Nr. 18
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 271
Auffassung und Stellung sehr ähnlich, früher im König
lichen Schlosse zu Schönhausen bei Berlin, jetzt im
Neuen Palais bei Potsdam (Südflügel, Durchgangszimmer
193) war vielleicht ein Geschenk der Auftraggeberin an
Friedrichs Gemahlin, die Königin Elisabeth
Christine, in deren Besitz es, laut ausdrücklicher Er
wähnung in ihrem Testamentskodizill vom 7. April
1796, gewesen ist. Es heißt dort: »c) das Porträt des
big. in. Andreas Hofer.
Königs, ihres Gemahls, in Oelfarbc nach dem Sieben
jährigen Kriege in Braunschweig von Sintzenich ge
malt« — wobei der Name Ziesenis verwechselt worden
ist mit dem des weit bekannteren Mannheimer Zeichners
und Kupferstechers Heinrich Sintzenich (1752 bis
1812).
Ein fünftes Bildnis ist 1764 für den König von Eng
land angefertigt worden: sein Verbleib ist aber nicht fest
stellbar. Ein sechstes Bild hat der Archivrat Dr. Jean
L u 1 v e s kürzlich in der »Städtischen Sammlung« zu
Heidelberg entdeckt, wo es seit Jahrzehnten unbe
achtet in einem Magazin stand. Zu diesen sechs fertig
ausgeführten Gemälden tritt als siebentes eine unvoll
endete Skizze, ein Brustbild: sie gehört der herzoglich
braunschweigisch-lüneburgischen Fidcikornmißgalerie im
Provinzial musetim zu Hannover (Nr. 613 im
III. Kabinette) an.
Ist diese Skizze nun die flüchtige, unvollendete Kopie
eines der genannten Werke oder ist sie etwa die Original
studie des Künstlers nach dem Leben, das heißt, mit an
deren Worten, das Ergebnis jener einzig dastehenden
Porträtsitzung, die Fioriilo uns so lebendig geschildert
hat ? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der schon zitierte
Archivrat Dr. Lulves in einer lesenswerten Studie
(»Das einzige glaubwürdige Bildnis Friedrichs des Großen
als König«, Hahn sehe Buchhandlung, Hannover und
Leipzig 1913), wobei er zu folgenden interessanten
Schlüssen gelangt:
»Das einzige, nach einer Künstlersitzung aufge
nommene Bildnis Friedrichs des Großen als König ist eine
Skizze, die sich im Besitze des Herzogs von C umber-
1 a n d, Herzog von Braunschweig und Lüneburg, jetzt
im Provinzialmuseum zu Hannover befindet.
Schöpfer des Bildes war der hannoversche Hofmaler
J. ü. Ziesenis. ln einer kaum einsttindigen Sitzung
hat er es während eines Besuches des Monarchen in
Salzdahlum am 18. oder 19. Juli 1763 eilig hinge
worfen, wenn auch ohne eine höhere Charakteristik zum
Ausdruck bringen zu können, so doch sicher ähnlich.
Das so geschaffene Bild entspricht dem Typus der
meisten gleichzeitigen, aus flüchtiger Beobachtung oder
aus frischer Erinnerung entsprungenen Porträts des
großen Königs in ihrer Totalität, jener landesväterlich
gutmütigen Auffassung, die sich der zeitgenössische
preußische Bürger von seinem fürsorgenden Herrscher
machte. Es ist aber verschieden von d c in Friedrich
typus, der ein Jahrhundert später, durch Adolf Men
zels geniale Konzeption der historischen Größe
Friedrichs in ihrer Gesamtheit, durch seine unerreichte
Künstlerschaft in der Wiedergabe dieser, der Wirklich
keit entrückten Gestalt als Gemeingut in das Bewußt
sein und das Empfindungsleben des deutschen Volkes
übergegangen ist. Der Künstler hatte damit die glück
liche Idee getroffen, welche sich das Volk instinktiv von
seinem Nationalhelden macht. Bis zu einem gewissen
Grade muß aber Menzels grandiose Schöpfung als
Phantasie erscheinen.«
Es ist, fügt der Verfasser noch hinzu, eine Tragik,
daß das so oft von der Mitwelt dargestclltc, bei der Nach
welt schließlich in einem abweichenden Typus fort-
lebende Antlitz des großen Königs während seiner 46 Re-
gierungsjahre nur einmal ein Maler mit einiger Samm
lung beobachten und auf der Leinwand fcstlegen konnte.
Lhid gerade dieser mußte ein wenig geistvoller Künstler
sein, der gewissermaßen nur zufällig zu der hohen Ehre
gelangt war, den größten Monarchen seiner Zeit nach
dem Leben 'porträtieren zu dürfen. In unbegreiflicher
Einfalt erfaßte er nicht gebührend den hohen Wert seiner
ersten Skizze, verbarg sie vielmehr in kleinlichem
Fig. 11. Schlacht bei Llchingen.
Egoismus vor der Mitwelt, verflachte in schalen Wieder
holungen die in ihr niedergelegten Beobachtungen. So
kam es, daß seine unersetzliche Originalarbeit bei der
Bewertung seiner Bildnisse Friedrichs des Großen bis
vor kurzem von Gelehrten und Künstlern nicht in Be
tracht gezogen wurde, sondern statt dessen — jedoch
stets mit Kopfschütteln nur seine mit irrender Phantasie
ausgeputzten Paradebilder.