MAK
Nr. 2 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 23 
Sin Pretension, Eigentümer E. Gonzales und viele 
andere mehr. Welch stattliche Sammlung! 
Eine weitere Zutat zum Aufputz dieser Zigarren- 
kistchen sind die Vistas, Abbildungen, meist des Fabriks 
gebäudes, oder allegorische Figuren, oder die auf ver 
schiedenen Ausstellungen erhaltenen Auszeichnungen der 
Firma, auf der Innenseite des Deckels. Ein neues er 
giebiges Sanimelfeld. 
Außerdem kommen zu der Ausstattung noch die 
Papetalas, die über den Rand des Deckels gelegten 
Vignetten, mehr zum Schutze der Zigarren dienend, ein 
neuerliches Sammelobjekt. 
Dieses ereinnert auch an die Sammlungen der 
diversen Rauchtabakembalagen, an welchen besonders 
Deutschland so reich ist. So ist mir die Existenz einer 
Sammlung von 100 holländischen und deutschen Tabak 
etiketten aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts, in einen 
Band gebunden in einem Münchener Antiquariat bekannt 
geworden, welche mit 25 Mark angesetzt wurde, und wo 
bei im Katalog die Bemerkung stand: »Sehr merk 
würdig, wahrscheinlich Musterbuch eines Handlungs 
reisenden.« 
Darum heißt es in dem bekannten Roman, als Nobody 
mit Gretchen im Luftballon am Titicaca landete: »Sie 
sah aus, wie eine rauchende Indianerin auf dem Zigarren 
kistendeckel.« 
Unglaublich, aber auch schon zu Vergleichen mußte 
die Zigarrenkistenform dienen. So wird in demselben 
Nobody Helgoland geschildert: »Helgoland gleicht einer 
auf der breitesten Seite liegenden Zigarrenkiste. Hier, 
der Mountain of sulphur (Schwefelinful) war die Zigarren 
kiste auf ein Kopfende gestellt.« Und in einem Feuilleton 
der »Oesterrcichischen Volks-Zeitung« de dato 19. Sep 
tember 1906, »Heimweh« von V. J. las ich die Stelle: 
»Wir wohnen hier in einem großen, kahlen Gebäude. 
Willst du dir ein Bild davon machen, so denke dir viel 
Zigarrenschachteln über- und nebeneinander gestellt. 
Jede Schachtel ist eine Wohnung oder, wie man sagt, 
ein Mietobjekt.« Eine iibrigenes gar nicht so üble 
Schilderung einer modernen Mietskaserne! 
Bei Josef Strzygowski (in seinem Feuilleton 
»Plakatkunst« in der »Zeit«) fand ich die Stelle: »einem 
Schloß - die Form einer Zigarrenkiste geben.« 
Leider nun, wenn eine Zigarrenkiste leer geraucht! 
Aber auch dann ist sie noch kein wertloses Objekt. Hier 
sei auf eine Militärhumoreske »Die Grußkate« von Onyx 
im Feuilleton der »Münchener Neuesten Nachrichten« 
vom 16. Juni 1907 hingewiesen, worin eine leere Zigarren 
kiste als militär-pädagogisches Instrument dient. 
Zu was allem kann eine solche leere Zigarrenkiste 
noch dienen? 
So vor allem, in ihrem ursprünglichen Berufe, als 
Präsentierkiste, oder als Rauchtabaksbehältnis, dann aber 
überhaupt zum Einpacken als Postkistchen, diente 
sie doch schon in einem Dörfchen bei Suffolk als Brief 
kasten, und über meine Anregung wurde schon ein Haus- 
briefkästchen daraus gemacht. 
Besonders Frauen pflegen die leeren Zigarrenkisten 
gerne zu allerlei Aufbewahrungen zu benützen. 
In Ganghofers »Jäger vom Fall« hat Modei ein 
ganzes Zigarrenkistel bis oben mit allerhand Nähzeug 
gehüllt, wie auch manche findige Frau solche Kästchen 
mit Seide und Bändern geschmückt, als Arbeitskästchen 
verwendet. 
Zu diesem Zwecke würden die neuen Zigarrenkisten 
aus Glas besonders gefällig erscheinen. 
Man hört übrigens als Maßbezeichnung zum Beispiel 
im Bayerischen: »Jessas, davon hab’ i tio a ganzes 
Zigarrenkiste] voll zu Hause,« ' 
Und abermals bei Ganghofer im »Hohen Schein« 
kann man die Stelle lesen: »Stöhnend brach der Bauer 
unter dem Berg von Federbetten heraus . . . Unter dem 
Wust von Kleidungsstücken grub er drei mit Stricken 
verschnürte Zigarrenkisten hervor. Aus einer Lade holte 
er ein viertes, darauf war unter dem Kreuz der Stricke 
ein Zettel aufgeklebt: »Disses ist nach meinem Tode dem 
Herrn Pfarrer zu übergeben.« Es enthielt sein Testament. 
In dem anderen hatte er verschiedene Schätze.« 
Leere Zigarrenkisten kann auch ferner der Blumist 
I für Maiblumenkeime verwenden. 
So geben alte Zigarrenkisten einen hübschen Be 
hälter für Blumenzwiebel. 
Schon die Herstellung des Behälters kann Spaß 
machen. Man nimmt zwei gleichgroße Zigarrenkisten, 
lautet eine Anweisung dazu, entfernt die Deckel und nagelt 
beide Kisten nebeneinander auf ein glattes Stück Holz, 
worauf man vier kleine durchschnittene Korke als Füße 
unter das Holz nagelt. Ringsherum bohrt man in die 
Kisten kleine Löcher, worauf man sie innen mit farbigem 
Satin beklebt und sie oben mit einem Streifen gleich 
farbigem Plüsch einfaßt, den man durch die durchge 
bohrten Löcher befestigt. Das übrige wird nun bronziert 
und kann mit kleinen Reliefbildern beklebt, mit Brand 
stift verziert oder leicht bemalt werden. Man stellt nun 
die Gläser mit den Blumenzwiebeln in diesen Behälter, 
in dem sich später die blühenden Blumen noch einmal so 
hübsch ausnehmen. So machen auch geschickte Theater 
requisiteure aus leeren Zigarrerkisten Schmuckschatullen, 
die das Aussehen von unermeßlichem Werte haben. 
»Wie baue ich mir einen Haustelegraphen sowie ein 
Haustelephon aus Zigarrenkistenholz?« fragt Hans 
Konviczka im Titel seiner mit 48 Abbildungen ver 
sehenen Broschüre, als Beitrag zur Handfertigkeit in der 
Familie. Zigarrenkistenholz ist auch von Laubsägearbeiter 
arbeitern und Bastlern aller Art gesucht, und die Malerin 
Max Ehr ler verwendete cs mit Vorliebe für kleinere 
Gemälde. 
Das Werk Dr. Löwensteins »Für und wider 
den Tabak«, sowie Leist ners »Raucherlieder« und Dr. 
Max Kempners »Feine Havanna 1893er Ernte« sind 
apart geschmackvoll in Zigarrenholzdeckeln gebunden, 
und weil wir gerade bei der Literatur sind, so erinnere 
ich an Friedrich Theodor Vis chers »Tragische Ge 
schichte von einer Zigarrenschachtel«. 
In der Kunst ist außer der genannten Malerin Max 
Ehrler, auch der berühmte Clown Thom. Olschansky 
zu nennen, von Abkunft ein Däne, der sich aus einer 
Zigarrenkiste sogar eine Art Violine herstellte, indem er 
selbe mit dünnem Garn bezog und mit seinem Spazier 
stock darüber strich. Die dadurch hervorgebrachten Töne 
hatten in der Tat etwas Musikalisches, und mit dieser 
eigenartigen »Geige« unter dem Arm zog er in den 
Kopenhagener Schenken umher. 
Das erinnert an Paganin i, der einst auf einem 
Holzschuh (sobot), den er sich zum Musikinstrument 
gestaltete, spielte. 
Paganini war es auch, der in seiner an Geiz grenzen 
den Sparsamkeit sich während seines Auftretens in 
London von einem Zigarrenhändler mehrere leere 
Zigarrenkisten beschaffte, die er mit Kritiken über sein 
Gastspiel anfüllte, und als er abreiste, jedem Kellner 
des Hotels eine solche Kiste als Trinkgeld gab. Diese 
w r aren natürlich sehr enttäuscht, statt guter Zigarren für 
sie wertlose alte Zeitungen zu finden. 
Daß Zigarrenkisten schon von Alten zu Sparbüchsen, 
von Kindern zu Trommeln verwendet wmrden, ist wohl
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.