MAK
Nr. 15/16 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 235 
stattet sein, sich an dem Anblick der berühmten Schätze 
zu erquicken, ward ihm zunächst die Frage gestellt, ob 
er zu kaufen gedenke. Antwortete er »Ja«, so erhielt 
er die Antwort: »Ja, Sie müssen aber wissen, daß das 
die kostbarsten Werke und — unbezahlbar sind.« 
Statt des Anblickes der Kunstwerke wurde höchstens der 
Einblick in einen sorgfältig gearbeiteten Katalog ge 
währt, zu dem der Eigentümer, während er auf einen der 
Schränke wies, erläuternd zum Beispiel bemerkte: »Nr. 1. 
der pfeilschießende Cupido von Correggio«, hat diese und 
diese Größe; Nr. 2, der heilige Laurenz auf dem Rost von 
Tizian. Fr ist, wie Sie sehen, so groß etc. etc.« Nach 
eingehenden Schilderungen des Formates der Bilder 
schloß der Sammler etwa mit den Worten: »Mein 
Tizian ist die reichste und schönste Komposition von 
allen bekannten Werken dieses Meisters. Mein 
Correggio hat anerkannt das schönste Flelidunkel und 
übertrifft darin die »Anbetung der Könige« in der 
Dresdener Galerie. Wenn nun dieses letztere Bild zum 
Beispiel mit 60.000 Dukaten bezahlt wurde, welchen 
Wert haben da wohl diese zwei Bilder?« Wenn der 
schau- oder kauflustige Kunstfreund nun auch inständigst 
bettelte, doch zunächst die teueren Werke besichtigen zu 
dürfen, erhielt er die Antwort, daß das zu nichts führen 
würde, denn die Sammlung könne nur Käufern ge 
zeigt werden, was aber seine Schwierigkeiten habe, da 
sich die Preise nicht ermitteln ließen. Das 
ging so durch Jahre fort. Der Sonderling, wenn man ihm, 
zart umschreibend, den Titel eines Sonderlings und nicht 
den eines Narren geben will, hatte inzwischen jedoch 
seine nicht allzu großen Barmittel nahezu erschöpft, und 
er mußte, durch die Verhältnisse gedrängt, auf die Idee 
gekommen sein, die Schätze doch nicht bloß zu schildern, 
sondern auch loszuschlagen, denn er entschloß sich, 
seine Bilder in einem eigens dazu verfertigten Wagen 
nach London zu bringen, wo von den dort lebenden 
reichsten Kunstsammlern die höchsten Preise zu erhoffen 
waren. Drei Monate blieb der Mann in London — die 
Kosten der Reise und des Aufenthaltes waren durch die 
Verpfändung der geschliffenen Steine gedeckt - und die 
reichsten englischen Kunstfreunde hatten sich als Käufer 
gemeldet. Vergebens. Der Mann konnte jedoch absolut 
nicht bewogen werden, einen Preis zu fordern; er packte 
endlich seine Wertsachen wieder zusammen und kehrte 
nach Wien zurück, wo er seine Gemälde rasch wieder 
vor jedem neugierigen Auge verbarg. 
Inzwischen war die finanzielle Lage des Sonderlings 
immer prekärer geworden. Sein großer »Karfunkel« 
folgte in die Hände eines Pfandwucherers. Der Wiener 
Kongreß, der eben tagte, brachte die reichsten und 
kunstsinnigsten Fürsten nach Wien. Der bayerische Prinz 
Ludwig, dem diensteifrige Mäkler von dem seltsamen 
Kauz und seinen seltenen Schätzen erzählt hatten, wurde 
neugierig, diese kennen zu lernen. Insbesondere war 
der hohe Kunstfreund begierig, den »Pfeilschießer« 
Correggios zu sehen, der nur in Kopien vorhanden, 
während hier angeblich das seit mehr als einem Jahr 
hundert aus der Kunstwelt verschwundene Original zu 
sehen sein sollte. Der Prinz ließ sich als Käufer melden 
und den Besitzer auffordern, ihm Tag und Stunde zu be 
stimmen, wann er die Gemälde besichtigen könne. Zu 
nächst erhielt der Prinz nur ausweichende Antworten. 
Endlich entschließt sich der Sammler, den Besuch des 
Prinzen entgegenzunehmen. Der Prinz erscheint pünkt 
lich. Der Eigentümer läßt auf sich warten, dann erscheint 
er im Schlafrock, überreicht den Katalog und beginnt die 
Beschreibung der — verschlossen gehaltenen Bilder. 
Der Prinz hört lange geduldig zu, endlich wünscht er zur 
Hauptsache zu kommen: er will die Bilder auch sehen. 
Der Sammler öffnet das Fenster, lehnt sich hinaus, bleibt 
geraume Zeit in dieser Situation, dann erklärt er: die 
Bilder seien heute nicht zu zeigen, denn das Wetter sei 
der Beleuchtung ungünstig. Dabei blieb er. Der Prinz er 
sparte sich einen zweiten Besuch. 
Zwölf Jahre schleppte sich der arme, unglückliche 
Sonderling hungernd und darbend mit seinen Schätzen 
herum. Die Not, die Verzweiflung, seine Schätze ver 
pfänden zu müssen, dann wieder der Kampf um die 
Herbeischaffung der Mittel, um das Verfallen der ver 
pfändeten Kunstwerke zu verhindern, brachten ihn dem 
Tode nahe. Die geschliffenen Steine waren schon ver 
loren; die Kameen lagen in versiegelten Schachteln in 
den Schränken der Pfandverleihcr; die Bilder, das heißt, 
die Schränke, in denen sie hingen, waren mit den Ge 
richtssiegeln bedeckt, denn auf jedem haftete das Gut 
haben von Gläubigern. 
Der Sonderling, der seit Jahren von Kartoffeln, Brot 
und Käse gelebt, starb buchstäblich inmitten seiner — in 
Beschlag gelegten — Reichtiimer aus Not und Kummer. 
Das Geheimnis, wie er, der, soviel man wußte, nie reich 
gewesen, keine Erbschaften gemacht, nie große Gehalte 
bezogen, in den Besitz seiner Schätze gekommen, nahm 
er ins Grab mit sich. 
Ein unglücklicher Sammler, dem seine Schätze 
das Leben verdarben, statt es zu verschönern und 
zu verlängern, was doch von Gott und Vernunft 
wegen der einzige Zweck aller Schätze auf Erden 
sein sollte. 
Die Kunstsammlungen Amerikas. 
Einen fesselnden Einblick in die Entwicklung des Kunst 
geschmackes in Amerika gibt ein Aufsatz über die Kunstsamm 
lungen Amerikas, den W. Roberts in der »National Review« 
veröffentlicht. 
Das Interesse des Amerikaners für die bildende Kunst ist 
verhältnismäßig spät erwacht; erst im Jahre 186U beginnt man, 
Bilder zu sammeln. Der Amerikaner tritt an diese Aufgabe mit 
jener voraussetzungslosen Unabhängigkeit der eigenen Meinung 
heran, die für sein Wesen charakteristisch ist; er ist von keinen 
Traditionen belastet und einstweilen auch nicht mit kunst 
historischen Kenntnissen beschwert. Sein Kunstgeschrnack ist 
noch völlig unentwickelt, aber trotzdem wird der Rat von Fach 
leuten abgelehnt, man verläßt sich auf sich selbst. So kam es, 
daß der Amerikaner in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als 
die Mode des Kunstsammelns in der neuen Welt auftauchte, in 
Europa kaufte, was ihm in den Weg kam; und das waren 
meistens minderwertige Stücke. Alle schlechten Malereien, die 
Pomp und Prunk entfalteten und uns heute als Musterbeispiele 
schlechten Geschmackes erscheinen, fanden damals bei den 
Amerikanern sicheren Absatz. Man kaufte fast nur in Paris. Für 
die Maler war das eine goldene Zeit, die Hochflut der ameri 
kanischen Bestellungen und Käufe war kaum zu befriedigen. 
Aber dann, im Jahre 1880, bereitet sich ein sehr fühlbarer Um 
schwung vor. Strahan veröffentlicht sein Werk über die 
»Kunstschätze in Amerika«, das erste Inventar amerikanischen 
Kunstbesitzes. Es umfaßt bereits mehr als 200 Privatsamm-
	        
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