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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 12
das Büchlein in den ersten Jahrzehnten seines Erscheinens
der größten Beliebtheit beim gebildeten Publikum durch die
bunte Auswahl der jährlich wechselnden Aufsätze, die, teil
weise von der Hand namhafter Verfasser, in fröhlicher Regel
losigkeit über alle Gebiete menschlichen Wissens berichten
Eig. 1. Gotha, 1775.
und in oft sehr amüsanter Weise über astronomische, natur
wissenschaftliche, kunstgeschichtliche, völkerkundliche, ge
schichtliche und wirtschaftliche Gegenstände, besonders gern
kurioser Art, plaudernd den verschiedenartigsten Geschmacks
richtungen entgegenkamen. Eine Geschichte der Perücke und
eine der Lichtschere findet sich da neben Berichten über die
Liebeserklärungen verschiedener Völker, durch Kupfer illu
strierte Artikel über altrömische und neuzeitliche Damen-
moden und über Fächer aller Völker und Zeiten, über die
ersten Versuche der Luftschiffahrt und aus den Naturwissen
schaften eine ganze Anzahl Monographien merkwürdiger Tiere
und Pflanzen. Ueber die Wandmalereien der Alten wird be
richtet und über ihre Statuen, daneben über die berühmtesten
Gemälde der klassischen Meister und Uber die zeitgenössischen
kunstgewerblichen Arbeiten Wedgwoods. Dem Aufsätze über
den letzteren ist sogar ein Preisverzeichnis seiner
Töpferarbeiten beigegeben, wde sich überhaupt eine ganze
Anzahl von Warenverzeichnissen nebst Bezugsadressen
finden: über Meißner Porzellan, Pariser Näschereien, Edel
steine, russisches Pelzwerk, die Berechnung eines ein- und
zweischläfrigen Bettes und manches andere, was von Inter
esse für die Geschichte der Volkswirtschaft sein mag. Eine
Anzahl Aufsätze beschäftigt sich eingehend mit der Waren
kunde, besonders der ausländischen Nahrungs- und Genuß
mittel und der exotischen Gewürze.
Der besondere Reiz der alten Hofkalender ist aber be
gründet in den prächtigen Kupferstichen, die als Modenbilder,
Bildnisse und Monatskupfer seit dem Jahrgang 1768 die Haupt
anziehungskraft des Almanachs bilden.
Bei 1767 finden wir eine erste Variante; die Seiten 127/128
sind in zwei verschiedenen Ausgaben vorhanden, die. durch
Hinzufügung eines späteren Druckes zu erklären sind. Für 1767
Eig. 3. Modenkupfer. 1783.
zeichnete M a r i 11 i e r das Titelkupfer; 1768 enthält die ersten
Monatskupfer von J. H. M e i I, die bis 1775 unter seiner
Signatur bleiben und teils antike Statuen, Tempel und Gebäude
darstellen, teils Szenen aus Weißes Oper »Die Jagd« und
aus L e s s i n g s »Emilia Galotti« wiedergeben. (Unsere
Abbildung [Fig. ll stellt das Szenenbild [III. Akt, 8. Auftritt I
in »Emilia Galotti« dar. Die Personen sind Ma r i n e 11 i und
Claudia Galotti, die Mutter der Emilia.)
1776, wovon wir hier die Titelseite reproduzieren
(Fig. 2), bringt als Kupfer Nachbildungen der berühmten
Freudenbergscheri Stiche aus dem »Monument du costume«,
1777 galante Kupfer nach Boucher, Fragonard,
Eisen u. a. 1778 beginnt Daniel Chodowiecki seine Mit
arbeiterschaft am Hofkalender mit 12 Kupfern zu Hermes’
Roman »Sophiens Reise von Memel nach Sachsen«. Bis 1799
bleibt der Künstler den Almanachen treu. Bald zeichnet er
Hochzeitsgebräuche bei verschiedenen Völkern, bald illustriert
er Mayers »Geschichte der Kreuzzüge«, Wielands
»Oberon«, Le S a g e s »Gil Blas«, Beaumarchais'
»Figaro«, den Heptamerone, Anekdoten aus dem Leben
Friedrichs des Großen und aus der Geschichte aller
Zeiten.