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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 194)

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Wir haben in dieser Erzählung unstreitig eine Erklärung vor uns, 
mit welcher man die seltsamen Formen - halb Mensch und halb PHanze 
- des Groteskenornamentes auf eine geschichtliche Basis setzen wollte. 
Die Renaissance bildet das Groteskenornament in den mannigfaltig- 
sten Formen und Gestaltungen weiter." In Verbindung mit Thier- und 
Menscheniiguren, in Verbindung mit Masken, Inschrifttafeln u. a. tritt es 
auf in den schönen Glasgemälden der Bibliothek in Florenz, welche dem 
Giovanni da Udine zugeschrieben werden. 
Hier macht sich das Groteskenornament zunächst in den Widdern mit 
Fischschwänzen und in den geflügelten Hermen geltend, welche aus Blu- 
menkelchen hervorwachsen. Etwas entwickelter sehen wir dieses Ornament 
in Zeichnungen von Serlio, in welchen häufig der untere Theil von 
Menscheniiguren in graziöse Pßanzenspiralen mit Blumen und Blättern 
auswächst. 
In ausgepräglester Weise tritt das Groteskenornament auf, wenn es 
in möglichst freier und phantasievoller Behandlung die Thier- und Men- 
schenform dem Pilanzenorganismus so einverleibt, dass beide mit einander 
eine und dieselbe Structur und organische Entwickelung zeigen. Da wächst 
der Blumenstengel in eine Blüthe aus mit menschlichem Gesicht oder' in 
eine phantastische Thierform, da trennen von den Pilanzenstengeln sich 
Zweige los, die im Allgemeinen den Charakter gewisser Thierbildungen 
annehmen, im Besonderen aber dem Pf-lanzencharakter so Rechnung tragen, 
dass eine völlig neue Erscheinung entsteht, eine pflanzliche Thierform mit 
den bizarrsten und wunderlichsten Auswüchsen. 
Der wunderbare Zauber der italienischen Arabeske ist wesentlich von 
der gelungenen, dem Material so völlig entsprechenden Ausführung und 
Composition abhängig. Ganz anders stellt sich dieselbe dar im Relief be- 
handelt, ganz anders als Flachornament; in Marmor, Holz oder Metall 
ausgeführt, hat das Relief wieder Eigenheiten und Schönheiten, die auf 
das Material formbedingend zurückgreifen. Im Buchdruck, als Marmor- oder 
Holzeinlage ist die italienische Flacharabeske unter sich wieder verschie- 
den, aber stets auf möglichst feine und wahrhaft künstlerische Wirkung 
berechnet. 
Am schönsten und herrlichsten - wenn man überhaupt eine Scala 
der schönen Darstellung aufstellen kann - repräsentirt sich die italienische 
Reliefarabeske in Marmor. Die wunderbare Feinfühligkeit der italienischen 
Bildner kommt hier zum vollendetsten Ausdruck. Die Arabeske gestaltet 
sich in der feinen Abstufung von leichten und feinen Spiralen bis zum 
fest und energisch vordringenden Blätter- und Blumenbüschel, zu einer 
Art Musik, die in Piano und Forte abwechselnd zum stärksten Fortissimo 
fortschreitend und in heiteren Accorden schließlich, wie im Nachhall der 
Töne ersterbend ausklingt. Wesentlich wirkt hier auch der angenehme 
Wechsel von Licht und Schatten mit und gerade durch diese Berechnung 
unterscheidet sich diese Arabeske von der einer späteren Zeit.
	        
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