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L.: MÜNCHEN HLS STHDTEBHUBILD
ls Städtebaubild ftebt München einzig da. Keine deutfcbe
Stadt hat fleh fo harmonifch entwickelt, wie München.
Die Stadterweiterungen, die überall mit dem tiefften
Hrcbitekturniedergang zufammenfielen und unter der Vormund-
febaft des Baubureaukratismus ftanden, haben allen Städten in
den lebten fünfzig Jahren die bekannte fchematifche Signatur
aufgedrückt. Nur München ift der Gefahr ziemlich entronnen,
j 1 Die Städtbauer wollen wifien, wie das zuging. Vielleicht ließe
j fleh ein Regulativ daraus fchöpfen, eine Nutzanwendung für die
' anderen, eine Doktrine. Hber die Urfacben von Münchens
glüdklicher Entfaltung find fo verblüffend einfache, daß fie dem
gelehrten Blick regelmäßig entgangen find. □
Wie die Dinge lagen, ift mit wenigen Worten zu fagen. Der
Vorzug liegt teils an der populären Behandlung von künftle-
rifeben Fragen, auch was das Bauen betrifft, teils an einem
konfervativen, praktifcb bürgerlichen Sinn, dem das Parvenü-
bafte fehlt, an einem ftarken volkstümlichen Einfluß der Künftler
auf das öffentliche Leben. Früher als in anderen Städten
wurde die entzückende lokale und ländliche Überlieferung er
kannt. GHBRIEL VON SEIDL war die treibende Kraft. Er
felbft bat als febaffender Künftler die bürgerliche Cbarakteriftik
gewahrt und ift begeiftert für die Beachtung und Schonung der
beimifeben Tradition eingetreten. In der Periode der Stadter
weiterung bat fleh fein wohltätiger Einfluß in unberechenbarem
Maße geltend gemacht. Zwar find auch in München die Bau
linien rein ingenieurmäßig und fehematifeb feftgelegt worden.
Eine Konkurrenz für den Stadterweiterungsplan, aus der
c HENRIC1 mit dem erften Preis bervorging, gab den erften
ffnftoß zu einer Reibe von entfebeidenden Verbefferungen.
i' 1 THEODOR FISCHER, der dem Stadterweiterungsbureau vor-
i geftanden bat, fand Gelegenheit, auf dem beftebenden, unkünft-
lerifcben Flucbtlinienplan mit umfichtiger Hand verbeffernd ein-
zugreifen. Daß außer Fifcber HOCHEDER und GRfiSSEL als
Bauamtmänner wirkten und unter einem verftändigen Vorftand
freie Hand erhielten, ift einer der wefentlicbften Glücksumftände,
die nicht immer gleich erkannt wurden. Erft beute beginnt die
Stadt den Segen zu verfpüren, den Fifcbers ftille vorbe
reitende und nicht immer mit Dank gelohnte Hrbeit an der
Regulierung für die künftlerifcbe Entwicklung der Stadt be
deutet. Es greifen hier auch lokale konfervative Rechte und
Servitute helfend ein, die man anderwärts als rückftändige
Hemmung empfunden und längft abgefebafft hätte. So z. B. gibt
es in Bayern kein Expropriationsverfabren, das zugunften der
fcbematifchen Regulierungspläne ausgenützt werden könnte. Nur
im Wege des Vergleichsverfahrens ift es möglich, Grundftücks-
abtretungen im Intereffe der reißbrettartigen Fluchtlinien berbei-
zufübren, ein Verfahren, das langweilig ift und nicht immer
zum Ziel führt. Diefem Umftand verdankt es München, daß
eine Menge von Zufälligkeiten und Unregelmäßigkeiten befteben
blieben, die fleh nachmals der künftlerifchen Wirkung von enormem
Vorteil erwiefen. Es konnte alfo in München der überlieferte
Zuftand nicht mit der unheimlichen Schnelligkeit wie in den
anderen Städten befeitigt werden. 0
Diefer Vorteil wird durch den Umftand geftärkt, daß die ganze
Stadt vom königlichen und ftaatlicben Gebäudebefitz durchlebt
ift und daß die Umgebung diefer Gebäude durch die hohe Ober«
auffiebt zu einer gewiffen vornehmen FSrcbitekturerfcbeinung
gezwungen ift. Die Spekulation war alfo von vornherein an
vielen Punkten der Stadt geknebelt. Wenn alfo in einer folcben
anftändigen Nachbarfchaft ein Spekulant ein Grundftück er
werben und verbauen wollte, fo konnte er nicht ohne weiteres
tun was er beabfichtigte. Obzwar es keine gefeflliche Handhabe
für einen folcben Einfpruch gibt, fo konnte doch eine Ver-
fdbleppung erwirkt und mit der Zeit entfeheidende Gründe ge
funden werden, die einer unliebfamen Bauentwicklung den Boden
entzogen. Dazu kommt noch, daß Ludwig I., um die Schönheit
der Stadt zu fördern und die Nachbarfchaft feines vielfachen
Stadtbefitzes auf der Höbe des künftlerifchen Gefcbmackes zu
halten, vielen Bürgern an zabllofen Plätzen und Straßen die
Baupläne koftenlos liefern ließ mit der Verpflichtung, daß diefe
Hausbefitzer an dem Baucharakter ihrer von vornherein künft-
lerifcb beeinflußten Käufer nichts verändern. Diefe Servitute
befteben bei einer großen Zahl von privaten Bauten und bil
deten gleichzeitig ein Bollwerk gegen die fchlimmften Übel der
Gefcbmacksverwilderung und Spekulation. Einen Vorteil in ge-
wiffer Hinficht ftellt auch die öffentliche Behandlung der Bau
polizeifrage dar. Bei diefem Verfahren bat der Baubefliffene
Gelegenheit, die Einwände und ihre Gründe zu hören und fleh
im Wege der unmittelbaren Verftändigung auf das Sinngemäße
zu einigen. Mit gutem Willen kann fehr viel errreicht werden,
wenn, wie in diefem Fall, der Bürger mit dem Bürger in faft
ganz unbureaukratifeber Form über Baufachen zu verhandeln
hat. Wie immer ift der perfönlicbe Einfluß noch von größerem
Wert. Diefes Syftem ermöglicht es, daß fleh felbft in bauamt
licher Stellung Künftler von dem Rang der Genannten behaupten
und ihre Ideen durchleben konnten. Es ift ja auch dabei nicht
alles glatt gegangen. Aber immerhin. Wenn man alle diefe zu-
fammenwirkenden günftigen Erfcheinungen auf eine lebte ge«
meinfame Wurzel zurückverfolgen will, fo müßte man fagen,
daß es der durchaus volkstümliche Geift ift, der den Verkehr
aller Schichten regelt und an Stelle des toten Verordnungs-
buebftabens die lebendige Verftändigung febt. Das befte Syftem
von Verordnungen ift nur ein unzulängliches Surrogat für den
Verkehr der Lebensmäcbte untereinander und für eine volks
mäßige Verfaffung, die der Perfönlichkeit den weiteften Spiel
raum läßt. Aber diefe Volkstümlichkeit, mit der in München
auch die künftlerifchen Fragen behandelt werden, ift wieder ein
Stück der lokalen Art. Sie wurzelt in der Raffe und kann nicht
eigens als Rezept verfchrieben werden. □
MÜNCHENS WHLDFRIEDHOF
s war entfehiedene Bautradition geworden, jedem Münchener
Friedhof den Charakter eines Campo-Santo zu geben.
GÄRTNER kopierte vor mehr als 60 Jahren den Campo-Santo
von Bologna und den von Pifa, ZENETTI und GRASSEL folgten
bewußt und freudig diefen arebitektonifeben Geftaltungen. Gräffels
weftlicher Friedhof, wie fchon der neue nördliche bei Schwabing,
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