MAK
Internationale 
«gammler-Zeifunfl 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
5. Jahrgang. 
Wien, 1. September 1913. 
Nr. 17. 
Künstlerplakate und Plakatkünstler. 
Von Dr. Ottokar Mascha (Wien). 
»Der Zeitihre-Kunst!« Die stolze Devise, mit 
der 1898 die »Sezession« ihren Siegeszug angetreten hat! 
Ein Ueberblick über das große Spezialgebiet der graphi 
schen Künste beweist die Richtigkeit dieses Kampfrufes 
und zeigt, wie viele Techniken heute schon fast ausge- 
storben sind, wie viele neue graphische Ausdrucksformen 
geradezu die Welt überschwemmen! Wer macht heute 
noch Nielien? Der edle Linienstich der alten Grabstichel 
blätter gehört auch schon der Kunstgeschichte an. Für 
die Schabkunst erwärmt sich höchst vereinzelt da und 
dort ein graphischer Künstler. Nur die freie Aetzung, 
Radierung hat von den alten Tiefdrucktechniken auch 
heute noch ihren alten Platz behauptet, neben dem 
späteren Aquatintaverfahren und dem noch neueren 
Durchzeichnungsverfahren (Vernis moux). Aber unver 
kennbar sind überall die Folgen der großen graphischen 
Revolution, die im letzten Jahrhundert die Lithographie 
und die Photographie hervorgebracht haben. Hat doch 
die Photographie das große Gebiet der Reproduktions 
technik mit Lichtdruck, Heliogravüre, Kombinations 
farbendruck u. a. geschaffen, das aus ursprünglich hand 
werksmäßigem Verfahren mit Siebenmeilenstiefeln zu 
echten Kunstformen übergeht. Und welche Rolle die 
graphischen Künste in der Gegenwart für den National 
wohlstand spielen, und dies zum allerersten Male seit 
Gutenberg, dessen wird man sich bewußt, wenn man an 
das unendliche Gebiet der Ansichtskarten denkt und an 
den Kinemutographcn, der nahe daran ist, das ganze 
Theaterwesen umzugestalten. Die Operette verdrängte 
einst die Oper. Zirkus und Variete verdrängten die 
Operette. Alle diese aber verdrängt das Kinotheater. Die 
Graphik ist zur Vollbedeutung gelangt. Die Lithographie 
hat ungeahnten Einfluß erlangt in der modernen Reklame, 
vorzüglich auf dem Gebiete des Plakats. Tatsächlich wer 
den heute trotz Buchdruck und Reproduktionsver- 
fahren die meisten Plakate durch Flachdruck erzeugt. 
Wie aus den Plakaten früherer Jahrhunderte, aus 
simplen, formlosen geschäftlichen Ankündigungen und 
Aushängen durch Mitwirkung wirklicher Künstler all 
mählich um 1840 herum Künstlerplakate von G a v a r n i, 
Qrandville und Daumicr geworden, später zur 
künstlerischen Höhe der heutigen Plakatmeister ge 
stiegen sind, kann in Sponsels »Das moderne Plakat« und 
in Zur Westens »Reklamekunst-« verfolgt werden. Um 
aber in Oesterreich zu bleiben — das in dieser Hinsicht 
von der Kunstliteratur des Auslandes leider sehr unter 
schätzt wird — tut es wirklich not, darauf wieder hinzu 
weisen, daß schon zur Zeit Gavarnis, als cs überall in der 
Welt fast ausschließlich nur Schwarzdrucke gab, in 
Oesterreich Blasius Höfel lebte und wirkte, der als 
Erster schon Plakate in vielfarbigem Holzschnitte herge- 
stcllt hat, und daß in Oesterreich von da über Makart 
bis zu den hochoriginellen Plakatschöpfungen der 
heutigen Generation, der Gustav Klimt, Alfred 
Roller, Kolo Moser und Rcrthold Löffler ange 
hört, eine aufsteigende Linie geht, die im Inlande wenig, 
im Auslande aber gar nicht beachtet wird. Frankreich ist 
stolz auf C h e r e t und Toulouse-Lautrec, auf 
S t e i n 1 e n und W i 11 e 11 e und auf den — Oesterreicher 
M u c h a, Belgien auf Rassenfosse. Der Engländer 
kennt seine Plakatkünstler, die Beggarstaffs, 
Brangwyn, Dudley Hardy und Hassal, der 
Nordamerikaner B r a d 1 e y, R h e a d und P e n f i e 1 d 
von der Straße her. Die deutschen Litfaßsäulen sprühen 
von Witz und von der beredten knappen Sachlichkeit der 
Deutschen Bernhardt, Scheurich, T. T. Hein e, 
H o h 1 w e i n und der dort ansässigen Oesterreicher 
Julius K 1 i n g e r, J. Deutsch, O r 1 i k. Hugo 
Steiner, Pirchan. Die ersten Plakatkünstler des 
Königreiches Italien, M. D u d o v i c h und M e 11 i k o- 
w'i t z, sind in Triest geboren. Und in Oesterreich selbst? 
Da gibt es zwar Künstlerplakate, Maler und 
Zeichner, die gelegentlich auch irgend einmal Plakate 
machen. Aber sie halten es vielfach noch immer unter 
der Würde, das Plakat mit ihrem Namen zu zeichnen. 
Auch gibt es schon P 1 ak a t k ü n s 11 e r, die sich vor 
wiegend auf dieses Kunstgenre verlegen. Aber das Gros 
der österreichischen Plakate ist leider noch immer 
Industrieware, hergestellt für ein Butterbrot von hand 
werklichen Zeichnern und mittellosen Kunstgewerbe 
schülern. Diesem Eindrücke, daß hier noch so selten 
wirkliche Künstlerplakate Vorkommen, kann sich nie- 
mand verschließen, der aus Paris, Berlin oder München 
I nach Wien zurückkommt.
	        
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