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gewissem Belang eine Ergänzung jener beiden, indem sie namentlich
viele Erzeugnisse für den Profangebrauch zum ersten Male zugänglich
gemacht und die Arbeit des vorigen Jahrhunderts in größerer Reichhal-
tigkeit zur Anschauung gebracht hat.
Wenn bei der Anordnung im Allgemeinen zunächst der malerische
Eindruck berücksichtigt worden ist, so scheint innerhalb dieser Begren-
zung doch eine gewisse didaktische Tendenz obgewaltet zu haben. Auf
eine Sammlung von 4.000 Ringen, denen leider nicht der für die Wür-
digung des Einzelnen erforderliche Raum zugestanden werden konnte,
folgen verschiedenartige moderne Arbeiten, welche auch verschieden-
artige Emplindungen erregen. Von den silbernen Rennpreisen bestä-
tigen viele, dass gewisse Gebiete dem Stil auch nicht einmal vorüber-
gehend Einfluss gestatten, während man sich Angesichts einzelner Ar-
beiten aus halbvergangener Zeit, z. B. eines Pocals mit Cameen (Wien
1853), gern der Vorstellung überlässt, dass das heute kaum mehr denkbar
wäre. Und so viel Absonderlichkeiten auch die anderen Säle hier und
da noch bergen, bewegt man sich bei dem Gange durch diese doch
allmälig dem Besseren und Besten zu, das --Werke der Früh- und Hoch-
renaissance - in dem rothen Saale versammelt ist.
Vielleicht war es auch kein Zufall, dass in nächster Nähe des Dia-
mantenschrankes ein Pultkasten mit meistens indischen Schmuckgegen-
Ständen seinen Platz gefunden hat. Der Gegensatz kann nicht größer
sein. Was in der Regel einen dreifachen Halbkreis von Beschauern und
namentlich Beschauerinnen, vor deren glühenden Blicken die Glastafeln
des einen Schaukastens glücklicherweise nicht schmolzen, an diesen
fesselte, war viel weniger die geschmackvolle Verbindung von Opalen,
Smaragden, Rubinen u. s. w. mit Brillanten, als der materielle Werth
der Steine von seltener Größe und die Häufung von Strahlenkernen an
anderen Obiecten. Darüber ließen begeisterte Ausrufe keinen Zweifel.
Die Edelsteine, welche in dem gegenüberstehenden Kasten als Bestand-
theile von Hals- und Armbändern u. dgl. zu sehen sind, zeichnen sich
weder durch Größe noch durch Seltenheit aus; allein ihre Zusammen-
stellung, die Verbindung mit Filigran oder Email, die Anordnung der
ganzen Schmuckstücke zeugen von einem natürlichen Farben- und Formen-
sinne und uralt vererbter Bildung des Auges und der Hand. Wie in der
Kunst Indiens überhaupt stehen wir, die wir nicht Gelegenheit haben, den
mancherlei Ursachen der verschiedenen Erscheinungen nachzugehen, auch
hier zwei scheinbar einander ausschließenden Richtungen gegenüber: auf
der einen Seite herrscht das Bestreben, durch die Masse des glänzenden
Metalls und durch phantastische Ornamentik zu blenden - den Be-
suchern der Pariser Ausstellung von 1878 noch in Erinnerung aus dem
viel angestaunten Schatze des Prinzen von Wales und hier durch einige
Gefäße vertreten, - auf der anderen Seite die feinste künstlerische Be-
rechnung, welche den Gedanken an materiellen Werth gar nicht auf-