Nr. 21
Internationale Sammler-Zeitung.
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stand nur einen billigen Knebel-Brief. Die Luther-Halle in
Wittenberg kaufte für 355 Mk. den interessanten Aufruf »An
die Deutschen« Ferdinand v. Schills und außer einem Rückert-
schen Qedicht einen Befehl von Andreas Hofers Hand für
60 Mk. Sn ziemlich sämtliche anderen Stücke der 166 Nummern
umfassenden Sammlung gingen wieder in den Handel. Voran
mit hohen Preisen die Klassiker; ein unveröffentlichter Jugend
brief L e s s i n g s an den Rigaer J. Q. L i n d n e r aus dem
Jahre 1759, von seinen Plänen handelnd, steht mit 2250 Mk.
obenan. In einigem Abstand folgen dann die Schiller-Hand
schriften, von denen ein Brief an Goethe, nur in seiner
zweiten Hälfte erhalten, es auf 1200 Mk. brachte, während ein
Brief an Luise Brach m a n n mit 67(1 Mk„ einer an Karoline
Wolzogeu und einer an sie und Lotte 750 und 650 Mk.
kostete. Eine Skizze zu den »Malthesern«, ungedruckt zum
größeren Teile, stieg auf 850 Mk. und ein schönes Miniaturbild
Schillers aus Körnerschem Besitz auf 980 Mk. Von
Goethe gingen eine Tuschzeichnung, eine ideale Landschaft,
für 420 Mk., eine Skizze seines Landhauses in Weimar mit
eigenhändiger Unterschrift und einigen Verszeilen für 1075 Mk.
fort; ein signiertes Gedicht für 140 Mk., ein Widmungsblatt zur
Jubiläumsausgabe des »Werther« mit 500 Mk. und ein sehr gut
erhaltenes Stammbuchblatt mit 850 Mk.; dazu einige Briefchen
mit 260 bis 40 Mk. Ein Brief der Minna Herzlieb kam auf
155 Mk.; H e b b e 1 - Briefe waren recht billig schon für 50 und
100 Mk., auch Klopstock mit einer schönen Handschrift
für 120 Mk. und Wieland mit zwei Seiten für 110 Mk. zu
haben. Ein Brief von Melanchthon, in deutscher Sprache
und deshalb gesucht, kam auf 350 Mk.; ein Konvolut Laub e-
Briefe auf 215 Mk.; ein Körner-Brief auf 105 Mk.; ein
Jugendbrief des Fr. Max Klinge r auf 105 Mk.; die voll
ständige Handschrift Jean Pauls zu der »mörderischen Men
schenliebe« auf 185 Mk.; ein Brief von Schillers Gattin auf
105 Mk.; ein inhaltlich interessanter Brief von G ö r r e s an
Friedrich Schlegel auf 240 Mk. Sehr gesucht aber war
Heine, für dessen Korrespondenz mit Meyerbeer ganz
ungewöhnlich hohe Preise gezahlt wurden, da sie zumeist noch
ungedruckt ist. Der Absagebrief an Meyerbeer brachte 320 Mk.,
dessen Antwort darauf 145 Mk. Frühere Briefe Heines an ihn
erzielten 480, 380, 280 und 220 Mk. Die Gedichtmanuskripte
wurden dagegen verhältnismäßig billig fortgegeben und hielten
sich zwischen 300 und 150 Mk.
Bibliophilie.
(Die Bibliothek Dowden unter dem
Hammer.) Die Bibliothek des berühmten englischen Literar
historikers und Shakespeareforschers Edward Dowden, die
in diesem Herbst in London zur Versteigerung gelangt, ist
eine Büchersammlung, wie sie in solcher Kostbarkeit, syste
matischer Auswahl und Reichhaltigkeit nur ein vorzüglicher
Kenner zusammenbringen konnte, der den Moden der Biblio
philie stets um Jahrzehnte voraus war. Dowden, der den
größten Teil seines an gelehrter Arbeit überreichen Lebens
seltene Bücher und Autographen gesammelt hat, hinterläßt
mehr als 20.000 Bände. Darunter steht an erster Stelle die
reiche Sammlung von Erstausgaben des 17. Jahrhunderts, und
hier wieder ist besonders reichhaltig die Kollektion von Erst
drucken der Shakespearezeit und von Privatdrucken
der Hofpoesie, die Grandseigneurs und vornehme Dichter für
einen kleinen Kreis von Bewunderern veranstalteten. Außer
dem hat Dowden die ganze überaus umfangreiche Literatur
der Zauberei, Magie und Hexenkunst im 17. Jahrhundert ver
einigt, und dieser Teil seiner Bibliothek verdient vor allem den
Ehrentitel eines Unikums, Werke über Volkskunde, alte Reise
beschreibungen und die Liedcrsammlungen der Elisabethini-
schen Zeit begegneten seinem lebhaftesten Interesse und sind
daher reichhaltig vertreten. Der Gelehrte hat viele Jahre, be
vor dieser reizende Zweig der Literatur Mode wurde, Bücher j
mit Kupferstichen aus der französischen Literatur des 18. Jahr
hunderts gesammelt. Diese wundervolle Blütezeit der Buch
kunst ist in seiner Bibliothek mit den köstlichsten Werken
im Originaleinband und mit Kupfern nach den ersten Platten
zuständen vertreten. Wer weiß, daß diese kleinen Bändchen
heute mit Gold vielfach aufgewogen werden, wird in dieser
Liebhaberei des Professors auch eine glänzende Kapitalsanlage
sehen. Die seltensten und wertvollsten Werke, die die Samm
lung enthält, finden sich aber wohl in der Abteilung des
19. Jahrhunderts. Hier hat Dowden viele der seltensten und
interessantesten Erstausgaben von Shelley, Byron und
Kcats zusammengebracht, und es gelang ihm, da er sich
auf diese drei Großen »spezialisierte«, eine einzigartige Voll
ständigkeit zu erzielen. Da findet man Exemplare von
Pamphleten, von denen nur zwei oder drei andere bekannt
sind, und völlige Unika, alle vortrefflich erhalten.
Bilder.
(Verkauf eines Raffael nach Amerika.) Die
Kunstfirma Du v een in London hat für einen amerikani
schen Klienten von Lady Desborough eine Raffael-
sche Madonna für L8 Millionen Kronen gekauft. Das Biid,
das der besten Periode des Meisters angehört, von ihm
signiert und aus dem Jahre 1508 datiert ist, befindet sich seit
dem 18. Jahrhundert im Besitze der gräflichen Familie Cowper.
Ein Cowper, der englischer Gesandter in Florenz war, brachte
die Madonna auf das Schloß Parishanger nach England, wo
sie bis zum heutigen Tage geblieben ist. Auf Parishanger be
findet sich auch eine kleinere Madonna Raffaels, die zwei oder
drei Jahre älter sein dürfte. 1905 starb der letzte Earl Cowper
und die Bilder fielen an Lady Desborough, die mütterlicher
seits eine Cowper ist.
(Die Auflösung der Gemäldegalerie
C r e s p i.) Aus Mailand wird uns geschrieben: Unter den
Privatsammlungen Italiens, die im vorigen Jahrhundert ent
standen sind, nahm die hiesige Gemäldegalerie C r e s p i den
allerersten Rang ein, enthielt sie doch gegen 200 Gemälde aus
den verschiedenen Zeiten italienischer Kunst und auch einige
gute deutsche und niederländische Tafeln. Da gab es inter
essante Werke von Francia, Dosso, Bartolomeo Veneto, Ro
manino, Moretto, Paris Bordsone, Tiepolo, Canaletto. Da
waren die Leonardischiiler Del Predis, Boltraffia, Marco
d'Ogionno, Gaudenzio Ferrari glänzend vertreten. Jeder Be
sucher der Galerie wird sich aber besonders dreier Bilder er
innern, des Frühwerkes Correggios, »Die Anbetung des
Kindes«, des großen Geschichtsbildes »Der Sturz von Bona-
colsi« von Domenico Morone und des »Einzugs Karls III.
in Florenz« von Francesco Granacci. Von diesen hat der
jetzige Besitzer der Galerie das erstgenannte Gemälde dem
italienischen Staat unter der Bedingung geschenkt, daß er die
anderen Werke ins Ausland verkaufen dürfe. Dieser Vertrag,
der von dem Unterrichtsministerium angenommen wurde, hat
die Kritik mancher Kunstschriftsteller herausgefordert; sie.ver
langten, daß die ganze Sammlung für Italien erhalten werden
solle, der Wert des Correggios sei nicht so bedeutend, um
Italien für den Verlust der anderen Gemälde zu entschädigen.
Diese Mahnung ist nicht ganz ohne Wirkung geblieben, denn
der italienische Staat hat nun noch ein anderes Werk der
Galerie Crespi erworben, und zwar das erwähnte Bild Mo-
rones. Das Gemälde Morones trägt das Datum 1483 und stellt
die Schlacht zwischen den Geschlechtern der Gonzaga und
Bonacolsi auf dem Sordelloplatz von Mantua dar. Es gibt
vielleicht in ganz Italien kein anderes Bildwerk, das die
Kostüme und das kriegerische Leben der italienischen Renais
sance mit solcher Treue schildert. Dabei handelt es sich um
einen bedeutenden Maler, von dessen Bildern nur sehr wenige
erhalten geblieben sind. In Italien befinden sich von ihm nur