Nr. 19
Internationale Sammler-Zeitung,
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wahren und dem Geber ihren herzlichen Dank dafür abstatten.
Gehört es doch zu den seltensten Vorkommnissen, daß solch ein
Bücherschatz nicht nach dem Hinscheiden des Sammlers in
alle Winde verstreut wird. Die Bibliothek Weissteins bleibt in
ihrem Bestände für Berlin erhalten, und sie wird; in voraussicht
lich kurzer Zeit der Benutzung zugänglich gemacht werden.
Gotthilf Weisstein war ein glücklicher Finder auf seinem
bibliophilen Gebiete. Es kam ihm jedoch nicht darauf an, vor
allem Seltenheiten zusammenzubringen; er hatte vielmehr die
literarische Forschung dabei im Auge. Der Wert dieser
Sammlung liegt demnach, wie der Verfasser des Katalogs mit
Recht bemerkt, in ihrer Geschlossenheit, und so dürfte denn
kaum eine zweite Privatbibliothek vorhanden sein, die so reich
an Exemplaren, besonders auf dem Gebiete der Theater-
gescbichte ist, wie diese. Nicht minder reich ist die Zahl der
Widmungsexemplare. Den Hauptstook der Sammlung bildet die
deutsche Literatur mit mehr als 6100 Nummern; darunter ist
Goethe mit fast 1000, zum Teil sehr seltenen Stücken ver
treten. Auch für die übrigen Klassiker weist der Katalog viele
Kostbarkeiten auf, deren Einzelaufzählung der Raum verbietet.
Unter den sonstigen Beständen dieser Bibliothek sind noch
besonders erwähnenswert die auf Berlin und die Mark
Brandenburg, auf Theater, Bühnengeschichte und Ballett
bezüglichen Abteilungen.
(Versteigerung der Bibliothek Mansbe r g.)
Man berichtet uns aus Berlin: Bei der Versteigerung der
Bibliothek des Freiherrn von Mansberg, die bei Lecke
stattfand, erzielten die illustrierten Pergamentmanuskripte zum
Teil sehr ansehnliche Preise. So brachte ein »Getyden boek«
(Livre d’herres). ein schönes Exemplar aus dem 15. Jahr
hundert in niederdeutscher Sprache, 310 Mark (Erstehcr:
Königl. Bibliothek in Berlin), ein Prager Missale (1498) aus
dem Minoritenkloster Brüx 580 Mark (Käufer Gilhofer &
Ranseh bürg in Wien), und ein französisches Pergament
manuskript aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, in Rot und
Schwarz geschrieben. 520 Mark. Eine Abschrift italienischen
Ursprungs von Sallusts: De eoniuratione Catilinae erzielte 400
Mark: ein Livre d’heures französischer Herkunft (15. Jahr
hundert), in drei Farben geschrieben und mit Initialen und
Miniaturen reich geschmückt, 1010 Mark, und ein französisches
Manuskript aus dem 15. Jahrhundert in lateinischer Sprache,
mit acht fast blattgroßen Miniaturen, kam sogar auf 4150 Mark
zu stehen. Das Stammbuch des Schweizer Malers Füßli ging
für 410 Mark fort.
Bilder.
(W iederentdeckte Bilder Benozzo
G o z z o 1 i s.) V a s a r i sagt von Benozzo G o z z o 1 i, daß er
viele »ragionevoli« Figuren in einer Kapelle zur Rechten des
Eingangs der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom gemalt
habe. Die Kapelle wurde um das Jahr 1480 von dem Millionär-
Kardinal Guillaume d'Estoutcville erbaut und dem Erzengel
Michael und S. Pietro ad vincula geweiht. Im Jahre 1723
wurde die Kapelle verweltlicht und durch eine Zwischendecke
in zwei Teile geteilt, von denen der obere in eine Gerümpel
kammer verwandelt wurde, während der untere als Durchgang
zwischen Battisterio und Hof diente. Auf diese Weise kam die
gewölbte Decke ganz ins Dunkel und konnte nicht mehr be
trachtet werden. Daher hat denn auch Gaetano M i 1 a n e s i in
seinem Vasari-Kommentar und Venturi in seiner »Storia
dell’Arte« von. diesen Figuren Benozzos in Santa Maria
Maggiore als »unrettbar verlorenen Gemälden« gesprochen.
Nunmehr hat Monsignore Giovanni Biasiotti, ein ausge
zeichneter Archäologe und Kunsthistoriker, diese Bilder des
Gozzoli in dem oberen, abgeteilten Raum wieder entdeckt, sic
bei Blitzlicht photographiert und in Riccis »Bulletino d’Artc«
veröffentlicht. Die Decke von d'Estoutevilles lang verlorner
Kapelle scheint in Zeichnung und Anlage identisch zu sein mit
der, welche Fra Angelico in der Kapelle Nicolaus V. im Vatikan
gemalt hat und mit denjenigen Decken, die Benozzo selbst in
der Kirche des heiligen Franz zu Monte Falco und in der des
heiligen Augustin zu San Gemianiano gemalt hat. Der Kopf des
Evangelisten Lukas, der unter den Malereien der früheren
Michaels-Kapelle in Santa Maria Maggiore am besten erhalten
ist, wird zweifellos.unter die Meisterwerke italienischer Kunst
gerechnet werden können.
(Ein Selbstporträt Alexander von Hum
boldts.) Das in der »Internationalen Sammler-Zeitung« (siehe
Nr. 4 vom 15. Februar d. J.) zuerst beschriebene Selbstporträt
Alexander von Humboldts ist vom Zentraldirektor der
Prager Hiserundustriegesellschaft in Wien, Herrn Wilhelm
Kestranek, erworben worden. Herr Kestranek hat auch im
vorigen Jahre ein Selbstporträt Robert Rultons, des Er
finders des Dampfschiffes, erstanden.
(Auffindung des Gemäldes »Der kranke
Königssoh n«.) Aus F r a n k f u r t a. M. wird uns gemeldet:
Ein wertvolles Gemälde, »Der kranke Königssohn«, das
Goethe wiederholt in »Wilhelm Meisters Lehrjahren« lobend
erwähnt, ist jetzt in Berlin aufgefunden worden. Dieses
Gemälde wurde seinerzeit von Goethes Großvater mit einer
Sammlung zum größten Leidwesen des jungen Wolfgang ver
kauft und galt seitdem als verschollen. Sachverständige haben
festgestellt, daß das Bild aus dem Anfänge des 17. Jahrhunderts,
höchstwahrscheinlich von einem Bologneser Meister
stammt.
(B i 1 d e r d i c b s t a h 1.) Mail berichtet uns aus Bozen:
In der Nacht auf den 23. v. M. wurden in der Kirche in Ober-
B o z e n zwei alte Oelgemälde, darstellend den heiligen Petrus
und die heilige Magdalena gestohlen Oie Rahmen ließ der Dieb
zurück. ~
Heraldik.
(Unbekannte Wappenzeiche n.) Aus R o h r-
bach wird dem Berner »Bund« gemeldet: Hier wird gegen
wärtig ein altes Haus abgebrochen, das wohl zu den ältesten
der ganzen Talschaft gerechnet werden darf. Es ist das soge
nannte »Salzmanns Stöckli«, mitten im Dorf an der Hauptstraße
gelegen, das auch in seiner bisherigen Gestalt durch seine be
sondere Bauart dem Wanderer aufgefallen ist. Allgemein hieß
cs. das Gebäude sei in der katholischen Zeit eine Kapelle ge
wesen und die Wahrnehmungen bei den Abbrucharbeiten be
stätigen dies. An den Seitenmauern des Stockwerkes erkennt
man noch die Stelle, wo die Gewölbemauer ansetzte, die das
Schiff vom Chor trennte. Auch der Raum, der seit Jahrhunderten
als Keller diente, muß seinerzeit zu Kulturzwecken gedient
haben, denn in einer aufgebrochenen Nische neben dem
Eingang findet sich eine schalenförmige Vertiefung, die als Weih
wasserbecken gedient haben mag. Es ist schade, daß die ge
wundenen Säulen des guterhaltenen gotischen Fensters nicht
vor der Zerstörung bewahrt werden können. Ueber dem Keller
eingang mit dein charakteristischen gotischen Spitzbogen be
finden sich, als Hautreiief aus dem Stein herausgehauen, zwei
Wappen, einander berührend. Dasjenige links stellt den Sechs
berg dar. das Wappenzeichen der Freiherren von Griinenbcrg,
welchen einst Rohrbach gehörte, als das Kloster St. Gallen das
Dorf verkauft hatte. Leber dem Sechsberg stehen zwei Buch
staben. deren Sinn kaum mehr zu deuten ist. Der zweite stellt
ein L dar und mag vielleicht Langenstein. die Hauptlinie der
Grünenberger, bezeichnen. Die Wappenscheibe rechts enthält
nur Buchstaben und Zahlen. Man vermutet, die eine Figur, ein
umgekehrte .1 darstellend, sollte den Bischofsstab oder Abtstab
andeuten. Unter den beiden einander berührenden Wappen ist
ein byzantinisches Kreuz eingekritzt, wie sie heute noch in den
Standarten der orthodoxen Kirche zu sehen sind. Die Jahreszahl
1556 ist jedenfalls erst eingegraben worden, als die Kapelle in ein
Wohnhaus umgebaut wurde. Das Gebäude selbst ist viel älter,
vielleicht so alt als die von den St. Galler Mönchen erbaute
Martinskirche zu Rohrbach, auf deren Altar am 28. Dezember
795, also zur Regierungszeit Karls des Großen, die Heribold-
urkunde besiegelt wurde. An der Hausfront kamen nach Weg
schlagen der Tünche Inschriften zutage, die aber mit der Kapelle
nicht in Beziehung stehen. Es sind Sprüche der Heiligen Schrift,
wie solche zu Ende des 18. Jahrhunderts oft an steinernen Haus-
fronten angebracht wurden. Darunter steht das Wappen der
Familie Liithi, eine Glocke. Das Häuschen gehörte seinerzeit
Herrn Lüthi. einem der vier Abgeordneten, welche der Kanton
Bern zu dem helvetischen Großen Rat (Nationalrat) in Aarau
1798 zu steilen hatte. Dieser hat jedenfalls das Haus mit Sprüchen
und Zierden schmücken lassen. Der Direktor des Landesmuseums
wird die Front des Hauses, bevor sie ganz demoliert ist, in
Augenschein nehmen und vielleicht die Wappenscheibe zu deuten
wissen.