Nr. 17
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 257
mußte er allein seine Meistermarke stempeln. 1708 fiel
diese Vergünstigung überhaupt fort.
Für die allermeisten Zinnarbeiten wurde 1614 die
schon in der alten Dresdener Ordnung geforderte Mi
schung von 10 Teilen Zinn und 1 Teil Blei verlangt,
das ist die sogenannte Reichsprobe. Solche Arbeiten
waren mit der Meister- und der Stadtmarke zu be
zeichnen. Hierbei hat sich nun eingebürgert, die eine
oder die andere zu wiederholen, so daß hier, wie bei
den Feinzinnarbeiten, das Dreimarkensystem durch
gängig angewandt worden ist.
Die Meistermarke bestand in der ältesten Zeit meist
nur aus dem oder den Anfangsbuchstaben vom Namen
des Zinngießers. Hin und wieder wurde auch eine
Kanne als Handwerkszeichen hinzugefügt. Dann nahm
man irgendwelche, dem gewöhnlichen Leben, der
Mythologie oder Allegorie entnommene Dinge als
Schildzeichen hinzu, die manchmal in irgend einer Be
ziehung zuin Namen standen. So zum Beispiel die
Meistermarke des Herrnhuter Zinngießers Johann
Leisen henn, die ein Hennenbein zeigt.
Damit sich nun der Zinngießer nicht fälschlich
entschuldigen konnte, daß er seine Ware bereits vor
big. 13. Marke von Meißen.
dem Erlaß der Verordnung von 1614 hergestellt habe,
wurde von ihm verlangt, daß er sich einen neuen
Meisterstempel machen lassen mußte, der die Zahl 13
enthielt. Bei Erneuerung der Ordnung wurden diese
Zahlen in 74, beziehungsweise 08 oder 1708 abgeändert.
Als Beispiel möge die Marke von Meißen (Fig. 13)
dienen, die das Stadtwappen (Turm mit steigendem
Löwen) zeigt.
An dieses Gesetz hat sich der Freiberger Meister
Traug. Friedr. Pilz nicht gehalten, der auch in anderen
Dingen die Innungsvorschriften nicht ängstlich befolgte.
Er setzte 1778 in seine Meistermarke, das war das Jahr,
in dem er Meister geworden war. Auch die Freiberger
Stadtmarke weicht bei ihm von der üblichen ab.
Ihm scheint es Christian Gottlieb S t ö r z e 1 nach-
gcmacht zu haben, der ebenfalls das Jahr, in dem er
Meister wurde, und zwar 1788, mit in seinen Meister
stempel hineinnahm. Seine Zinnmarke enthält über dem
Löwen im dreitürmigen Stadttor den Namen der Stadt
»Freyberg« (Fig. 14).
Vereinzelt ist diese Bestimmung insofern nicht
ganz richtig gehandhabt worden, als man die Jahres
zahl statt in die Meister- in die Städtemarke hinein
nahm, wie der Bornaer Meister J. D. A. es getan hat.
Verwickelter wurde diese Angelegenheit, wenn
Vater und Sohn in derselben Stadt das Zinngießer
gewerbe ausiibten und, wie es mehrfach der Fall ge
wesen zu sein scheint, dieselben Vornamen hatten. In
Glashütte zum Beispiel, wo einmal Vater und Sohn die
gleichen Namen G. C. A. führten, hat der Sohn die
Stempel des Vaters benützt, dann aber, statt Meister
oder Stadtmarke zu verdoppeln, eine dritte Marke hin
zugefügt, die eine andere allegorische Figur und noch
einmal die Anfangsbuchstaben seines Namens zeigte.
Wenn die Witwe das Geschäft weiterführte, so hatte
sie einen Strich durch den Stempel zu machen.
Wenn ein Zinngießer die Werkstatt eines anderen
erkaufte, hat er wohl unbedenklich auch dessen Stempel
weiter verwandt, dann aber noch irgend ein Merkmal
hinzugesetzt, das sich auf ihn selbst bezog. So ist zum
Beispiel vom Plauener Zinngießer L o t h zu der Marke
seines Vorgängers L. F. eine Marke mit seinem Namen
hinzugefügt worden.
Die genannten Jahreszahlen sind nun ein untrüg
liches Mittel, den sächsischen Ursprung nachzuweisen.
Wenn auf den Zinnstempeln 13, 74, 08 oder 1708 vor
kommt, so kann inan mit Sicherheit darauf schließen,
daß man es mit Zinnarbeiten zu tun hat, die unter den
kursächsischen Landesgesetzen entstanden sind. Man
darf dabei aber nicht außer acht lassen, daß das Königreich
Sachsen viele Städte nicht mit umfaßt, die ehemals
zum Kurfürstentum gehörten.
Fig. 14. Marke von Freiberg.
Als dritte, bei Zinnarbeiten anzuwendende Marke
hatte ich die Stadtmarke genannt. Sie sollte den Ort,
an dem die Ware gefertigt worden war, kenntlich
machen. Hiezu nahm man meistens das Wappen der
Stadt oder, wenn dies für die geringe Ausdehnung der
Zinnmarke zu kompliziert war, einen Teil desselben.
Die Stadtmarke ist nun meines Erachtens dasjenige,
was zu wissen in erster Linie wünschenswert erscheinen
Muß. Kennt man die Stadt, in der die Ware gefertigt
worden ist, so wird sich die Meistermarke, sofern man
darauf besonderes Gewicht legt, in vielen Fällen lösen
lassen. Man muß hier die Kirchenbücher, Bürgerlisten
und Aehnliches zu Hilfe nehmen. Vereinzelt werden auch
noch die Meisterbücher zu finden sein, die derartige
Forschungen besonders leicht machen.«
Mit besonderem Dank wird man das Kapitel über
Unterscheidungen ähnlicher Stadtmarken begrüßen. Die
vielen ähnlichen Stadtwappen haben hier zu Verwechs
lungen der verschiedensten Art geführt. Seinen Fest
stellungen über die Stadtmarken von Dresden, Leipzig
und Chemnitz sowie von Annaberg, Marienberg und
Schneeberg, die ihm schon früher gelangen, läßt Prof.
Berling nun eine größere Anzahl solcher folgen, bei
denen Schlägel und Eisen, der Löwe oder Stadtmauern
und Türme Vorkommen.
Die Wappen der Städte, denen die Stadtmarken zu
meist entnommen sind, findet man hier auf Grund der
im Kgl. Hauptstaatsarchiv gemachten Forschungen mit
ihrer Beziehung zur Zinnmarke erklärt.