MAK
Seite 250 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 17 
Woran liegt das? 
Weil in Oesterreich dieses ganze Kunstgenre unter 
schätzt wird. Vom Künstler, von den öffentlichen Samm 
lungen, von dem Publikum, von der Presse. 
Die Tatsache, daß so viele österreichische Plakat- 
künstler ins Ausland ziehen mußten, um zu Arbeit, Wohl 
stand und Ansehen zu gelangen, spricht deutlich genug. 
Oesterreichische Bildhauer, Hugo Lederer und Franz 
M e t z n e r, haben, ersterer das Bismarck-Denkmal in 
Hamburg, letzterer das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, 
geschaffen. Olbrich, der Erbauer des Sezessionsge 
bäudes, der Villenkolonie auf der Mathildenhöhe in Darm 
stadt. Der Oesterreicher Julius Kling er ist zum unbe 
strittenen führenden Plakatkiinstler Deutschlands ge 
worden. Ohne Neid und Mißvergnügen sei dies hier er 
wähnt, sondern in aufrichtiger Dankbarkeit für das große 
deutsche Nachbarreich, das so vielen, im eigenen Lande 
nicht genügend beachteten österreichischen Künstlern zu 
lukrativer Tätigkeit und zu Ruhm verholfen hat. Aber 
von vielen ,im Lande gebliebenen heimischen Künstlern 
sind selten künstlerisch wertvolle Plakate zu sehen, weil 
es an Bestellungen fehlt, weil sehr leistungsfähige Kunst 
anstalten, anstatt anerkannt erste Künstler heranzu 
ziehen, sich des weit billigeren Preises wegen mit ganz 
untergeordneten Kräften begnügen. Billig und schlecht! 
Da machen es die deutschen Kunstanstalten anders. Jede 
bedeutende Reproduktionsanstalt in Berlin, München, 
Hamburg, Breslau, Karlsruhe legt einen Stolz darein, 
sich mit einem Stabe von Künstlern zu umgeben, und 
nur solche Blätter in die Welt zu schicken, die von an 
erkannt ersten Künstlern entworfen und stets mit deren 
Namensfertigung versehen sind. 
Die allgemeine Unterschätzung des ganzen Kunst 
genres rührt auch daher, daß die öffentlichen Samm 
lungen auf die Erwerbung, Aufbewahrung und Zugäng 
lichmachung eines ausreichenden Vorbildermateriales 
bisher viel weniger Bedacht genommen haben, als dies 
im Auslande geschieht. Dann weil trotz der alljährlichen 
Verkaufsausstellungen von Gemälden bei uns Plakataus 
stellungen viel zu selten, veranstaltet werden, und dies 
nur dann, wenn die Ausstellung als Dekoration für eine 
Wohltätigkeitsuntcrnehmung (1906), oder nur für eine 
bestimmte Konkurrenz, oder vorwiegend für eine be 
stimmte Künstlerpartei (1912) dienen soll. Noch nie hat 
in Wien eine instruktive PJakatausstcllung stattgefunden 
mit einer Auslese des besten erreichbaren internationalen 
Materiales von den Inkunabeln des Künstlerplakates an 
gefangen bis in die Gegenwart. Die Kupferstichkabinette 
in Berlin und Dresden beherbergen eine reiche Auswahl 
von Künstlerplakaten. Ebenso das Kabinett des Estampes 
der Bibliotheque Nationale in Paris. Die Bibliothek des 
Kunstgewerbemuseums in Berlin hat eine große, syste 
matisch geordnete Plakatsammlung der hervorragendsten 
Künstler aller Kulturnationen. Auch die Kunstgewerbe 
museen in Leipzig und Hamburg haben recht bedeutende 
Sammlungen von Künstlerplakaten angelegt und der 
öffentlichen Benützung zur Verfügung gestellt. Ebenso 
das Suermondt-Museum in Aachen, das im Jahre 1897 
auch eine öffentliche Plakatausstellung veranstaltet hat. 
Frankreich war diesfalls schon lange vorangegangen, da 
schon 1889 in Nantes die Sammlung des Kunsthistorikers 
Gustave Bourcard in öffentlicher Ausstellung gezeigt 
worden war. In Deutschland sind aber zahlreiche Aus 
stellungen aufeinander gefolgt: Hamburg 1896, Dresden 
1896, Düsseldorf 1897, Aachen 1897, Görlitz 1903, Berlin 
1908, Aachen 1909, Leipzig 1910. Bei der großen Kunst 
ausstellung in Berlin 1912 waren mehrere Säle aus 
schließlich mit Künstlerplakaten der führenden deutschen 
Künstler angefüllt, und noch in demselben Jahre folgte 
die Kunsthalle in Mannheim mit einer großen Plakat 
ausstellung. 
Bevor noch die Mona Lisa gestohlen wurde, kannte 
sie wohl jeder Kunstfreund aus Reproduktionen. Wer im 
Louvre war, hat sie gewiß auch aus eigener Anschauung 
als ein Meisterwerk Lionardos gewürdigt, aber vielleicht 
nicht mehr gewürdigt als andere Werke desselben und 
als Werke anderer erster Meister. Die große Masse 
wußte wenig von ihr. Seit die Mona Lisa gestohlen 
wurde, kennt sie jedermann. Auch der kleinste Mann hat 
sie durch Reproduktionen kennen gelernt. Jetzt erst hatte 
sie den ungeheuersten Seltenheitswert erlangt. Das 
Gegenteil hievon ist beim Plakat der Fall. Das Plakat 
gut oder schlecht — gehört der Allgemeinheit. Nur 
flüchtig sicht man es auf der Straße an. Ist der Text kurz, 
leserlich, leicht leserlich, so liest man ihn und merkt sich 
die Sache, die empfohlen wird. Aber ob das Plakat irgend 
einen Wert hat oder nicht, ob es als graphisches Blatt 
verdient, vor Vernichtung geschützt zu werden und viel 
leicht als künstlerische Schöpfung für die Zukunft auf 
bewahrt werden soll, daran denkt selten jemand. Kunst 
freunde, denen das viele Geld und der Raum fehlen, 
qualitätreiche Oelgemälde zu kaufen, sind oft Kupfer 
stichsammler. Heute sind aber gute Kupferstiche und 
Radierungen vielfach schon so teuer, daß cs auch nicht 
mehr so leicht ist, sich eine gute Kupferstichsammlung an 
zulegen und es müssen photographische Reproduktionen 
die Stelle von Originalblättern vertreten. Gute Plakate 
aber stehen der Originalschöpfung des betreffenden 
Künstlers näher, als irgendwelche tote, womöglich noch 
schwarzweiße Reproduktionen, und verdienen also ge 
wiß zumindest das gleiche Interesse des Kunstfreundes 
und Kunstsammlers. 
Seitdem in Frankreich und England das Plakat zum 
Künstlerplakat geworden ist, wurde dort das Sammeln 
von Künstlerplakaten immer häufiger. Sogar der legitime 
Kunsthandel nahm sich der Sache an und verdiente ziem 
lich viel Geld dabei, bis ihm plötzlich das Geschäft ver 
leidet wurde. Zufällig war cs damals dem Besteller eines 
teueren Künstlerplakates einmal aufgefallen, daß er von 
seinen Tausenden hoch bezahlten Exemplaren selten 
eines affichiert fand, bis er erfuhr, daß er bei einem be 
deutenden Kunsthändler beliebig viele Stück kaufen 
könne. Die nachfolgende Gerichtsverhandlung hatte den 
Erfolg, daß dieser Kunsthändler von Plakaten nie mehr 
etwas wissen wollte. Die französische Steuerbehörde 
wurde auch zum Totengräber des dortigen Plakat 
handels. Bekanntlich muß in Frankreich jede, auch die 
geringste öffentliche Bekanntmachung gestempelt sein. 
Kam irgendwo ein ungestempeltes Plakat zum Vorschein, 
so folgte eine schwere Stempelstrafe. War das Plakat 
aber ordnungsmäßig gestempelt, so hatte es ja an die 
Mauer gehört und nicht in den Kaufladen, und das Kunst 
oder Reklameinstitut war auch straffällig. So mußte 
das Plakatsammeln in Frankreich allmählich abflauen, 
nicht ohne daß doch glücklicherweise die bedeutendsten 
Blätter in wenigen Exemplaren durch die dortigen 
Sammler der Nachwelt erhalten geblieben wären. In der 
englischen. Kunstzeitschrift »The Poster« 1899 finden sich 
nützliche Anweisungen für Plakatsammler. Sie warnt 
ausdrücklich davor, per nefas, durch Bestechung von 
Zettclanklebern und durch ähnliche Schleichwege den 
Sammlertrieb befriedigen zu wollen, weil sich der 
Sammler damit stets in die Gewalt von Leuten begebe, 
die leicht zu Erpressern werden können. 
Am rationellsten wird d'e Sache gegenwärtig in 
Deutschland betrieben. Künstler oder Kunstinstitut sichern 
sich bei Uebernahme der Bestellung das Recht, eine ge 
wisse Zahl von Blättern für mäßigen Preis in den Handel 
zu bringen und an öffentliche oder Privatsammler zu
	        
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