Nr. 5
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 75
den stolzen Titel; »Chinesische Kunstgeschichte« anmaßt, sogar
Abgangszeugnisse.
Mau täte China unrecht, wollte man ihm nicht auch ein
paar Fälscher - Praktiken zugestehen. Gefälscht wird
antikes Jade (Han Jü), ein kostbares Sammelobjekt fin
den gebildeten Chinesen, das sich nach vielhundert- oder gar
tausendjährigem Lagern in der Erde — Jadeschmuckstücke er
hielten die Toten ins Grab — in prachtvollen Maserungen,
Wölkungen, Flecken verfärbt. Je nach den chemischen Ein
flüssen nimmt es rote, grüne, silberne, braune oder gar, wenn
das Schwarz des innen lackierten Sarges mit dem Jade in
Verbindung tritt, schwarze Tönungen an, und die Alters
patina tut ein übriges, das Stück mit einem warmen, schwer
nachahmbaren Hauch zu Übergießei). Der Fälschungsprozeß
ist recht mühsam. Während des Nicn Hao Chia Ch’ing und
auch noch zur Tao Kuang-Zeit (erste Hälfte des 19. Jahr
hunderts) fälschte man beide Arten des JJan Jü, indem man
es zwei Monate lang, wenn es der harten Art angehörte, vierzig
Tage, wenn es sich um weiches Jade handelte, in einer aus
fünf Farben zusammengesetzten Lösung kochte. Schließlich goß
man kochendes Oel hinzu, um einen matten und fetten Glanz
zu erzielen, den man dadurch erhöhte, daß man das fertig
gebraute Objekt möglichst viel in der Hand herurntrug. Kanton
und Souchou (in Kiatigsu) waren für die Fälscherpraktiken be
sonders berühmt. Gegenwärtig imitiert man nur noch weiches
Grabjade, das man in zwei Farben, blau und hellgelb, abkocht,
c : ie einen bräunlichen Ton ergeben.
Gefälscht werden ferner Bronzen, vor allem die Sakral
gefäße der vorchristlichen Dynastien, die man in China schlecht
weg als »S anda i« bezeichnet. Obenan stehen die Fabrikate
von Wei hsien (in der Provinz Schantung), deren Formen und
Patina aber kaum ein geübteres Auge täuschen können. Ge
schicktere Fälschungen werden von Japan aus verbreitet.
Während die gröberen chinesichen Falsifikate sich meist mit
einer aufgemalten oder sonst kunstvoll aufgetragenen Patina
begnügen müssen, vergraben die Japaner ihre Elaborate eine
Reihe von Jahren in der Erde, dort, wo der Boden feucht ist
und das Metall schnell oxydiert. Ein mir in diesen Tagen vor
gelegtes derartiges Stück, im Stile der Chou-Dynastie, von ele
ganter Dreifußform mit charakteristisch verdünntem Halsrand,
hatte innerhalb weniger Jahre in der Erde eine wunderbare
Patina angesetzt, und so viel Lößkrumen, daß auf den ersten
Blick wohl niemand an dem Alter der Bronze hätte zweifeln
können. Man hatte, wie die Bronzegießer der vorchristlichen
Jahrtausende, das Gefäß lackiert, bevor man es in die Erde tat,
und da, wo die Metallhaut hindurchschimmerte oder die
Fälscherhand die Patina abgekratzt hatte, zeigte sich etwas wie
Hechigo (wörtlich: schwarz lackierter Knochen), ein dunkel-
leuchtender nackter Metallton, der neben dem shui yin chin
(wörtlich: ausgebrochenes Wasser-Silber, das sind weiche Töne
des Wasserspiegels) von Kennern als die wahre Blume der
Patina geschätzt wird. Nach chinesischen Erfahrungen setzen
diejenigen Bronzen die edelste Patina an, die in der Nähe eines
Flusses, und zwar in einem Hohlraum neben dem eigentlichen
Grab vergraben wurden, so daß nur Feuchtigkeit, nicht Erde
oder andere Substanzen, die Metallhaut umbilden konnte. In
zweiter Linie kommen dann die am liier oder gar in Fluß
betten selbst gefundenen Bronzen. Natürlich trägt auch die Be
schaffenheit der Erde ihr Teil dazu bei. die Patina verschieden
artig zu gestalten: am höchsten wird der reine und relativ
feuchte Boden in der Nähe der Hsiling-Kaisergfäber (Provinz
Tschili) geschätzt wie der der Kunstprovinz Honan. Bronzen
aus Shensi oder Schantung zeigen eine kräftige, indes höchst
selten weiche und edle Patina; sie ist zu dick, von Löß
krumen durchsetzt und mehr auf Fernwirkung berechnet, als
darauf, mit den Fingern betastet zu werden und dem Auge durch
die unbegreiflich feine Uebereinanderschichtung der farbigen
Häute ein seltenes Entzücken zu gewähren. Was den Shcnsi-
und Schantung-Bronzen an Patina abgeht, ersetzt indessen
häufig Monumentalität der Form.
Die Kunsthändler Pekings haben, wie alle anderen Berufe
auch, ihre feste Organisation und ihr gemeinsames Vereins
haus, in dem regelmäßige Zusammenkünfte und vor allem
Geheimauktionen stattfinden. Augenblicklich besteht die Kunst
händlergilde aus etwa 130 Mitgliedern mit zwei aus ihrer Mitte
gewählten Vorsitzenden. Da hohe Beamte in Nöten, die »ihr
Gesicht wahren« müssen, nicht gut direkt verkaufen können, so
wählen sie oft das bequeme Mittel der Geheimauktion im
Kunsthändlervereinshaus. Ein Zirkular ruft die Mitglieder zu
sammen, und Stück für Stück wird in einer Geheimauktion
verkauft. Das geschieht folgendermaßen: Auf einem Tisch steht
ein zylindrisches Gefäß mit etwa 130 Bambusstäben (je nach der
Anwesenheitszahl der Käufer), von denen jeder den Namen einer
Firma trägt. Der Verkäufer zeigt ein Stück vor, der Vorsitzende
zieht einen Bambusstab aus dem Gefäß und liest den Namen
der auserwählten Firma ab, deren Vertreter nun dem Verkäufer
das erste Angebot machen darf, nachdem dieser selbst seine
eigene Forderung kund gegeben hat. Beides geschieht mittelst
der Finger, die man sich unter dem längen Aerrnel reicht, und
zwar werden Zehner und Hunderter, um Trrtiimer zu vermeiden,
laut angesagt. Erst wenn der Verkäufer mit dem vom Los be
stimmten Reflektanten nicht handelseinig werden kann, dürfen
die übrigen Gildenmitglieder in derselben, nur dem Verkaufenden
fühlbaren Form ihr Angebot machen. Handelt es sich um wert
volle Objekte, so wird der Glückliche, den das Los bevorzugte,
stets versuchen, durch ein gutes Gebot die Konkurrenz der
anderen Mitglieder abzuschütteln, und bei den letzten Akten des
Fingerdrückens geht es denn auch nicht ganz ohne etwas Auf
regung zu. die det Bieter forciert, um den Verkäufer durch das
Suggestive des »unwiderruflich letzten« Gebotes zu über
rumpeln. Nichtmitglieder der Gilde dürfen während der Auktion
aas Vereinshaus nicht betreten, und Händler, die nur den Versuch
machen, einen Freund einzuführen, verfallen einer Geldstrafe.
wwkgw
Chronik.
Ansichtskarten.
(Künstlerische Ansichtskarten von W e 1 .s,)
Aus Wels wird uns berichtet: Soeben erschien eine Reihe von
Ansichtskarten aus Wels und Umgebung von vorzüglicher
Ausführung. Sie zeigen treffliche Bilder der alten Fischergasse,
ein stimmungsvolles Motiv aus den Traunauen, den alten Kupfer
hammer und die interessante Barockkanzel der Vorstadtpfarre
Die Aufnahmen stammen von dem bekannten Amateurphoto-
graphen Dr. Ferdinand Rochhart in Wels, der die Schön
heiten seiner Heimat mit Vorliebe und Erfolg wiederzugeben
sucht.
Autographen.
(Die Originalhandschriften von Schillers
Werken.) Im Gegensatz zu der reichen Fülle Goethescher
Originalinanuskripte, die sich erhalten haben, sind die ersten
Niederschriften der Werke Schillers, zumal seiner späteren,
fast völlig verschwunden, und es ist nicht selten die Frage auf
geworfen worden, worin diese doch immerhin seltsame Er
scheinung ihren Grund haben dürfte. Als Schüler am 9. Mai
1805 starb, fanden sich in seinem Schreibtisch neben zahl-