Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 13
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der allgemeine Geschmack auf diesem Wege nachgefolgt
und allerseits ist man jetzt bereit, die starken dekora
tiven Eigenschaften der archaischen Majoliken bis auf die
wirklich primitiven Töpfereien des Trecentöstils herab
vollauf zu würdigen.
Von der virtuosen Mal weise und Glasurtechnik der
reifen Renaissancemajoliken, von ihren satten Farben und
figurenreichen Bildern sind die italienischen Fayencen des
15. Jahrhunderts noch weit entfernt; aber sie haben, ganz
abgesehen von ihrer entwicklungsgeschichtlichen Be
deutung, von den glänzenden Werken der Hochblüte
eine urwüchsige Kraft der Dekoration und Einheitlichkeit
der Wirkung voraus. Vom Beginne des XVI. Jahrhunderts
Der Herkunftsbestimmung der Frühmajoliken stand
man bis vor kurzem ziemlich ratlos gegenüber, da Orts
bezeichnungen in den Werkstätten des XV. Jahrhunderts
nicht üblich waren. Hier hat erst das im Jahre 1912 er
schienene Werk Wilhelm Bcd.es, »Die Anfänge der Ma
jolikakunst in Toskana«, die erwünschte Aufklärung ge
schaffen. Es hat den früher unterschätzten oder ganz ver
kannten Anteil Toskanas an der Kunsttöpferei des
XV. Jahrhunderts aus der Menge der Quattrocentodenk
mäler herausgehoben und zugleich durch Beobachtung der
Fundorte, Wappen, Werkstattsmarken, Besteller
abzeichen und Gefäßformen die stilistisch verschiedenen
Gattungen der Florentiner Töpferei festgestellt. Damit ist
Fig. 4. Fi:
herwärts waren die Majoliken zum allergrößten Teile
reines Schaugerät zum Schmucke der Kredenzen, Wände
und Apotheken; ihre Dekoration, ob ornamental oder
figürlich, beruht auf den Vorbildern der gleichzeitigen
Malerei und des Kupferstiches. Sie ist von außen her in
die Töpferei übertragen, ein Abglanz der hohen Kunst
auch dort, wo keine unmittelbare Entlehnung fremder
Motive vorliegt. Demgegenüber sind die Majoliken vor
dem Ausgang des XV. Jahrhunderts vorwiegend noch
wirkliches Gebrauchsgeschirr, oder wenn sie schon als
Schaustücke dienten, was für viele Apothekengefäße und
manche reicher ausgestattete Schüsseln und Vasen zu
treffen mag, so haben sie doch in ihren Formen und Zier
weisen an den Traditionen des Gebrauchsgeschirrs fest
gehalten. Ihr Stil ist durchaus keramisch; ob die Orna
mente spanischen, islamischen Einfluß verraten oder
gotischer Abkunft sind, immer sind sie aus der Töpfer
werkstatt hervorgegangen, und der Töpfer ist hier nicht
bloß der ausführende Maler, sondern auch der erfindende
Schöpfer der Dekoration. Durch diese Einheitlichkeit und
innere Geschlossenheit erweisen sich die Quattrocento
majoliken als echte Kinder des Mittelalters, dem die Ar
beitsteilung zwischen Künstler und Werkmann im Hand
werk noch fremd war.
:. 2. Fig. 3.
ein sicherer Wegweiser für die Sammlung von Beckerath
gewonnen, deren Hauptbestände toskanischer Her
kunft sind.
Die dem Trecentostil noch nahestehende Floren
tiner Gruppe der hochgeschätzten Gefäße mit pastoser
Blaumalerei ist in der Sammlung von Beckerath mit einer
überraschend großen Folge vertreten. Die Majoliken mit
Rankenornament unter spanischem Einfluß sind spärlicher,
um so zahlreicher dagegen die farbenstarken gotischen
oder gotisierenden Blattornamente, die in vielen Varia
tionen bald als selbständige Muster, bald in Verbindung
mit Wappen oder pharmazeutischen Inschriften auftreten.
Innerhalb dieser Gruppe wie auch bei den verwandten
Pfaufedermustern ist die Grenze zwischen Florenz und
Faenza ziemlich schwankend; doch ist daran festzu
halten, daß alle Albarellen mit Doppelhenkeln Toskana
zuzuschreiben sind, da diese seltene Form auf faentini-
scher Seite niemals mit Sicherheit nachgewiesen wurde.
Nächst. Florenz hat Faenza den größten Teil der
Quattrocentogeschirre der Sammlung von Beckerath ge
liefert. Wie der von H. K- Krüger mit gewohnter Sorg
falt und bewährter Sachkunde ausgearbeitete Katalog
richtig angibt, gehören von den spätgotischen Kannen, alle
diejenigen nach Faenza, deren Bildfelder ein radial ge-