MAK
Internationale 
^amm(er£eifung 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
5. Jahrgang. Wien, 15. Juli 1913. Nr. 14. 
Neue Funde zur frühen Wiener Theatergeschichte. 
Von Dr. Fritz Brukner (Wien). 
Die Bühnendichter Wiens zur Zeit Schillers und 
Goethes, und speziell die der Wiener Volksbühnen, noch 
vor zwei Jahrzehnten in der finstersten Ecke der 
deutschen Literatur placiert, gewinnen von Tag zu Tag 
mehr das Interesse der Forschung. Fast jeder derselben 
besitzt seine Monographie, und ihre Werke werden von 
einer ganzen Reihe von Wiener Kennern mit Feuereifer 
gesammelt. Fußen ja Stoff und Technik der beiden 
größten Poeten deutschösterreichischen Stammes, Franz 
Grillparzers und Ferdinand Raimunds, auf dem Theater 
Philipp Hafners und Kurz-Bernardons, Jüngers und 
Zieglers, Weidmanns und der beiden Stephanie, und 
speziell die Dichtungen Raimunds sind förmlich durch 
tränkt von Einflüssen Schikaneders und Gieseckes, 
Henslers und Perinets, Hubers und Kringsteiners. 
Was von Einzeldrucken dieser und vieler anderen 
Theatraliker des alten Wien erreichbar war, haben von 
öffentlichen Sammlungen die Hof- und die Wiener Stadt 
bibliothek, von Privatsammlern Franz Trau, Hugo 
T h i m i g und der Schreiber dieser Zeilen zusammenge 
tragen. Nach diesen und anderen kleineren Beständen 
wird Weilens gut gearbeiteter, aber heute weit über 
holter Goedeke-Paragraph umzuarbeiten sein. 
Nun ist aber leider nur ein geringer Teil dieser inter 
essanten Theatralik gedruckt worden. Die meisten Stücke 
sind nicht erhalten, da die Theatermanuskripte verloren 
gingen. Schuld an diesem beklagenswerten Umstande ist 
die Mißwirtschaft und das Unverständnis, welches 
seinerzeit in den Wiener Theaterarchiven herrschten. 
Als Direktor Carl im Jahre 1846 das Archiv des alten 
Leopoldstädter Theaters ins neugebaute Carltheater 
übertragen ließ, hat er das interessante Frühmaterial der 
Wiener Volksdramatik zum größten Teile vernichtet, 
und auch später ist vieles abhanden gekommen. Aehn- 
lich steht es mit den Archiven des Theaters an der Wien 
und des Josefstädter Theaters. So ist denn auch der Be 
sitz der vorgenannten öffentlichen Bibliotheken und 
Sammler ein äußerst dürftiger, und er wird auch kaum 
mehr bedeutend vergrößert werden können. Funde in 
dieser Richtung, wie letzthin die Entdeckung von 
Schikaneders »Bürgerlichen Brüdern«, einem 
wichtigen Lokalstiicke, ergeben sich selten. 
Anders steht es mit derjenigen Gruppe der Wiener 
Volksdichter, die am Anfang des 19. Jahrhunderts 
wirkten, und deren Werke mit dem Schaffen Ferdinand 
Raimunds aufs innigste verknüpft sind: ich meine Josef 
Alois Gleich, Karl M e i s 1 und Adolf Bäuerle, ist 
auch hier die größere Zahl ihrer Werke verloren ge 
gangen, so besitzen wir bei diesen doch ein derartiges 
Material von Drucken und Manuskripten, daß sich ein 
treffliches Bild ihres Schaffens ergibt. 
Leider hat ein gewisser Rommel, der als Lehrer 
an einem Wiener Vorstadtgymnasium wirkt, vor einiger 
Zeit kleine Sammelausgaben von Stücken dieser drei 
interessanten Männer veranstaltet, und was diese 
Bändchen an Flüchtigkeiten und Schlampereien leisten, 
spottet jeder Beschreibung. Biographisch schreibt 
Rommel den gänzlich veralteten Wurzbach aus, und bei 
dem erhaltenen Stückematerial benützt er lediglich die 
dürftigen Bestände der Wiener Stadtbibliothek, während 
er sowohl die Theaterarchive ungenützt läßt, als auch 
die wertvollen Privatsammlungen ignoriert. Natürlich 
jammert er dann auf jeder Seite, daß nichts erhalten ist. 
Dem Forscher bleibt, wenn ihm die Freude an der Arbeit 
durch diese Sudeleien nicht vergällt ist, hier nur ein 
Mittel übrig: all das literarhistorische Unkraut, welches 
in diesen Bändchen in die Halme geschossen ist, blatt 
weise auszujäten, und erst, nachdem völlig tabula rasa 
gemacht worden ist, ein auf wissenschaftlicher Grund 
lage ruhendes Bild der drei interessanten Persönlich 
keiten zu bieten. 
Ich selbst verwahre wohl ein Viertelhundert u n g e- 
druckter Komödien Gleichs, Meisls und Bäuerles, 
darunter eine ganze Reihe Stücke, in denen Raimund 
lange vor seinem dramatischen Erstlinge aufgetreten ist. 
Wir stehen nun vor der Blüteperiode des heimischen 
Dramas, und ich will im folgenden einiges über die Früh 
werke unserer großen Theatraliker sagen, die — an sich 
unbedeutend — entwicklungsgesehichtlich von höchstem 
Reize sind. 
Bei Grillparzer hebt August Sauer in seiner 
monumentalen Ausgabe ungeahnte Schätze. Kein Lob 
des Forschers ist hier hoch genug. Von den drei voll 
endeten Jugenddramen Grillparzers füllt »Bianka von
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.