MAK
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Internationale Sammler- Zeitung. 
Nr. 15/16 
!ungen. Ein Ueberblick über den Besitz dieser Kollektionen zeigt, 
daß die alte Kunst völlig unbeachtet ist: man kauft zeitge 
nössische, europäische Malerei, in den Katalogen dominieren 
Bouguereau, Diaz, üerome, Corot, Meissonier, Detaille. aber 
ein erschreckender Prozentsatz dieser Bilder sind 
Fälschungen. Strahan ist von dem Kunstgeschmack 
seiner Landsleute alles andere als befriedigt, er urteilt sehr 
bitter und pessimistisch: »Es gibt Dinge,« so seufzt er, »die 
einen weinen machen können.« Diese herbe Kritik verfehlte 
nicht ihre Wirkung. Man wurde nachdenklich, kritisch, und nun 
plötzlich setzt der Kultus der alten Meister und der primitiven 
Engländer ein. 
Der neue Geist hat bereits im Jahre 1883 die Oberhand: 
in diesem Jahre wird Rembrandts Bildnis des Hermann 
Doomer nach Amerika gebracht, und dieses Meisterwerk wirkt 
wie eine Offenbarung. Kunstfreunde und Sammler empfangen 
von diesem Werke entscheidende Eindrücke. Die nun plötzlich 
ei wachte Begeisterung schreckt sogar vor den gewaltigen Ein 
fuhrzöllen nicht zurück; für jeden Rembrandt mußten 48.000 
Maik Zoll bezahlt werden. Aber nun ist das Eis gebrochen und 
der Blick des Amerikaners für echte und große Kunstleistungen 
erwacht. Die Kunstkritik, die bis dahin an Unkenntnis und 
falschen Bewertungen Groteskes geleistet hatte, beginnt sich zu 
entwickeln, mit der wachsenden Fähigkeit des Sehens erwacht 
das Interesse für die kunstgeschichtlichen Entwicklungsgänge, 
geschickt organisierte Ausstellungen schärfen den Blick und das 
Verständnis, und nun vollzieht sich überraschend schnell die 
entscheidende Entwicklung des amerikanischen Sammlers vom 
naiven Käufer zum Kenner. 
1910 zählte man in Amerika bereits nicht weniger als 
86 Rembrandts, und wenn auch in vielen Privatgalerien die 
falschen Corots noch immer nicht ausgerottet sind — man 
zählt in Amerika 3 0.0 0 0 Corots, während der Meister 
kaum 1000 Gemälde geschaffen hat —, so zeigen doch die 
amerikanischen Kunstkäufe während der letzten 20 Jahre, daß 
nicht nur historische Kenntnisse und Kritik gewachsen sind, 
sondern auch Geschmack und Verständnis. 
Der europäische Kunsthandel trug dieser schnellen und 
gründlichen Wandlung Rechnung, in Amerika erstanden Filialen, 
und heute trägt fast jedes Schiff kostbare und unersetzliche Er 
zeugnisse europäischen Kunstgeistes in die neue Welt. Man 
glaubt in Europa gerne, daß die Amerikaner aus Snobismus 
sammeln; aber in Wirklichkeit hat der amerikanische Kunst 
freund ein sehr starkes und enges Verhältnis zu seinem Be 
sitze, und er genießt seine Schätze mehr als viele europäische 
Sammler. 
Durch die Kunstläden Kiotos. 
Aus den Reisebriefen von Artur Neustadt. 
Seit Leofcadio Hearn ist viel Tinte über Japan ver 
gossen worden; aus der Flut von Broschüren und 
Büchern hebt sich aber nur weniges empor, das für den 
Sammler von Interesse ist. Es ist darum um so erfreu 
licher, wenn man auf ein Buch, wie die »Japanischen 
Reisebriefe« von Artur Neustadt* stößt, der mit 
Kenner- und Sammlerblicken das berühmte japanische 
Kunstgewerbe prüft und schätzt. 
Mit Neustadt zum Beispiel durch die Läden und 
Werkstätten Kiotos, der ehemaligen Residenz des 
Mikado, zu spazieren, bringt Gewinn. Der Leser sucht 
mit seinem kunstverständigen Führer etwa die Werk 
stätte des berühmten Goidarbeiters O k o m a i auf. »Hier 
werden,« so berichtet Neustadt, »die prachtvollen 
Damaszenerarbeiten gemacht, die weit über 
die Grenzen Japans ihre Liebhaber gefunden haben. 
Diese Arbeiten, die ganz an die berühmte Metallkunst 
Toledos erinnern, haben mich sehr entzückt. Als Grund 
metall wird gewöhnlich das grauschwarze, auch bei uns 
bekannte Kanonenmetall verwendet, das in Farbe dem 
Tula nicht ganz unähnlich ist. Mit haarfeinen Fäden aus 
Gold und Silber wird dann ein Landschaftsbild auf die 
glatte Fläche eingelegt. Hier werden vorzugsweise die 
Fujimotive wiedergegeben; aber ebenso häufig fand ich 
altchinesische Wappen und mitunter auch einen prächtig 
wiedergegebenen Bambushain, in dem eine Anzahl 
kleiner Vögel aufflogen. Die Damaszenerarbeiten eignen 
sich am besten zur Herstellung von kleinen Zigaretten 
oder Kartenetuis, ferner werden Schirmgriffe, Hut- und 
Krawattennadeln hergestellt. Wir sahen lange der mühe 
vollen Arbeit zu, und es ist geradezu erstaunlich, mit 
welcher Geschicklichkeit, mit welch ungeheuerer Ge 
duld und mit welchem Ernst die Leute hier bei der 
* Japanische Reisebriefe. Berichte über eine Fahrt 
durch Japan von Artur Neustadt. Mit 15 Abbildungen. 
Nach photographischen Aufnahmen des Verfassers. Bei Paul 
C a s s i r e r. Berlin 1913. 
Sache sind. Wenn man hier in der Werkstatt des 
Meisters Okomai steht, dann begreift man, daß wir in 
Europa nicht imstande sind, mit dem Osten in Konkur 
renz zu treten; hier lernt man tatsächlich verstehen, daß 
es dem Japaner niemals auf Zeit ankommt, wenn nur 
sein Werk ein vollendet schönes wird. Ich sah kleine 
Visitenkartentäschchen, die auf der Vorderseite mit dem 
Fujiyama, auf der Rückseite nur mit zwei fliegenden 
Schmetterlingen geziert waren, und zu dieser Arbeit 
brauchte der Künstler nahezu vier Wochen; die Tasche 
selbst wurde für 11 Yen (zirka 20 Mk. oder 24 K) ver 
kauft. In Europa könnte sie kaum um den dreifachen 
Preis hergestellt werden. Freilich sind hier die Lebens 
bedingungen auch gänzlich andere wie bei uns. Unsere 
Arbeiter können nicht von Reis leben wie diese Japaner, 
und wir wohnen auch hier nicht in billigen Papier 
häuschen. Aber was mich bei diesen Arbeiten am meisten 
interessierte, war die Tatsache, mit welcher Ruhe die 
kleinen Jungen, die mit zierlichen Hämmerchen die 
Goldfäden in das harte Kanonenmetall cinschlugen, bei 
ihrer Arbeit saßen. Fast unbeweglich, wie die große 
Buddhastatue zu Kamakura; kaum würdigten sie den 
Fremden nur eines Blickes und tack, tack sauste der 
kleine Hammer von neuem auf die wunderbare Arbeit 
hernieder. 
Wohl mit der Damaszenerfabrikation am meisten 
verwandt ist die des Cloisonneporzellans; hier 
wie dort werden Drähte zum Einlegen des Objektes ver 
wendet, nur mit dem Unterschiede, daß man bei dem 
Cloisonneporzellan die Drähte reliefartig aufsetzt und 
dann ausfüllt, während man bei den Damaszenersachen 
mit den Goldfäden gewissermaßen direkt zeichnet, das 
heißt, die Fäden ins Metall einschlägt. Den größten 
Cloisonneladen hat in Kioto wohl der Yasuyuki. Wir 
wurden hier sofort in die Werkstatt geleitet und die ver 
schiedenen Stadien der langwierigen, genauen Arbeit 
wurden uns auf das freundlichste gezeigt. Ich brauche
	        
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