MAK
Seite 366 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 24 
hochgebildeter Japaner, zu folgendem Ergebnis gelangt 
bin: Zunächst muß man sich die Frage stellen, welchen 
Zweck die japanischen Farbenholzschnitte hatten. Die 
japanischen Farbenholzschnitte sind mit wenigen Aus 
nahmen keine Werke, die ein Künstler geschaffen hat, 
ohne daß er dabei eine andere Absicht vor Augen ge 
habt hätte, als ein Meisterwerk zu schaffen. Diese 
Blätter hatten meist einen bestimmten Zweck und 
können als Produkte des Kunstgewerbes betrachtet 
werden, dem sich die bedeutendsten Künstler Japans 
widmeten, was bei so einem feinfühligen und kunst 
sinnigen Volke begreiflich ist. Auf diese Art erreichte 
der japanische Farbendruck auch die Vollkommenheit, 
gleich den anderen Kunstwerken des japanischen 
Gewerbefleißes, dessen Erzeugnisse in der ganzen ge 
bildeten Welt als mustergültig bezeichnet werden. Stellen 
sich ja in neuester Zeit auch bei uns die größten Künstler 
in den Dienst des Kunstgewerbes. In Japan geschah dies 
schon seit Jahrhunderten. 
Aus den Darstellungen dieser Kunstblätter kann man 
auch ihren Zw'eck ersehen. Sie zeigen zumeist Porträts 
von Schauspielern in ihren Rollen und Theaterszenen, 
Porträts von Kurtisanen mit Angabe ihres Namens und 
des Hauses, wo sie ihr Gewerbe trieben (dabei werden 
sie oft poetisch mit Blumen. Flüssen, ja auch mit Land 
schaften verglichen), dann Tänze, Feste, Unterhaltungen, 
Spiele, Ringkämpfe, Landschaften, Tempelbilder und 
Badeorte. Es sind dies, wie man sieht, Reklame- und Er 
innerungsbilder. Weiters finden wir Darstellungen, die 
zur Belehrung dienen, wie Bilder aus der Götterlehre, 
Religion, Heldensage und Geschichte, naturgeschichtliche 
Darstellungen, wie Tiere und Pflanzen, kunstgewerb 
liche und Handwerkerbilder. 
Diese Reklame-, Erinnerungs- und Belehrungs 
bilder wurden zwar nicht von den Japanern in unserem 
Sinne gesammelt, aber doch aufbewahrt. Als Wand- und 
Pfostenbilder (Kakemonos und Nagaye) dienten sie auch 
zur Auschmiickung der Wohnräume, und es wurden 
aus ihnen Setzschirme erzeugt. 
Fig. 3 zeigt einen Druck von K u n i y o s h i mit 
einer Theaterszene aus den 47 Ronins, auf welchem ein 
Setzschirm mit aufgeklebten Farbenholzschnitten dar 
gestellt erscheint, und Fig. 4 einen solchen von H i r o- 
shige. wo Farbendrucke als Tapetenschmuck in dem 
ehemaligen Techause Pankiro in Yokohama verwendet 
wurden. 
Was die Erinnerungsbilder anbelangt, so spielten sie 
in Japan eine ähnliche Rolle wie in neuester Zeit bei uns 
die Ansichtskarten. Der Japaner ist ja, wie bekannt, ein 
großer Freund vom Re'sen, halb Japan, Mann und Weib, 
soll beständig untenvegs sein. Man kaufte sich zur Er 
innerung die Städte- und Landschaftsbildcr, unter denen 
die 53 Ansichten der Stationen der alten, berühmten 
Tokaidostrrße, die von Kioto nach Jedo führte, dann die 
Fujiyamabilder, besonders erwähnenswert sind. Die 
Wallfahrer, die cs in Japan ebensogut gibt wie bei uns, 
brachten die Tempelansichten und Wallfahrtsbilder auch 
zur Erinnerung mit nach Hause. Die wandernden Japaner 
kauften sich auch zur Erinnerung ihrer Reiserlebnisse 
die Schauspielerbilder, Theaterdarstellungen und der 
gleichen mehr. Von den Reisen zurückgekehrt, erzählten 
sie ihren Angehörigen von dem, was sie gesehen und 
erlebt und zeigten ihnen hiebei die Bilder, die dann zum 
Angedenken aufbewuhrt wurden. 
Aber nicht nur der einfache Mann, auch der hohe 
Adel des Reiches mit seinem Gefolge der Samurais tat 
dasselbe. Seit der Herrschaft der Shoguns Side-josi, 
auch Saico genannt, also seit 1586, waren die Adeligen 
gezwungen, jedes zweite Jahr dessen Hof in Jedo zu 
besuchen. Hier mußten sic sich längere Zeit aufhalten, 
wobei sie sich die Zeit mit Festlichkeiten und zumeist 
mit den Vergnügungen vertrieben, die sie im Joshiwara- 
viertel mit den Oirans und Geishas, bei Tanz und Ge 
sang, fanden. Die öffentliche Meinung und die Ange 
hörigen fanden darin nichts Schlechtes, sie sahen dies 
als selbstverständlich und natürlich an, gerade so, wie 
wunn man bei uns ein Theater besucht. 
Solche hohe Herrschaften brachten außer den 
Landschaftsbildern noch die Porträts der schönen und 
berühmten Kurtisanen mit nach Hause, die sie im Joshi- 
waraviertel kennen gelernt hatten. Auch kauften sie 
Bilder von Festlichkeiten und Konguratänzen fTempel- 
tänzc), die ihnen einen Ersatz für das Theater boten, das * 
zu besuchen sic für unschicklich hielten. Nur das ge 
wöhnliche Volk besuchte das Theater. 
Solche Farbendrucke wurden nun, wie gesagt, zur 
Erinnerung mitgebracht. Bei der Pietät der Japaner für 
ihre Vorfahren und den bestehenden Ahnenkult ist es 
auch natürlich, daß diese Erinnerungsblättcr zumeist 
sorgsam aufbewahrt wurden. So kommt es, daß man jetzt 
noch bei den besseren Familien und besonders bei den 
alten Adelsfamilien kostbare Blätter von tadelloser Er 
haltung finden kann; daß diese Blätter nicht veräußert 
wurden, ist bei dem Adelsstölze und der großen Pietät 
der Japaner begreiflich. Solche Blätter erschienen und 
können auch jetzt nur auf dem Kunstmarkte erscheinen, 
wenn so eine Familie zugrunde ging oder ausstarb. Dies 
ist die Ursache der großen Seltenheit sehr gut erhaltener, 
kostbarer Blätter. 
Blätter, die zu Setzschirmen verwendet wurden, 
dann Roll- und Pfostenbilder sind gewöhnlich auch 
besser erhalten, je nach dem, ob sie mehr oder weniger 
dem Rauche oder Wurmfraßc ausgesetzt waren. Oft 
wirkte bei solchen Bildern das Klebemittel nachteilig, das 
stets bemerkbar bleibt. Bilder aus Teehäusern und 
niedrigen Hütten haben meist durch den Rauch gelitten, 
waren sie der Sonne ausgesetzt, so veränderten sich die 
Farben und sic verbleichten. Schmutzige und fleckige 
Holzschnitte gehen zumeist auf Rechnung der Kinder 
hände. Kinder waren es ja größtenteils, die die schönen 
und bunten Brokatbilder und Bücher nicht genug be- 
wundern konnten, die der Vater von seiner Reise nach 
Hause brachte. Waren diese Drucke zur Belehrung be 
stimmt. so hatten sö meist das gleiche Schicksal wie 
unsere Schul- und Belehrungsbücher. 
In dem Gesagten findet so manches seine natür 
liche Erklärung betreffs des Zustandes der Farbenholz 
schnitte, ihrer Seltenheit und Auffindung sowie auch 
betreffs ihres Erscheinens auf dem Kunstmarkte. Ferner 
kann man aus dem Ganzen ersehen, daß eine Fälschung 
des japanischen Farbenholzschnittes leichter ist, als 
eine solche zu erkennen. Soll ja der bedeutendste Kenner 
des Farbendruckes, ein Japaner, sich geäußert haben, 
daß er die Echtheit eines Blattes nur dann mit Sicher 
heit bestimmen könne, wenn er es verbrennen würde; 
ich glaube aber nicht, daß ein Sammler sich zu diesem 
Experimente hergeben wird.
	        
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