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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 23
preußischen Patrioten dem Vaterlande gewidmeten Geschenken
fgoldene Ringe, Kreuze, Schmucksachen) liegt neben einem ganz
bizarren Bildnis der Königin Luise die Totenmaske Napoleons,
vom Leibarzt Dr. Antomarchi auf Helena selbst abgenommen.
Von dem Soldatenkaiser stammen 460 Originalhandschriften, die
liier sorgsam unter Glas und Rahmen verwahrt sind, außerdem
zahlreiche Briefe lind Billetts von York, Biilow, Gneisenau,
Schwarzenberg, Radetzky, Arndt, Jahn. Uhland. Kaiser Alexander
von Rußland und anderen mehr. Ein dunkles Stübchen ist voll
von Erinnerungen an Andreas Hofer und seine Tiroler Freiheits
kämpfer. Da hängt ein vorzügliches Wachsrelief von dem be
rühmten Bauernfiihrer, eine Arbeit des bekannten Bildhauers
Fuchs, an der Wand, daneben eine seidene Fahne, welche Hofer
selbst im Jahre 1809 zum Sturme vorangetragen haben soll,
ferner eine Sattel- und Pistolentasche Hofers und, was mir am
meisten imponierte, eine morsche Dachschindel vom Schießstand
am Sandhof in Passeyer 1809. Ueberhaupt soll, wie Herr Bcrtsch
jedem Besucher versichert, seine Andreas-Hofer-Sammlung mit
197 kostbaren Originaldokumenten und 74 Einblattdrucken die
reichhaltigste, jedenfalls die eigenartigste der Welt sein.
Natürlich sind auch die Erinnerungen an die berühmteren
Zeitgenossen Napoleons sehr zahlreich, ganz ohne Rücksicht
darauf, ob und in welchem Verhältnis dieselben zu dem großen
Schlachtenmeistcr gestanden. Neben einem Originalbildnis der
jungen Charlotte von Stein, der berühmten Freundin des Herrn
von Goethe, von der Hand der Angelika Kaufmann, hängt ein
Schattenriß der Lotte Buff (Fräulein Kestner), vom jungen Goethe
selbst geschnitten. Mehrere Briefe von Theodor Körner, hand
schriftliche Gedichte und eine Haarlocke von diesem prächtigen
patriotischen Brausekopf, mehrere Handarbeiten und Wäsche
stücke der Königin Luise und der wehmütige Abschiedsbrief des
tollen Murat an seine Frau, unmittelbar vor seiner Erschießung
am 13. Oktober 1815 geschrieben, füllen einen großen Glas
schrank.
Die südliche Seite des Museums bildet eine eigene Ab
teilung: die Völkerschlacht 1813. Unter Hunderten von Zeitungs
berichten über die Völkerschlacht, Proklamationen, Tischreden,
Trinksprüchen, Gedichten und dergleichen fesselt den Beschauer
der berühmte Armeebefehl Schwarzenbergs vom 15. Oktober
1813 im Original. Beim Fenster hängt ein tintcnbekleckster Zettel
von der Hand Blüchers, auf der Höhe von Möckern am 16. Ok
tober 1813 geschrieben, mit den Worten: »Wenn der Hund von
Zigeiner nicht sofort erscheint, so muß in das heilig kreuz
granaden bomben Donnerwetter klein schlagen. Blücher.« Mit
diesen kräftigen Ausdrücken ist der dunkelhaarige Schwadroneur
Bernadotte, Kronprinz von Schweden, gemeint, der mit seiner
Nordarmee dem preußischen Marschall zuhilfe kommen sollte.
Leider konnte Herr Bertsch nicht herausbringen, an wen Blücher
diesen respektwidrigen Brief gerichtet hat. Mitten im zweiten
Zimmer steht ein großes Pianoforte, im Jahre 1805 angefertigt,
Ankaufspreis 800 Taler, 1814 renoviert, welches mit der Völker
schlacht allerdings nur den Zusammenhang aufweist, daß man
auf ihm vor, während oder nach der Schlacht hätte spielen
können, ln den Schaukästen und auf den Tischen liegen bunte
Uniformstücke, Knöpfe, Eßbestecke, Tagesbefehle, Karten und
Pläne, Tabakspfeifen, teilweise mit Diamanten besetzte Schmuck
stücke der Schnitzkunst, ein Thermometer, das Fernrohr des
Marschalls Davoust, des Herzogs von Eckmühl, Kämme,
Taschen- und Standuhren, Leuchter, Amulette und zahllose an
dere Gebrauchsgegenstände, welche Offiziere und Soldaten vor
hundert Jahren mit sich führten. Alle Wände sind dicht behängt
mit Bildern und Kopien von solchen, welche das Jahr 1813 und
im besonderen die Schlacht bei Leipzig betreffen.
Das bescheidene historische Museum, das in diesen Tagen
wahrscheinlich von Tausenden besucht ward, ist ein Schulbei
spiel dafür, was ein zäher, willensstarker Mann mit geringen
Mitteln leisten kann. Herr Bertsch ist kein Gelehrter, ihm
standen keine staatlichen oder sonstigen Geldmittel zur Ver
fügung, er ist ein ganz einfacher, dem historischen Boden ent
sprossener Mann, der sich durch Selbststudium für die große
Sache begeisterte und erst im reifen Mannesalter zu sammeln
begann.
Neben natürlich auch wertloseren Dingen aus der großen
Zeit finden sich hier die wertvollsten Gegenstände, die einen
wundervollen Einblick in das Fühlen und Denken der Menschen
vor hundert Jahren gewähren. Der Besuch dieser eigenartigen,
interessanten Privatsammlung — der Name »Historisches
Museum« ist ein bißchen zu hoch gegriffen — im Schatten des
ungeheuren Völkerschlacht-Denkmals ist für jedermann be
lehrend und empfehlenswert. Gr. T.
Chronik.
Autographen.
(Autographen- und Bildersammlung zur
deutschen Literaturgeschichte.) Das Antiquariat
Martin Breslauer in Berlin teilt uns mit, daß es im Jänner
oder Februar 1914 die Autographen- und Bildersammlung zur
deutschen Literaturgeschichte aus dem Besitze Erich
Schmidts versteigern werde.
(Die Auktionen bei Liepmannssohn.) Aus
Berlin wird uns geschrieben: Am 20. November kam bei
Liepmannssohn der Nachlaß des Ministers Freiherrn
Karl Friedrich Stein zum Alten stein zur Versteigerung.
Viele der interessanten handschriftlichen Dokumente aus der
Zeit der Freiheitskriege und der Reaktion wurden vom Ge
heimen Staatsarchiv oder von der k. Bibliothek erworben. So
ging in den Besitz des Staatsarchives eine Sammlung von etwa
40 Schriftstücken über den Kirchenstreit zwischen der preußi
schen Regierung und dem Erzbischof D u n i n um 200 Mark über
(Kat.-Nr. 118). Eine andere ähnliche Sammlung aus den Jahren
1825—1839, aus 80 Büchern und Denkschriften über den
preußischen Kirchenstreit mit dem Kölner Erzbischof Klemens
August v. Droste-Fischering (Nr. 117) ging für 205 Mark fort.
Die kgl. Bibliothek erwarb eine Sammlung von 37 Briefen des
preußischen Staatsrates für Kultus und Unterricht Georg Heinrich
Ludwig N i c o 1 o v i u s, der mit Marie Schlosser, einer
Nichte Goethes, verheiratet war und dadurch in mehrfacher
Beziehung zu Goethe stand. Die aus den Jahren 1818—1839
stammenden Briefe an den Minister v. Altenstein brachten zu
sammen 140 Mark. Ein Originalmanuskript des Ministers von
Altenstein der wenig bekannten Denkschrift über die »Her
stellung einer ständischen Verfassung für den preußischen Staat«
aus dem Jahre 1818 wurde mit 155 Mark bezahlt. Ein Konvolut
verschiedener Schriftstücke: Gutachten, Kabinettsorders und
Briefe über preußisches Universitätswesen aus den Jahren 1820
bis 1840, kam auf 120 Mark und ein sehr interessanter Bericht
vom Minister v. Altenstein über die Schlacht bei Leipzig, vom
18. Oktober 1813, abends Uhr, der er im Hauptquartier des
Königs beiwohnte, auf 75 Mark zu stehen. Die große Denk
schrift Altensteins vom 12. September 1807 über die »Reorgani
sation des preußischen Staates«, die er im Aufträge Friedrich
Wilhelm 111, und auf besondere Anregung und mit Unterstützung
Hardenbergs verfaßte, wurde für 630 Mark verkauft, da sie als