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Nr. 18
Internationale Sammler- Zeitung.
(Bernard Alfred Quaritch.) Ende August
ist, erst 42 Jahre alt, in Brighton Bernard Alfred Quaritch,
das Haupt jener weltberühmten Londoner Firma gestorben,
die auf dem Büchermärkte die führende Rolle spielt. Die Ge
schichte des Hauses Quaritch ist überaus interessant.
Quaritchs Vater war ein Sachse von Geburt und kam 1842,
nachdem er seine buchhändlerische Ausbildung in Deutschland
genossen hatte, nach London, wo er in dem Hause von Henry
George Bohn Anstellung fand. Fünf Jahre später gab er diese
Stellung auf. Damals sagte er zu seinem bisherigen Chef:
»Herr Bohn, Sie sind der erste Buchhändler in England. Ich
beabsichtige, der erste Buchhändler in Europa zu werden.«
Das war nun freilich leichter gesagt als getan, und erst zur
Zeit des Krimkrieges begann der bisher wenig erhebliche Buch
handel des alten Quaritch den Aufschwung zu nehmen, der ihn
nachher allerdings zum ersten Hause Europas machte. Der
Alte starb im Jahre 1899. Sein Sohn, der eben verstorbene
jüngere Quaritch, war im Jahre 1871 geboren und hatte ur
sprünglich Lust, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Allein
der Wunsch des Vaters war ihm Befehl, und nachdem er in
Leipzig und in Paris seine Ausbildung als Buchhändler er
halten hatte, trat er im Alter von 17 Jahren in das Geschäft
ein. War Quaritch Vater der erste Buchhändler von Europa
geworden, so wurde Quaritch Sohn der erste Buchhändler
der Welt. Von dem Umfange und der Bedeutung der Tätigkeit
des Hauses gibt es einen Begriff, daß es jährlich allein
2.0.000 Mk. an Porti für die Versendung seiner Kataloge aus
gibt. Bernard Alfred Quaritch hat, seitdem er im Jahre 1890
auf einer Reise die amerikanischen Verhältnisse aus eigenem
Augenschein studiert hatte, wohl zuerst unter den großen
europäischen Antiquaren die Bedeutung Amerikas für die
moderne Bücherliebhaberei erkannt. Er ist der Vertrauens
mann Pierpont Morgans geworden; er hat seine unver
gleichliche Bibliothek so recht aufgebaut, für die er unter
anderem eine Reihe prachtvoller Caxtondrucke, das Geo
graphiebuch der Maria Stuart, eine große Anzahl anderer her
vorragender Wiegendrucke u. s. w. erworben hat. Alfred
Quaritch war ein Mann von unerschütterlicher Ruhe, der als
ein Bücherkenner allerersten Ranges Charakter und Wert
eines Buches fast auf den ersten Blick zu beurteilen verstand,
und, falls er es zu erwerben wünschte, mit ebenso viel
Diplomatie wie Tatkraft auf sein Ziel losging. Seine Auktions
erfolge sind beinahe zu einer Legende unter den Bücher
käufern und Bücherliefohabern geworden. Auf der Versteige
rung Van Antwerp erwarb er Bücher im Werte von
240.000 Mk., während der Gesamterlös dieser berühmten
Auktion nur etwas über 320.000 Mk. betrug. Zu seinen be
rühmtesten Erwerbungen gehört die der Mazarinc-Bibel auf
der ersten Huth-Versteigerung um den Preis von 116.000 Mk.
Für drei Bände aus dem Nachlasse Huths zahlte er zusammen
das hübsche Sümmchen von 120.000 Mik., fiir eine französisch
flämische Handschrift der Apokalypse 60.000 Mk., für einen
einzelnen Brief Maria Stuarts über 20.000 Mk. Eine besondere
Kennerschaft besaß der Verstorbene auf dem Gebiete der
Orientalia.
(Wie soll der Rückentitel der Bücher
stehen?) Wie soll der Rückentitel der Bücher laufen, von
oben nach unten, oder von unten nach oben? Es ist eine
wichtige Frage; jeder, der im Büchergestell nach einem be
stimmten Buch sucht, pflegt sich darüber zu ärgern, daß keine
Einheitlichkeit herrscht und infolgedessen der Kopf fortwährend
hin- und hergedreht werden muß. Um zu einer Entscheidung zu
gelangen, hat nun der »Anzeiger für Buchbindereien« eine
Rundfrage an Schriftsteller, Buchhändler, Bibliothekare und
andere Leute vom Fach erlassen, und danach scheint es. als
gäbe es zwei feindliche Lager, Ein Bibliothekar ist, wie das
»Börsenblatt für den deutschen Buchhandel« in seinem launigen
Berichte über diese Rundfrage sagt, dafür, den Titel auf dem
Rücken von oben nach unten anzuordnen, damit, ebenso wie
beim Ouerdruck, der Name zu oberst stehe. Ein Bibliophile
dagegen will den Titel von unten nach oben angeordnet haben,
weil man beim Entlanggehen von links nach rechts unwillkür
lich den Kopf nach links neigt. Professor van de Velde ver
langt die gleiche Anordnung, »weil beim Lesen des Längstitels
eine rein mechanische Bewegung in Frage kommt und, wie be
kannt, alle mechanischen Bewegungen nach links, statt nach
rechts gehen«. Gleicher Ansicht sind Hermann Hesse. Pro
fessor L o u b i e r, Professor E. R. Weiß und einige andere,
während die Bibliothekare sich meistens für die andere An
ordnung, von oben nach unten, entscheiden. Unter den Buch
künstlern sagt Professor Ehmcke, seiner Ansicht nach
müßte die Riickenschrift auf Büchern von oben nach unten
laufen, weil sonst die Schrift auf dem Kopf stände, sobald das
Buch auf dem Tisch liegt. Für die gleiche Anordnung sind ein
paar Verleger, zum Beispiel Springer, Teubner und
Voigtländer. Zu diesem Streit der Meinungen, meint das
»Börsenblatt«, wie die Schrift laufe, wenn das Buch auf dem
Tisch liege, sei nebensächlich, weil in diesem Falle ja der
Vordertitel lesbar sei, und wenn die Bücher gestapelt würden,
könne man sie ja ohneweiters verkehrt legen. Die M'einung der
Bibliothekare (Rückentitel von oben nach unten) ist wohl
daraus entstanden, daß die Bücherreihen in den Bibliotheken
meistens Lücken haben und daher die Bücher eine Neigung
nach links haben, die den Titel unlesbar macht, wenn er von
unten nach oben geht. Die ganze Streitfrage ist schließlich keine
prinzipielle, sondern bezieht sich bloß auf die Praxis, und die
Praxis scheint sich dafür entschieden zu haben, den Rücken
titel von unten nach oben zu drucken. Bei den älteren Büchern
überwiegt der Druck von unten nach oben stark.
Bilder.
(Das früheste Rembrandt-Bild.) In Peters
burger Privatbesitz hat jetzt E. v. Liphart, der Kustos der
Sammlungen der Eremitage, das allerfrüheste Bild Rembrandts
gefunden. Bisher machten sich zwei Werke diesen Platz
streitig, der »Geldwechsler« im Berliner Kaiser Friedrich-
Museum und »Paulus im Gefängnis« in der Stuttgarter Galerie,
beide von Remibrandt 1627 datiert, also Arbeiten des Einund
zwanzigjährigen. Dieselbe Jahreszahl neben dem R als Mono
gramm trug das Bild, das von Liphart nun bei den Erben der
Großfürstin Marie entdeckt hat. Es ist das Brustbild einer
alten Frau mit eckigem Gesicht, sie trägt über dem Kopf ein
großes schweres Tuch. Die Alte heißt stets die Mutter Rem
brandts deshalb, weil der Künstler sie so häufig in Radie
rungen und Bildern dargestellt hat, wie sie die Bibel liest, wie
sie, die Hände im Schoß, vor sich hinsinnt. Aber auch Rem
brandts Gefolgsmann aus der frühesten Leidener Zeit, Gerard
Dou, hat sie gemalt. Sollte es doch ein Berufsmodell gewesen
sein? Das neuentdeck’te Bild aber gewinnt noch dadurch an
Interesse, daß sich die Jahreszahl 1627 darauf als spätere Ver
besserung herausgestellt hat. Ed. v. Liphart weist nach, daß
das Bild ursprünglich das Datum 1623 trug. Damit wird das
unscheinbare Bildchen zum frühesten uns hinterlassenen
Malwerk Rembrandts.
(Ein echter Goya um einen Frank ver
kauft.) Aus Madrid wird uns geschrieben: In ihrer Not
verkaufte eine Arbeitersfrau einem Antiquitätenhändler ein in
ihrem Familienbesitz befindliches Bild für einen Frank. Da
ihr die Hast des Händlers auffiel, eilte sie wenige Stunden
später nach dem Laden zurück und war nicht wenig erstaunt,
als sie im Fenster das kurz vorher von ihr für einen Frank
verkaufte Bild als einen echten Goya für 7000 Franken
ausgestellt fand. Sie forderte darauf von dem Händler das
Bild zurück und machte einen Skandal, so daß sie gewaltsam
aus dem Laden gebracht werden mußte. Mehrere Zeitungen
verlangen jetzt, wenn es sich tatsächlich um einen Goya
handeln sollte, den Ankauf durch die Regierung für das Prado-
Muiseum. Gleichzeitig soll eine Geldsammlung für die Frau
eingeleitet werden.
Numismatik.
(Münzauktion in München.) Der bekannte Numis
matiker Dr. Jakob Hirsch in München kündigt für den
17. November eine Münzauktion an, bei der griechische-,
römische und byzantinische Münzen unter den Hammer
kommen.