MAK
Nr. 14 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 211 
Porträt eines vornehmen, weißbärtigen Herrn, der ein 
weißes Tuch in der Hand hält (Fig. 4). Dieses Bild zeigt 
ebenso wie das von Tizian einen der Männer von der 
großen Bedeutung und dem inneren Stolze, wie sie nur 
eine große Kulturperiode erzeugen konnte. Tintorettos 
Fig. I. Bart. Vivarini: Madonna mit Kind. 
eigenartige Technik mit den aufgesetzten Lichtern kommt ! 
in diesem Porträt 'besonders gut zur Anschauung. 
Die Schüler dieser größten Zeit der Venetianerschule I 
sind mit Palma Giovine und Leandro Bassano auch in die | 
Sammlung aufgenömmen. Palma Giovine (1544— 1628) i 
hat in seinem Engelkonzert ein kleines Detail, das in j 
Gianbellins und Tizians Bildern an untergeordneter j 
Stelle angebracht war, zu einem selbständigen, jetzt ganz I 
genrehaften Bilde von eigenem Peiz ausgcbildet. Von j 
ihm sind auch vier große Plafondbilder mit allegorischen | 
Frauenfiguren in stark perspektivischer Verkürzung, j 
Leandro Bassano (1558—1623), der große Porträtist | 
seiner weit verzweigten Familie, zeigt in seinem Frauen- j 
porträt seine vielgerühmten Qualitäten. Es liegt ein 
stiller, entsagender Friede über dem Bilde dieser 
schwarzgekleideten Frau mit weißem Schleiertuch, wohl 
einer Witwe. 
Aus dem späteren Seicento treffen wir erst wieder j 
Bilder von dem eklektischen Sebastiano Ricci (1660 bis j 
1734), zwei idyllische, ziemlich helle Landschaften mit 
Hirtenstaffage. Mehr Interesse dürfte wohl jetzt noch 
sein Zeitgenosse Lucca Carlevaris (1665—1718) j 
finden. Seine wundervoll tonige Malweise mit dem 
goldigen Licht, in der seine Piazzetta mit Blick auf »San 
Maria della Salute« gemalt ist (Fig. 5), leitet schon in die 1 
noch einmal zur stolzesten Höhe gelangende venetia- 
nische Malerei des Settecento über. Ist. doch auch Carle 
varis der Lehrer des bekannteren Canaletto. Auch die in 
Paris so beliebte Modemalerin Rosalia Carriera 
(1675—1758) zeigt ihre weiche, duftige und anmutige 
Kunst in mehreren hübschen Frauenpastells, üiov. Batt. 
Piazzettas (1682 1754) bekannte Köpfe konsta 
tierten wir auf einer sehr gut durchgefiihrten Hand- 
zeichnung und mehreren Oelbildern. 
Noch einmal erhob sich Venedigs Kunst zur Welt 
berühmtheit. Ihr größter Stolz, Giov. Batt. Tiepolo 
(1693 1770), durfte in diesem Ensemble auch nicht 
fehlen. Ist auch der prachtvolle Charakterkopf eines 
weißbärtigen Alten nur ein Fragment, so läßt er doch 
den ganzen Reichtum der Palette des genialen 
Venetianers vor uns aufleben. Nur wenige Töne, das 
herrliche Blau des Mantels mit gelbem Futter, der weiße 
Bart und die hellbraunen Haupthaare vermitteln uns im 
Vereine mit dieser leichten, pastosen Technik den Ein 
druck eines erstklassigen Malers. Ein anderes W r erk 
seiner Hand ist ein Plafondentwurf, wohl die Huldigung 
Asiens vor Venedig symbolisierend (Fig. 6). Die groß 
artige freie Komposition, der große feierliche Rhythmus, 
der Glanz der Farben, alles Dinge, die den großen Ruhm 
Tiepolos in der Kunstgeschichte begründeten, zeichnen 
auch diese gut durchgeführte Skizze aus. Ein weiterer 
Deckenentwurf von ihm liegt in einer genial hinge 
worfenen Handzeichnung vor. Es ist die Glorifikation 
irgend eines Heiligen. 
Bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts schufen 
Venedigs tüchtige Künstler im alten Sinne unter dem 
Einflüsse Tiepolos weiter. Pietro Longhi (1702—1785) 
zeigt ganz ähnliche helle Farben in seinen kulturhistorisch 
so interessanten Venetianer Genre- und Familienszenen, 
von denen von ihm und seiner Schule eine Reihe in dieser 
Kollektion enthalten sind. Francesco Zuccarellis 
(1704—1788) zwei Hirtenlandschaften sind schon von 
Fig. 2. Tizian zugeschr.: Der Arzt Antonio Caprian aus Mantua. 
einem ganz modernen hellen Licht erfüllt, und gar 
Francesco Guar di (1712 1793) könnte mit seiner 
kleinen Landschaft, die ganz aufgelöst in Licht und Luft 
die lockerste Technik auf weist, unter die Impressionisten 
eingereiht werden.
	        
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