Nr. 15/16
Internationale Sammler-Zeitung.
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stattet sein, sich an dem Anblick der berühmten Schätze
zu erquicken, ward ihm zunächst die Frage gestellt, ob
er zu kaufen gedenke. Antwortete er »Ja«, so erhielt
er die Antwort: »Ja, Sie müssen aber wissen, daß das
die kostbarsten Werke und — unbezahlbar sind.«
Statt des Anblickes der Kunstwerke wurde höchstens der
Einblick in einen sorgfältig gearbeiteten Katalog ge
währt, zu dem der Eigentümer, während er auf einen der
Schränke wies, erläuternd zum Beispiel bemerkte: »Nr. 1.
der pfeilschießende Cupido von Correggio«, hat diese und
diese Größe; Nr. 2, der heilige Laurenz auf dem Rost von
Tizian. Fr ist, wie Sie sehen, so groß etc. etc.« Nach
eingehenden Schilderungen des Formates der Bilder
schloß der Sammler etwa mit den Worten: »Mein
Tizian ist die reichste und schönste Komposition von
allen bekannten Werken dieses Meisters. Mein
Correggio hat anerkannt das schönste Flelidunkel und
übertrifft darin die »Anbetung der Könige« in der
Dresdener Galerie. Wenn nun dieses letztere Bild zum
Beispiel mit 60.000 Dukaten bezahlt wurde, welchen
Wert haben da wohl diese zwei Bilder?« Wenn der
schau- oder kauflustige Kunstfreund nun auch inständigst
bettelte, doch zunächst die teueren Werke besichtigen zu
dürfen, erhielt er die Antwort, daß das zu nichts führen
würde, denn die Sammlung könne nur Käufern ge
zeigt werden, was aber seine Schwierigkeiten habe, da
sich die Preise nicht ermitteln ließen. Das
ging so durch Jahre fort. Der Sonderling, wenn man ihm,
zart umschreibend, den Titel eines Sonderlings und nicht
den eines Narren geben will, hatte inzwischen jedoch
seine nicht allzu großen Barmittel nahezu erschöpft, und
er mußte, durch die Verhältnisse gedrängt, auf die Idee
gekommen sein, die Schätze doch nicht bloß zu schildern,
sondern auch loszuschlagen, denn er entschloß sich,
seine Bilder in einem eigens dazu verfertigten Wagen
nach London zu bringen, wo von den dort lebenden
reichsten Kunstsammlern die höchsten Preise zu erhoffen
waren. Drei Monate blieb der Mann in London — die
Kosten der Reise und des Aufenthaltes waren durch die
Verpfändung der geschliffenen Steine gedeckt - und die
reichsten englischen Kunstfreunde hatten sich als Käufer
gemeldet. Vergebens. Der Mann konnte jedoch absolut
nicht bewogen werden, einen Preis zu fordern; er packte
endlich seine Wertsachen wieder zusammen und kehrte
nach Wien zurück, wo er seine Gemälde rasch wieder
vor jedem neugierigen Auge verbarg.
Inzwischen war die finanzielle Lage des Sonderlings
immer prekärer geworden. Sein großer »Karfunkel«
folgte in die Hände eines Pfandwucherers. Der Wiener
Kongreß, der eben tagte, brachte die reichsten und
kunstsinnigsten Fürsten nach Wien. Der bayerische Prinz
Ludwig, dem diensteifrige Mäkler von dem seltsamen
Kauz und seinen seltenen Schätzen erzählt hatten, wurde
neugierig, diese kennen zu lernen. Insbesondere war
der hohe Kunstfreund begierig, den »Pfeilschießer«
Correggios zu sehen, der nur in Kopien vorhanden,
während hier angeblich das seit mehr als einem Jahr
hundert aus der Kunstwelt verschwundene Original zu
sehen sein sollte. Der Prinz ließ sich als Käufer melden
und den Besitzer auffordern, ihm Tag und Stunde zu be
stimmen, wann er die Gemälde besichtigen könne. Zu
nächst erhielt der Prinz nur ausweichende Antworten.
Endlich entschließt sich der Sammler, den Besuch des
Prinzen entgegenzunehmen. Der Prinz erscheint pünkt
lich. Der Eigentümer läßt auf sich warten, dann erscheint
er im Schlafrock, überreicht den Katalog und beginnt die
Beschreibung der — verschlossen gehaltenen Bilder.
Der Prinz hört lange geduldig zu, endlich wünscht er zur
Hauptsache zu kommen: er will die Bilder auch sehen.
Der Sammler öffnet das Fenster, lehnt sich hinaus, bleibt
geraume Zeit in dieser Situation, dann erklärt er: die
Bilder seien heute nicht zu zeigen, denn das Wetter sei
der Beleuchtung ungünstig. Dabei blieb er. Der Prinz er
sparte sich einen zweiten Besuch.
Zwölf Jahre schleppte sich der arme, unglückliche
Sonderling hungernd und darbend mit seinen Schätzen
herum. Die Not, die Verzweiflung, seine Schätze ver
pfänden zu müssen, dann wieder der Kampf um die
Herbeischaffung der Mittel, um das Verfallen der ver
pfändeten Kunstwerke zu verhindern, brachten ihn dem
Tode nahe. Die geschliffenen Steine waren schon ver
loren; die Kameen lagen in versiegelten Schachteln in
den Schränken der Pfandverleihcr; die Bilder, das heißt,
die Schränke, in denen sie hingen, waren mit den Ge
richtssiegeln bedeckt, denn auf jedem haftete das Gut
haben von Gläubigern.
Der Sonderling, der seit Jahren von Kartoffeln, Brot
und Käse gelebt, starb buchstäblich inmitten seiner — in
Beschlag gelegten — Reichtiimer aus Not und Kummer.
Das Geheimnis, wie er, der, soviel man wußte, nie reich
gewesen, keine Erbschaften gemacht, nie große Gehalte
bezogen, in den Besitz seiner Schätze gekommen, nahm
er ins Grab mit sich.
Ein unglücklicher Sammler, dem seine Schätze
das Leben verdarben, statt es zu verschönern und
zu verlängern, was doch von Gott und Vernunft
wegen der einzige Zweck aller Schätze auf Erden
sein sollte.
Die Kunstsammlungen Amerikas.
Einen fesselnden Einblick in die Entwicklung des Kunst
geschmackes in Amerika gibt ein Aufsatz über die Kunstsamm
lungen Amerikas, den W. Roberts in der »National Review«
veröffentlicht.
Das Interesse des Amerikaners für die bildende Kunst ist
verhältnismäßig spät erwacht; erst im Jahre 186U beginnt man,
Bilder zu sammeln. Der Amerikaner tritt an diese Aufgabe mit
jener voraussetzungslosen Unabhängigkeit der eigenen Meinung
heran, die für sein Wesen charakteristisch ist; er ist von keinen
Traditionen belastet und einstweilen auch nicht mit kunst
historischen Kenntnissen beschwert. Sein Kunstgeschrnack ist
noch völlig unentwickelt, aber trotzdem wird der Rat von Fach
leuten abgelehnt, man verläßt sich auf sich selbst. So kam es,
daß der Amerikaner in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als
die Mode des Kunstsammelns in der neuen Welt auftauchte, in
Europa kaufte, was ihm in den Weg kam; und das waren
meistens minderwertige Stücke. Alle schlechten Malereien, die
Pomp und Prunk entfalteten und uns heute als Musterbeispiele
schlechten Geschmackes erscheinen, fanden damals bei den
Amerikanern sicheren Absatz. Man kaufte fast nur in Paris. Für
die Maler war das eine goldene Zeit, die Hochflut der ameri
kanischen Bestellungen und Käufe war kaum zu befriedigen.
Aber dann, im Jahre 1880, bereitet sich ein sehr fühlbarer Um
schwung vor. Strahan veröffentlicht sein Werk über die
»Kunstschätze in Amerika«, das erste Inventar amerikanischen
Kunstbesitzes. Es umfaßt bereits mehr als 200 Privatsamm-