202
verhalf, so hat die Grösse und Vielseitigkeit, das Genie Van Dycks dem
jungen ungarischen Maler zur Klarheit über seine Ziele verholfen.
Die Wendung zur Einfachheit hatte sich jedoch, wie erwähnt, schon
früher bei ihm gezeigt, am stärksten in dem Porträt des deutschen Reichs-
kanzlers. Dieser zartgebaute,
alte Mann, der auf der Strasse
so schlicht und unbemerkt an
einem vorbeigeht, hat zwei
grosse körperliche Schön-
heiten: ein scharfgeschnittenes
Profil und ein paar prachtvoll
blaue, räthselhafte Augen. Der
erstere Vorzug ist Lenbach
wichtiger erschienen und so
hat er sein Porträt vom Profil
aufgenommen; es ist ein
müdes, altes Faltengesicht
daraus geworden. Laszlö hat
dem Mann in die Augen ge-
sehen - und was für ein
Kunstwerk ist aus diesem
Porträt geworden! Weit
hinaus über die Interessen
dieses Lebens und des neuen
deutschen Reiches blickt der
alte Mann in die Ewigkeit,
in das Nirwana, in - ja das
weiss niemand zu ergründen,
__ _, was diese Augen suchen, so
F. E. Läszlö, Erbprinzessin Cbarlcme von Meiningen tief und SO ungewöhnlich 81'-
scheinen sie. Dabei hebt sich
der scharf geschnittene Kopf unvergleichlich plastisch von dem dunklen
Hintergrund. Ausser dem Blau der Augensterne ist nur eine helle Farbe
aufgesetzt, das starke Gelb des Ordensbandes auf der Brust.
Laszlös spätere Porträts stehen ruhig da, ohne Coquetterie, ohne Lächeln,
ohne Hingabe; lieber malt er sie steif und kalt, ohne Contact mit dem Beschauer,
über den sie vornehm gleichgiltig hinwegsehen. Das muss jedem Besucher
der diesjährigen Ausstellung im Künstlerhaus auffallen. Die drei Bilder im
ersten Stock, das der Gräfin Aglaja Kinsky, des Fürsten und der Fürstin
Fürstenberg, haben alle diese Kälte des Temperaments, die mit der Wärme
des Farbentones seltsam contrastirt. Wenn Laszlo, wie man es ihm oft vor-
geworfen hat und in beschränkter Consequenz noch thut, ein Schönmaler
wäre, ein Porträtist, der den Modellen schmeichelt, sie so darstellt, wie sie
gerne aussehen möchten, dann hätte er bei diesen bekannten Wiener Schön-