Seite 276
Nr. 18
Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
weder überhaupt keine Kenntnis hatte, oder die als verschollen
galten. Aber neiben diesen Drucken und Handschriften haben
sich auch eine Reihe anderer Gegenstände aus der Zeit des
alten Königtums wiedergefunden, ln abgelegenen Räumen
standen wertvolle Porzellanfiguren und Gemälde, und unter
altem Gerümpel entdeckte man die aus Rosenholz geschnitzte
und mit vergoldeten Bronzen gezierte Standuhr, die einst im
Arbeitszimmer Ludwig XVI. im Schlosse zu Versailles ihren
Platz hatte. Zweifellos ist sie während der Revolution von Ver
sailles nach Paris übergeführt worden und dort in Vergessen
heit geraten. Von besonderem Interesse dürfte auch das
marmorne Tintenfaß des Herzogs Louis von Bourbon, des
»großen Conde«, sein, dessen er sich auf seinen Feldzügen
bediente. Alle diese Gegenstände werden in einem besonderen
Saale der Bibliothek untergebracht und dem Publikum zur Be
sichtigung ausgestellt, ehe sic in der Bibliothek eine dauernde
Stätte erhalten.
(Die Bande der »Kunstkenne r«.) Aus Paris
wird der »N. Fr. Pr.« geschrieben: Die Besitzer der vielen
Pariser Privatgalerien zittern gegenwärtig vor einer Ein-
btecherbande, die unter dem Namen »La bande des col-
lectionneurs« bekannt ist. Und was das Schlimmste ist: sie
zittern sowohl bei dem Gedanken, beraubt zu werden — als
auch bei dem anderen Gedanken, verschont zu werden. Denn
die Bande der »Kunstkenner« madit ihrem Namen sehr ernst
haft Ehre, indem sie nur stiehlt, was echt ist, und alles andere
•— verschmäht. Die Bande scheint etliche Sachverständige für
Kunst zu ihren Mitgliedern zu zählen, deren Kenntnisse ganz
hervorragend sein müssen. Kein Rahmen und kein Namen
vermag diese Kritiker zu täuschen. Allerdings arbeiten sie mit
einer ganz anderen Verantwortlichkeit und einem ganz anderen
Interesse als der gewöhnliche Kritiker. Die Galeriebesitzer be
finden sich also in einem tragischen Dilemma. Die Bilder,
die man ihnen entführt, erhalten das Prädikat echt, aber sie
sind auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Die anderen aber,
die ihnen bleiben, sind als — Schund gerichtet. Einer der
größten Pariser Kunstsammler, bei dem es von Raffaels, Cor
reggios, Reynolds und Corots wimmelt, ist sogar in heller
Verzweiflung, weil die »Kunstkenner« — überhaupt noch nicht
bei ihm eingebrochen sind. Seine Sammlerehre ist durch diese
Uebergehung in der bedenklichsten Weise erschüttert, und seine
lieben Freunde sind so boshaft, das Gerücht zu verbreiten, der
arme Mann stehe in Unterhandlungen mit einem Einbruchs
unternehmer, um wenigstens »das Gesicht zu retten«. Einen
sehr bösen Streich spielte die Kunstkennerbande ganz jüngst
der Gräfin Treviso, indem sie der großen Stadtwohnung der
Dame einen nächtlichen Besuch abstattete und — nichts mit
nahm, außer einem goldenen Federhalter. Die Gräfin, von ihrem
Schloßaufenthalt telephonisch zurückgerufen, hatte den Schmerz
— alle Kunstwerke an Ort und Stelle zu finden. Man kann
sich das ironische Lächeln denken, das die reizendsten Münder
umzieht, wenn zwischen Tee und Tanz die Rede von diesem
Einbruch ist. Noch schlimmer ging es einem Maler mondäner
Schönheiten, der sich eine gewählte Galerie von Meister
werken errichtet hat, zwischen denen seine eigenen
Schöpfungen hängen. Die Kennerbande stahl die alten Meister
werke heraus und ließ des Meisters eigene Bilder er
barmungslos — hängen. Der Meister hat geschworen, die
Banditen wegen Ehrenbeleidigung zu klagen. Man hat vor
kurzem etliche Mitglieder der Bande festgenommen, aber der
Beweis, daß man die Hand noch nicht auf die Hauptschuldigen
und Hauptsachverständigen gelegt hat, ist erbracht, denn trotz
der Verhaftungen sind die Einbrüche mit den unfehlbaren
Expertisen wie vorher fortgesetzt worden. Wohin die Bilder
kommen, ist ein ebensolches Rätsel wie das, w r as aus der dem
L ouvre entrissenen »Mona Lisa« geworden ist. Jedenfalls haben
die gewiegten Diebe eine gewählte Kundschaft, der sie nicht
mit minderwertigem Material aufwarten dürfen. Die Folge der
Durchsiebung der Privatgalerien wird natürlich sein, daß aus
den mit so viel Auswahl gestohlenen Elitebildern neue
Galerien eingerichtet werden, die das Beste vom Besten ent
halten. Die dazu nötigen Kapitalien können sich natürlich nur
in Amerika finden. Amerika, welches früher das große Absatz
gebiet für Kunstschund war, saugt jetzt auf legitimem oder
illegitimem Wege auch die beste Qualität europäischer Kunst
an sich. Das alte Europa wird zuletzt seine Hoffnung darein
setzen müssen, daß dieselben kunstverständigen Banditen, die
ihm jetzt seine Schätze entführen, vielleicht im nächsten Jahr
zehnt ein neues gutes Geschäft darin erblicken werden — sie
ihm zurückzuführen. Aber diese Aussicht ist so beschämend,
daß man gar nicht daran denken darf.
(Vorgeschichtliche Funde aus der Mark
Brandenburg.) Die prähistorische Abteilung des Berliner
Museums für Völkerkunde erhielt jetzt aus der Mark
Brandenburg einige vorgeschichtliche Funde gestiftet. Die
königl. Geologische Landesanstalt überwies Topfscherben, die
aus Berlin-Wilmersdorf stammen, und das Stettiner Kanalbau
amt drei Funde, die in der Oder bei Schwedt gemacht wurden.
Es sind dies zwei Schwertknäufe, der eine aus Bronze, der
andere aus Silber, sowie ein goldener, mit eingelegten Alman
dinen verzierter Schwerterscheidcnbeschlag.
Museen.
(Zwei neue Dürer-Zeichnungen im Ber
liner Museum.) Das Kupferstichkabinett der Berliner
Museen hat neuerdings seinem Schatz an Dürer-Zeichnungen,
dem größten, den außerhalb der Wiener Albertina eine Samm
lung der Welt aufbewahrt, zw r ei neue Zeichnungen des Meisters
hinzufügen können. Es ist eine große Federzeichnung der von
einem Engel gekrönten Maria mit der heiligen Anna und ein
Entwurf za einer Maria mit Heiligen. Kustos Dr. Elfried
Bock veröffentlicht die beiden Blätter soeben im »Jahrbuch
der Preußischen Kunstsammlungen«. Das Blatt mit der engels-
gekrönten Maria stammt aus der Sammlung des Freiherrn
Adalbert v. Lanna und hat auch sonst einen berühmten Stamm
baum. Leider hat die braune Federzeichnung durch Bräunung
des Papiers und durch eine alte Tuschfederüberarbeitung im Ge
sicht der Maria ihre Schönheit teilweise eingebüßt. Im übrigen
aber ist es eine Meisterzeiclmung hohen Ranges, so genau
durchgeführt, daß sie wohl als Vorlage für einen Holzschnitt
gedacht war. Sie entstammt, wie Dr. Bock ausführt, dem Ende
des zweiten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts. Damals hat Dürer
das Motiv der von erwachsenen Engeln gekrönten Maria
mehrfach behandelt. Und zwar läßt sich für die Berliner Neu
erwerbung 1519 als Entstehungsjahr wahrscheinlich machen.
Die zweite Zeichnung kam aus Münchener Privatbesitz kürz
lich in die Sammlung. Es ist eine ungewöhnliche Darstellung:
vorn Maria auf einem großen Kissen sitzend und Anna, beide
mit den Kindern beschäftigt, hinten im Gespräch die beiden
Väter, zwischen beiden Gruppen die sich gegen Maria an
betend neigende Elisabeth. Eine flüchtige Idee hat Dürer hier
mit sachlicher Eile zu Papier gebracht, ohne auf Eleganz der
Strichführung Wert zu legen, aber nicht ohne sie durch Bei
fügung eines Monogramms als sein geistiges Eigentum zu
kennzeichnen. Die Zeichnung, die in den Zwanzigerjahreti ent
stand, ist ein hochinteressantes Dokument iür den Fiebereifer
mit dem der alternde Künstler treffsicher eine Bildidee fest
igte, aber mit so nervöser Eile, daß es scheinen könnte, als
habe der damals schon kränkelnde Dürer die auf ihn ein
drängenden Ideen nicht mehr mit der früheren Ruhe bewältigen
können.
(Ein Wilhelmj-Museu m.) Das Städtchen
Usingen im Taunus hat zum Andenken an seinen bedeuten
den Sohn und Ehrenbürger August Wilhelm!, den im Jahre
1908 in London gestorbenen berühmten Geiger, im Geburts
hause Wilhelmjs ein kleines Museum eingerichtet. Es enthält
zahlreiche an Wilhelm) gerichtete Briefe bedeutender Persön
lichkeiten, darunter dreizehn von Richard Wagner, ferner eine
Anzahl dem Künstler gewidmeter Bildnisse. Ehrendinlome aus
wärtiger musikalischer Gesellschaften und sonstige Dokumente
aus dem Leben Wilhelmjs.