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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 11
tracht gehörten Spitzenniaschen auf den Schuhen und an
den. Strumpfbändern, worüber der Spottvers entstehen
konnte:
Zur Zier für seines Strumpfes Band,
Gibt Edelmann wohl Leut’ und Land.
Auch die Damen ergaben sich diesem Luxus mit
Leidenschaft. Spitzenhäubchen und Barben schmückten
die Haarfrisuren, Schürzen und Einsätze ließen die helle
Seide durchschimmern.
Erst Minister C o 1 b e r t kam auf den Einfall, die
Spitzenindustrie nach Frankreich zu verpflanzen und
sicherte dem Lande durch diese Maßregel große Ein
nahmen. Im. Jahre 1665 verschaffte er sich Lehrkräfte aus
Venedig und gründete in einem Schloß bei Alengon eine
Schule für diese wichtige, künstlerische Arbeit. Madame
Quilbert, die Leiterin- des neuen Unternehmens,
brachte die ersten gelungenen Erzeugnisse nach Paris,
wo Colbert eine kleine Ausstellung für den König machen
ließ. Ludwig XIII. nannte diese neuen Spitzen »Point
de France« und gebot, sie ausschließlich für den Hof zu
verwenden.
Durch den Erfolg dieser Ausstellung war Colberts
verdienstliches Unternehmen gesichert, und bald blühte
die französische Spitzenindustrie an mehreren Orten. Bis
gegen Ende des Jahrhunderts hielt sie sich an venezia
nische und flämische Muster, dann entwickelte sie sich
zu künstlerischer Selbständigkeit und schuf jene zarten
Zeichnungen, bei denen jede Masche des spinnwebfeinen
Netzes mit der Nadel gemacht wurde. Daher entstand
der Name für diese kostbaren Werke »Pointe ä l’aiguillc«.
In den Ornamenten schloß sich die französische Industrie
mit Strenge immer dem herrschenden Zeitgeschmack an,
so daß man zunächst ausgesprochene Rokokoformen
wählte. (Schluß folgt in der nächsten Nummer.)
Farbstiche und Schabkunstblätter.
Am 14. Juni gelangt bei Karl Ernst Henrici in Berlin | Gazenave, P, C. Coqueret, Debucourt, G. Demarteau, C. M.
eine Sammlung von Kupferstichen der deutschen, französischen j Desco-urtis, S. Freudenberger, Nicolas Lavreince, J. P. Levilly,
und englischen Schule Zur Versteigerung. I Moresu le jeune, L. Ch. Ruotte und andere.
Fig. 9. Morland, The Comforts of -Industrie
Von den zirka 400 Nummern des schön ausgestatteten
Kataloges sind der Hauptteil Farbstiche und Schabkunstblätter
der französischen und englischen Schule des 18. Jahrhunderts.
Die bedeutendsten französischen Künstler sind da mit vorzüg
lichen Proben ihrer Kunst vertreten. Wir begegnen da Namen
wie Alix, Baudoin, Louis Marin Bonnet, Fr. Boucher, Fr.
Besonders zu erwähnen ist die berühmte graziöse Dar
stellung einer junge Dame in der Schaukel »Les Hazards heureux
de l’Escarpolette« nach Fragonard von Nicolas de
Launay; das Original ist, wie unsere Leser aus dem inter
essanten Artikel »Die Wertschätzung Fragonards« vom
General der Infanterie Freiherrn Albin von Teuften-