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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 12 
Die Deutsche Bücherei in Leipzig. 
Von Professor Dr. Hans Paalzow (Berlin).* 
Der Gedanke, daß der Buchhändler-Börsenverein alle 
deutschen Verlagserzeugnisse in einer Sammlung vereinigen 
möchte, ist von Friedrich A11 h o f f ausgegangen. Im Jahre 
W06 bei den Verhandlungen über den den Bibliotheken von 
den Buchhändlern zu gewährenden Rabatt warf er ihn in die 
Diskussion. Althoff hat damals davon gesprochen, daß eine 
solche Sammlung des Börsenvereines mit der Königlichen 
Bibliothek in Berlin verbunden werden könne. Er hat sich aber 
ausdrücklich auch damit einverstanden erklärt, daß die Samm 
lung selbständig für sich etwa in Leipzig oder München be 
gründet würde, vorausgesetzt, daß Sachsen oder Bayern die 
Kosten übernehme. Ich glaube allerdings, daß er dabei den 
Hintergedanken hatte, daß weder Sachsen noch Bayern sich 
jemals dazu entschließen würden, die sehr beträchtlichen Kosten 
aufzubringen. Der Plan, die Sammlung des Börsenvereines mit 
der Königlichen Bibliothek in Berlin zu vereinigen, fand zu 
nächst in den Kreisen der Verleger vielfach Anklang. Nur die 
sächsischen Verleger befürchteten, daß dann die Pflicht 
exemplare in Sachsen wieder eingeführt werden könnten. Und 
in der 'Fat entschloß sich die sächsische Regierung zu diesem 
Schritt. Die Universität Leipzig und die sächsische Erste 
Kammer befürworteten die Wiedereinführung der Pflicht 
exemplare lebhaft, und die Regierung arbeitete einen ent 
sprechenden Gesetzentwurf aus. Zu einer Verhandlung über 
diesen Entwurf ist es aber nicht mehr gekommen. Denn in 
zwischen hatte sich der Buc-hhäncler-Börsentag mit der sächsi 
schen Regierung und der Stadt Leipzig dahin verständigt, daß 
in Leipzig eine Zentralbibliothek begründet werden sollte zur 
Aufnahme der gesamten deutschen Bücherproduktion. Auf die 
verschiedenen Phasen, die das Projekt durchgemacht hat, will 
ich nicht eingehen und nur kurz erwähnen, daß eine Denk 
schrift des Herrn Verlagsbuchhändlers Dr. Ehlermann in 
Dresden dabei von erheblichem Einfluß gewesen ist, und daß 
das endliche Gelingen des Unternehmens vornehmlich der zähen 
Energie und der Gewandtheit des Herrn Kommerzienrat 
S i e g i s m u n d, des derzeitigen ersten Vorstehers des Börsen 
vereines, zuzuschreiben ist. 
Am 25. September 1912 wurden fernerstehende Kreise 
durch die Bekanntmachung überrascht, daß der Börsenverein 
unter dem Namen Deutsche Bücherei in Leipzig ein Archiv 
des deutschen Schrifttums und des deutschen Buchhandels er 
richte, eine öffentliche, an Ort und Stelle unentgeltlich zu be 
nützende Bibliothek. Gleichzeitig wurde die Satzung veröffent 
licht, wie sie zwischen dem Börsenverein, der sächsischen 
Staatsregierung und der Stadt Leipzig vereinbart worden war. 
Bald darauf bewilligten die sächsischen Stände einmütig die 
nach der Vereinbarung von dem sächsischen Staat zu zahlen 
den Summen. 
Der Plan fand bei dem gesamten deutschen Buchhandel 
freudige Aufnahme. 1300 deutsche Verleger erklärten sich nach 
und nach bereit, in den nächsten zehn Jahren ihre gesamten 
Verlagserzeuglüsse der Deutschen Bücherei unentgeltlich zu 
überlassen. Dieser Erfolg ist ein imponierender Beweis dafür, 
wie groß der Gemeinsinn und das Gefühl der Solidarität im 
deutschen Buchhandel sind. 
Sammeln soll die Deutsche Bücherei die deutsche und 
die fremdsprachige Literatur des Inlandes und die deutsche 
Literatur des Auslandes, und zwar von 1913 ab. Ausgeschlossen 
sind nur Musikalien und Tageszeitungen. Was die übrigen Er 
zeugnisse der Druckerpresse betrifft, die nicht zur eigentlichen 
Literatur zu rechnen sind, wie namentlich amtliche Druck 
schriften und Privatdrucke aller Art, ferner bildliche Dar 
stellungen mit und ohne Schrift, so wird es Sache des Ver- 
* Vortrag, gehalten auf dem Deutschen Bibliothekartag in 
Mainz. 
; waltungsrates der Deutschen Bücherei sein, den Kreis der auf- 
zunehmenden Kategorien bestimmt zu umschreiben. 
Eine Hauptaufgabe der Deutschen Bücherei liegt auf dem 
Gebiete der Bibliographie. Der Vorstand des Börsen 
vereines hat bereits im September 1912 beschlossen, die jetzt 
von der Hinrichsschen Buchhandlung in Leipzig hergestellte 
Bibliographie der Neuerscheinungen des deutschen Buchhandels 
in enger Verbindung mit der Deutschen Bücherei durch den 
jBörsenverein zu übernehmen, und zwar spätestens am 
I Jänner 1917. Wird diese Absicht ausgeführt, so liegt es aber 
nahe, daß der alte Plan, die Hinrichssche Bibliographie für die 
Katalogisierung der deutschen Bibliotheken nutzbar zu machen, 
wieder aufgenommen wird. Es ist zwar nicht zu verkennen, 
daß die Bedürfnisse des Buchhandels und der Bibliotheken bei 
der Verzeichnung der Biichtertitel etwas voneinander abweichen. 
Bei gegenseitigem guten Willen müßte es aber doch wohl mög 
lich sein, in dieser Frage zu einem befriedigenden Ergebnis zu 
gelangen. 
Die Deutsche Bücherei soll die in ihr vereinigten Bücher 
nicht nur aufbewahren und verzeichnen, sondern auch an Ort 
und Stelle zur Benützung stellen. Sie tritt damit als eine neue 
Bibliothek in den Kreis der Leipziger Bibliotheken ein. Wie 
diese Benützung sich entwickeln wird, muß abgewartet werden. 
In der ersten Zeit wird sic wohl nicht allzu groß sein. Allein der 
Benützungszweck steht durchaus in zweiter Linie, 
Der Verwaltungsrat wird auch die Grundsätze für die 
Verwaltung der Deutschen Bücherei aufzustellen haben. Zum 
Direktor ist Herr Dr. Wahl ernannt worden, der sich als 
Leiter der Senekenbergischen Bibliothek in Frankfurt am Main 
vortrefflich bewährt hat. Neben ihm wird eine Anzahl wissen 
schaftlicher Bibliothekare anzustellen sein. Die meisten Arbeiten 
werden jedoch von Buchhandlungsgehilfen und Frauen verrichtet 
werden können. 
Das Gebäude für die Deutsche Bücherei soll 5 Millionen 
Bände fassen; ca jährlich auf einen Zuwachs von höchstens 
50.000 Buchbinderbänden zu rechnen ist, so wird dies Gebäude 
also für 100 Jahre ausreichen. Der von der Stadt Leipzig zur 
Verfügung gestellte Bauplatz ist 12.000 Quadratmeter groß und 
hat einen Wert von 600.000 Mark. Er liegt im Osten der Stadl 
in einer jetzt noch unbebauten Gegend unweit des Völker 
schlachtdenkmals und auch nicht weit von dem Buchhändler 
viertel. Es wird jedoch angenommen, daß die bauliche Ent 
wicklung Leipzigs vorzugsweise nach dieser Richtung hin er 
folgen wird. Die Baukosten werden von dem sächsischen Staat 
getragen. Sie sind insgesamt auf 3 Millionen Mark veran 
schlagt. Doch wird nicht das ganze Grundstück mit einem Male 
ausgebaut, sondern zunächst nur das Verwaltungsgebäude und 
Biichermagazine für 500.000 Bände mit einem Kostenaufwand 
von 1% Millionen. Es ist ein glücklicher Umstand, daß die 
sächsische Regierung einem hervorragenden Architekten, dem 
Geheimen Rat Dr, Waldow, den Bau übertragen hat. Die von 
ihm ausgearbeiteten Pläne zeigen einen klaren Grundriß und 
eine sorgfältige Berücksichtigung aller Bedürfnisse. Man sieht, 
hier wird ein Zweckmäßigkeitsbau geschaffen, der sich aber 
trotzdem sehr stattlich ausnimmt. Nachdem bei dem noch un 
vollendeten Neubau der Königlichen Bibliothek in Berlin sich 
schon jetzt erkennen läßt, daß er als das Ideal eines Biblio 
theksgebäudes nicht angesprochen werden kann, ist es be 
sonders erfreulich, daß noch einmal einem deutschen Bau 
meister Gelegenheit gegeben wird, zu zeigen, wie ein Gebäude 
für eine Bibliothek größten Umfanges gestaltet werden muß. 
Wieviel die laufenden Verwaltungskosten betragen wer 
den, läßt sich noch nicht übersehen. Der sächsische Staat trägt 
dazu jährlich 85.000 Mark, die Stadt Leipzig 115.000 Mark bei, 
vorläufig auf zehn Jahre. Wie lange mit dieser Summe von 
200.000 Mark auszukommen sein wird, ist ungewiß. In der
	        
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