MAK
Seite 260 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 17 
weisend, nach denen sich die Arbeiten in zwei Gruppen 
einteilen lassen: erstens in Modelle, die unmittelbar ge 
formt und gebrannt worden sind, und zweitens in solche, 
die, wie dies auch in der Renaissance vorkomrnt, sorg 
fältig nachmodellierte Ausdrücke aus einer echten Form 
sind. Die vielfach im Rücken angebrachten Oeffnungen 
hatten den Zweck, Veränderungen bei dem den Ton zu 
sammenziehenden Brennen zu verhindern. Die dem Ton 
gegebene Färbung ist verschieden, bald heller, braun 
gelb, bald dunkler, bräunlich. In dem Sichbeschränken 
auf Einzelheiten des Körpers, in dem peinlich genauen 
Durchführen der kleinen Modelle offenbart sich nun eine 
besondere Eigentümlichkeit des Formenstudiums 
Michelangelos, wie durch viele seiner Zeichnungen, 
deren manche direkt nach, solchen Modellen angefertigt 
sein müssen, erwiesen wird. Ja, die Besonderheit solcher 
Zeichnungen, die erst durch diese Modelle recht erklärt 
wird, muß als ein starker Beweis für deren Echtheit 
gelten. Als eine Vermutung, die ebenfalls für die Echtheit 
sprechen könnte, führt Thode dann noch einen kleinen 
Papierzettel an, der unlängst bei dem Bruch eines der 
Modelle in seinem inneren Hohlraum gefunden wurde 
und augenscheinlich eine Preisangabe enthält. Die Buch 
staben haben eine überraschende Aehnlichkeit mit der 
Schreibweise Michelangelos, und man würde sie, wenn 
sie sich auf einer Zeichnung des Meisters fänden, ohne- 
weiters für Züge seiner Handschrift erklären. Aber der 
wichtigste Beweis für die Echtheit liegt dem Verfasser 
in dem ganz einzigen, wunderbar lebendigen Charakter, 
der unvergleichlichen Kenntnis des Körpers, in der 
Intensität der Anschauung, der Macht des Formgefühles 
und der Meisterschaft der Behandlung, die diese Modelle 
in jeder Linie verraten. »Man empfindet den durch jeden 
leisesten Druck den Ton beseelenden Finger des 
Schöpfers mit jener Erregung und jenem Entzücken, die 
nur durch das Miterleben des Schaffens eines größten 
Künstlers erweckt werden.« Die Großartigkeit von 
Michelangelos Schaffen, die sorgsamste Vorarbeit für 
seine Werke, von der Vasari und Cellini berichten, wird 
erst durch diese Modelle in helles Licht gerückt und er 
weckt eine Bewunderung, für die der Betrachter nur 
schwer Worte finden kann. 
Der heilige Gral. 
Von Dr. Stephan Kekule v. Stradonitz (Berlin). 
In einem Augenblicke, da es — von meinem Standpunkte 
aus, muH ich sagen: leider — entschieden ist, daß Richard 
Wagners Bühnenweihfestspiel »Parsifal« vom Beginne des 
nächsten Jahres ab nicht mehr dem Festspielhause zu Bayreuth 
ausschließlich Vorbehalten sein wird, dürfte es besonderem Inter 
esse begegnen, wenn über die beiden altehrwürdigen Gefäße, 
die noch vorhanden sind, und die beide in Anspruch nehmen, der 
echte »heilige Gral« zu sein, einiges berichtet wird. 
Von diesen Gefäßen ist das eine ganz allgemein bekannt. 
Fs ist der »heilige Gral« irn Schatz des Domes »San Lorenzo« 
zu Genua, im Volksmunde »Sacro Catino« genannt. Die 
Genuesen schwören, wenn sie etwas besonders feierlich be 
kräftigen wollen, noch heute bei diesem ihren Nationalheiligtum 
Es ist eine flache, achteckige Patene von der schönen, dunkel 
grünen. Farbe eines großen Smaragds, und wurde auch lange 
Zeit hindurch tatsächlich als der größte bekannte Smaragd an 
gesehen. Der Heiland soll sich dieses Gefäßes beim letzten Mahle 
zur Verteilung des Brotes bedient, auch soll Josef von Arimathea 
das Blut des Erlösers am Kreuze darin aufgefangen haben. 
Guglielmo Embriaco hat die Patene im Jahre 1101 aus dem 
von ihm eroberten Caesarea nach Genua gebracht. Im Jahre 
1809 wurde sie von den Franzosen nach Paris verschleppt, 
zerbrach dabei und wurde bei dieser Gelegenheit als ein alt- 
orientalischer, wahrscheinlich phönizischer Glasfluß erkannt. Im 
Jahre 1815 kehrte sie nach Genua zurück und wurde 1827, in 
folge des Zerbrechens, mit einer Fassung in klassizistischem 
Stile versehen, die man nur als eine Verunstaltung des ehr 
würdigen Gefäßes bezeichnen kann. Mit dieser Fassung sieht es 
fast wie eine große Besuchskartenschale für einen modernen 
Salon aus, und es ist deshalb durchaus berechtigt, daß der »Sacro 
Catino« nicht als Vorbild für die bühnenmäßige Darstellung des 
»Parsifal« im Festspieihause zu Bayreuth verwendet worden ist, 
wo es sich ausgesprochenermaßen um einen »Abendmahl 
kelch«, wenn auch mit dem Blute des Erlösers, handelt. 
In neuester Zeit erst ist nun etwas mehr bekannt geworden 
über einen anderen »heiligen Gral« im nordöstlichen Europa, 
der sich in der Sakristei des Domes zu Valencia in Spanien 
befindet, also unweit des Klosters auf dem Monserrat, das, wie 
man weiß, das Vorbild für die Gralsburg »Montsalvat« gewesen 
ist. Es ist ein richtiger Abendtnahlskelch, lind der Erlöser soll 
sich seiner beim letzten Mahle zur Verteilung des Weines be 
dient haben. Dieser »heilige Gral« besteht aus einer »Cuppa«, 
die aus einem kostbaren Sardonix (Achat) geschnitten ist und 
eine Höhe von sechs Fingerbreiten hat, sowie einem ungefähr 
ebenso hohen Schaft mit Knauf und einem sehr breiten, noch 
mals ungefähr ebenso hohen Fuße, die beide aus Edelmetall und 
mit kostbaren Steinen — Perlen als Tränen und Rubinen als 
Blutstropfen — reich besetzt sind. Von dem Fuße führen zwei 
weit ausgebogene Henkel, ebenfalls aus Edelmetall, nach dem 
unteren Rande der »Cuppa« hinauf. In dieser Gestalt soll dieser 
»heilige Gral« im Jahre 1099 vom ersten Kreuzzuge nach 
Spanien gekommen sein. Er hat dann dort in späterer Zeit noch 
einen besonderen »Unterbau« erhalten, von dem er abge 
nommen werden kann. Es sind dies vier schön gearbeitete Engel 
von Silber, sie halten kniend eine Platte, auf die der Fuß des 
»Abendmahlkelches« genau paßt. Jedes Jahr einmal, am 
31. August, wird der »heilige Gral« im Dome zu Valencia öffent 
lich den hinzuströmenden Gläubigen zur Schau gestellt. Ur 
sprünglich befand er sich im Kloster »San Juan de la Penja«, 
der Grabstätte der ältesten Könige Aragoniens, bis Aragonien 
durch die Mauren zerstört wurde. 
Es ist klar, daß dieses altehrwürdige Stück das geeignete 
Vorbild für die Verwendung bei bühnenmäßigen Aufführungen 
des »Parsifal« bietet, und es sollte dies auch für die bevor 
stehenden Inszenierungen geschehen, statt, wie es bisher in 
Bayreuth geschah, einen frühmittelalterlichen Phantasiekelch mit 
rubinfarbener »Cuppa« und Metallfluß zu verwenden. 
N. G. C.
	        
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