf die Sinne feierte daher bei ihm wie bei Watteau, 
Lancret und den schon genannten Boucher,; Pater und 
Le Prince wahrhafte Triumphe, sie wurden die gesuch 
testen, beliebtesten Künstler einer leichtlebigen Zeit, 
welche die heranziehenden bedrohlichsten politischen 
und gesellschaftlichen Stürme im Taumel sinnlicher Lust 
und bestrickender Feste unbeachtet ließ. Der besondere 
Einfluß und die Bedeutung dieser vielgepriesenen Künstler 
verschwand allmählich mit der großen französischen Re 
volution und deren weiteren Entwicklung. Die Preise 
ihrer Bilder sanken namhaft, da die Käufer fehlten. Frago- 
nard wandte sich der Schule des großen David zu, er 
ging zum Porträt, zu ernsteren Stoffen über, doch ver 
geblich; seine Zeit war abgelaufen, obwohl er sogar 
eine kurze Frist über Vorschlag Davids zum Mitglied 
der Jury zur Verteilung der. großen Staatspreise ernannt 
worden war. Diesen Posten verlor er aber bald wieder. 
Verarmung war das Los seiner letzten Lebensjahre, in 
Vergessenheit starb er in Paris 1806. Dieses Schicksal 
drückte sich auch in den Preisen seiner Bilder aus, die 
nie so hoch bewertet waren, als jene Watteau.s und 
seines Lehrers, des süßlichen Boucher, und Lancrets. 
Selbst seine besten, gerühmtesten Gemälde erreichten bei 
seinen Lebzeiten nie mehr als 3000 Franken. Eines seiner 
besten Bilder, »Der Liebesschwur«, erzielte 1846. in 
öffentlicher Versteigerung nur 1100 Franken, die »Glück 
liche Mutter« 1180 Franken, bei der Versteigerung Pem- 
brocke 1862, »die Rückkehr vom Felde«, ein prächtiges 
Bild, gar nur 810 Franken und die berühmte »Schaukel« 
(la balanpoire, I’escarpolette)* nicht einmal diesen niedri 
gen Preis (751 Franken bei der Versteigerung Cyprienne 
1845), während es bei jener des Herzogs von Morny 
20 Jahre später, schon mit 30.200 Franken bezahlt wurde, 
und ein kleines Gemälde »das Andenken« (le Souvenir) 
nur eine Person und einen Hund darstellend, sogar einen 
Käufer mit 35.000 Franken fand, obwohl es nicht einmal 
zu Fragonards besten Bildern zu zählen ist. 
Der kürzlich verstorbene große amerikanische 
Kunstfreund und Milliardär Pierpont Morgan gelangte 
aber um den Preis von 1,300.000 Mark in den Besitz von 
hragonards für die Gräfin Dubarry gemalten wunder 
vollen dekorativen Panneaux »Der Roman der Liebe und 
der Jugend«, die in sechs Hauptblättern und vier Sopra 
porten bestehen, die sich bis 1793 in Grasse befanden und 
Nach meiner Vermutung dürfte die »Schaukel« jenes 
höchstbezahlte Einzelbild Fragonards sein, das der eingangs 
erwähnte Bankier Bcrton erworben hat. Der Kupferstecher 
de Launay hat dieses reizende Bild unter dem Titel »Les 
hazards heureux de l’escarpolette« ausgezeichnet gestochen 
und dem Maler selbst gewidmet. Es ist dieser Stich in Alfred 
von Wurzbachs »Die französische Malerei des 18. Jahr 
hunderts« abgebildet. 
1898 um eine Million Franken nach London verkauft 
worden waren. 
So sehen wir die Werke dieses hervorragenden 
Malers eine Stufenleiter von Preisen durchlaufen, die 
zwischen den Zahlen 751 Franken und 1,300.000 Mark 
schwanken, die kaum bei den größten Künstlern in Er 
scheinung getreten sein dürfte. 
Fassen wir nun danach das Gesamturteil über diesen 
Maler zusammen, so ergibt sich seine so überaus ver 
schiedene Wertschätzung aus den gesellschaftlichen und 
moralischen Anschauungen jener Zeitabschnitte, in denen 
Fragonards Werke zum Verkaufe gelangten. Der mit 
einer ausschweifenden Phantasie voll Witz, Schalkheit, 
Geist und Feuer begabte Künstler wurde dadurch nur zu 
leicht zu Darstellungen verleitet, die damals zwar viel 
seitigsten Anreiz und Beifall fanden, aber manchmal doch 
jene Grenzen überschritten, die Sitte und Anstand ver 
langen. Der Maler der Grazien, der Schäferszenen, der 
Sinnenlust .'und der verlockenden weiblichen Anmut und 
Schönheit wird aber zu allen Zeiten auf Schätzer seiner 
üppigen Schöpfungen rechnen dürfen, die seinen Werken 
immer wiederkehrende Würdigung sichern, und das er 
klärt auch den neuerlichen Aufstieg Fragonards in der 
Gunst vieler Kunstfreunde, die auch, abgesehen von dem 
in einem Gemälde behandelten Stoff, dessen meisterhafte 
Ausführung und die Größe des Künstlers im Auge be 
halten werden. 
Nach Fragonards Werken haben bedeutende Kupfer 
stecher und Radierer, w ie Beauvarlet, Halbem, Vidal, Fli 
part, de Launay, Pence, Saint-Non, einzelne Bilder der 
Nachwelt überliefert. Er selbst hat auch 26 Radierungen 
angefertigt, darunter einige Bacchanalien eigener Kom 
position, dann 14 Stücke nach Hannibal Carracci, weitere 
nach Tintorctto, Liberi, Tiepolo, die ebenso von der ge 
diegenen Auswahl der vervielfältigten Gemälde als von 
deren gelungenen Ausführung Zeugnis ablegen. 
* * 
Aus Paris wird uns geschrieben: 
Einen Beweis für die Wandelbarkeit der Wertschätzung 
von Gemälden lieferte die Versteigerung der Sammlung 
Eugene Kraemer, die in der Galerie Georges Petit am 
28. und 29. v. M durchgeführt wurde. 
Während für einzelne Gemälde ganz außerordentliche 
Preise erzielt wurden, blieben manche bekannte Stücke, be 
sonders Bilder von französischen Malern des 18. Jahrhunderts, 
nicht unbeträchtlich hinter den angesetzten Preisen zurück. 
Dieses Schicksal widerfuhr Boucher, Coypel, 
Drouais, aber auch Fragonard, von dem drei Gemälde 
unter den Hammer des Auktionators kamen. Man zahlte für 
das Bild »Le lever«, für das 100.000 Franken gefordert wurden, 
nur 87.000 Franken, »La nuit« und »Le jour«, die mit je 
40.000 Franken angesetzt w^aren, wurden mit je 29.100 Franken 
losgeschlagen. Bouchers »Le colombier« erzielte etwas 
über die Hälfte des geforderten Preises, 16.500 Franken statt 
30.000, sein Gemälde »Le fleuve Scamandre« 29.000 statt 
der angesetzten 40.000 Franken. Für Drouais’ »Made 
moiselle de Romans« zahlte man 125.000 Franken (gefordert 
150.000 Franken), für dessen »Madame Sophie« um 20.000 
Franken weniger, als man gerechnet hatte: 60.000 anstatt 
80.000 Franken. Dagegen erzielten N a 11 i e r s »La Baronne 
de Fontcttes« 42.000 Franken (um 12.000 Franken mehr als 
gefordert wurde), und Lebruns »Mde. de Chatenay« 
32.000 Franken (gefordert 25.000 Franken). 
Im ganzen ergaben die Gemälde der ersten Versteige 
rung 1,657.540 Franken.
	        
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