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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 6
stattet haben. Das Gemälde hat rund eine Million Mark ge
kostet. Außer der Ausfuhrbewilligung der staatlichen Organe
war auch die Zustimmung des Herzogs von A 1 b a als Patrons
der Kirche zu Monforte einzuholen.
(Ein russischer Freskenzyklus des
14. Jahrhunderts.) In den von der kaiserlichen Akademie
der Künste in St. Petersburg herausgegebenen »Alt
russischen Kunstdenkmälern« macht L. Maculevitsch
Mitteilungen über einen Freskenzyklus des 14. Jahrhunderts,
der eines der wichtigsten und interessantesten aller bisher be
kanntgewordenen Monumente der altrussischen Kunst bildet.
Die Fresken befinden sich in der 1352 erbauten Kirche der
Himmelfahrt Mariä im Dorfe V o 1 o t o, wenige Kilometer von
der hochberiihniten alten Handelsstadt Nowgorod, die ja
bekanntlich einst ein Kulturzentrum für das ganze nördliche
Rußland war. In Nowgorod hat sich denn auch ein be
sonderer Stil der russischen Heiligenmalerei ausgebildet, bei
dem das komplizierte byzantinische Schema zugunsten eines
groß empfundenen sicheren Umrisses vereinfacht wurde. An
diesen Stil schließen sich die Fresken von Voloto an, die um
1363 entstanden zu sein scheinen. Ihr Inhalt entstammt dem
Alten und Neuen Testament und schließt sich anscheinend an
die Liturgie an. Der Stil der Fresken weist ganz entschieden
auf einen bestimmt charakterisierten frühen Meister, dessen
Name uns allerdings unbekannt ist, der aber in seiner Leiden
schaft, die üblichen byzantinisch-russischen Formen zu durch
brechen, scharf individualisiert ist, zumal da er in diesem
Bestreben bedeutende künstlerische Erfolge erreicht. Alle
Darstellungen sind von einem einheitlichen und heftigen Im
pulse erfüllt, aus dessen Energie sich die dramatische Be
lebung und der Figurenstil in ebenso persönlichster und über
raschender Weise ergeben, wie die Wiedergabe der Be
wegung, die perspektivischen Versuche und endlich das
Schönheitsideal. Die Handlung der Kompositionen spielt sich
überall, in der Landschaft ebensowohl wie in den Innen
räumen, in realer Umgebung ab. Auch in der Farbengebung,
zum Beispiel besonders in der Gewandfarbe — Rot mit blauen
Reflexen — sieht Malculevitsch merkwürdige Verwandtschaft
mit der italienischen Farbengebung von der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts an. Bisher steht dies große Freskenwerk
von Voloto in der russischen Kunstgeschichte ganz insoliert,
und der Wissenschaft ist damit die Aufgabe gestellt, diese
Schöpfung in die russische wie in die allgemeine Kunst
geschichte einzuordnen.
(Heraldische Gemälde.) Im Spremberger
Kreishause, das aus dem 12. Jahrhundert stammt und früher als
Schloß bewohnt war. entdeckte man in dem zu Wirtschafts
zwecken benützten Kreuzgewölbe alte figürliche und orna
mentale Wappen, sowie heraldische Gemälde, die auf
Beschluß der Kreisverwaltung und der Königlichen Regierung
von dem Kunstmaler Blaue in Dahlem in originalgetreuer
Form wieder hergestellt werden sollen. Sachverständige er
klärten, daß die Gemälde historischen Wert haben und sich auf
die Wappen verschiedener, im Kreise ansässiger Geschlechter
beziehen.
Handschriften.
(Der Codex Aureus von Lorsch.) Eine Hand
schrift der vatikanischen Bibliothek in Rom enthält das Lukas-
und Johannes-Evangelium in Goldschrift. Die dort fehlenden
Evangelien sind, wie Kaspar Rene Gregory in der »Theo
logischen Literatur-Zeitung« mitteilt, jetzt von Robert
Szentivanyi in der Batthyanischen Bibliothek festgestellt
worden. So kennen wir jetzt den ganzen künstlerisch reich
geschmückten Codex Aureus von Lorsch bei Heidelberg.
Die Handschrift ist eng mit der A d a - Handschrift in Trier,
dem berühmten Hauptwerk karolingischer Buchmalerei, ver
wandt, und zwar sowohl äußerlich in Form und Schrift wie
innerlich im Text. Szentivanyi hält es für wahrscheinlich,
daß sie aus der Palastschule in Aachen hervorgegangen und
zwischen 783 und 827 entstanden ist.
(Handschriftenfund in einem Kloster Thes
saliens.) Reisende in Thessalien kennen die »Kloster der
Meteore«, die so wegen ihrer wunderbaren Lage auf hohen
Felsgipfeln genannt werden. Auf den steilen Gipfeln erheben sie
sich, hoch in die Luft ragend, mitten aus dem grünen Bett einer
üppigen Vegetation heraus. Einst gab es 20 dieser Kloster-
Meteore, die den Wanderer schon von ferne grüßten; heute
existieren nur noch sieben, von denen fünf im ganzen von etwa
30 Mönchen bewohnt werden. Tn einem dieser Klöster ist nun
dank der Nachforschungen der französischen byzantinischen Ge
sellschaft ein hochbedeutsamer Handschriftenfund gelungen. 1124
alte kostbare Manuskripte sind entdeckt worden. Sie waren von
einem Mönch, der vor langer Zeit gestorben ist, in einer Art
Grabgewölbe versteckt worden. Den Zugang zum Gewölbe hatte
man durch einen gewaltigen Wandschrank aus Eichenholz
maskiert. Einem Mitgliede der byzantinischen Gesellschaft,
N. Beis, ist es nach langen Forschungen geglückt, dieses Ver
steck aufzufinden. Unter den wertvollen Handschriften, die so
nach langer Verborgenheit wieder ans L icht traten, seien als die
wichtigsten erwähnt: ein Bruchstück der Ilias aus dem 13. Jahr
hundert, Stücke des Hesiod aus dem 15. Jahrhundert, Auszüge
aus dem »Ajax« und der »Elektra« von Sophokles, Abschriften
nach Werken des Rhetors Aristides, des Sophisten Themanos
und zahlreicher alter Grammatiker, endlich eine ganze Reihe von
handschriftlichen Stücken, die aus dem Alten und Neuen
Testament stammen.
Numismatik.
(Falsifikate historischer Münzprägun-
g e n.) Im Wiener Numismatischen Verein wurde eine neue Art
von M.ünzverfälschungen besprochen, die in letzter Zeit zu be
merken ist. Alte Münzprägungen werden hergestellt und dann,
ihrer Seltenheit und ihres Wertes wegen, zu teuren Preisen
verkauft. Neulich wurde ein Taler des Fürsten Franz von
Orsini-Rosenberg zur Begutachtung eingesendet. Da
es bekannt ist, daß nur zwei Exemplare existieren,
wurde die Münze mit dem Originalstempel, der im Wiener
Hauptmümzamt verwahrt ist, verglichen, wobei bald zu er
kennen war, daß die Münze eine fehlerhafte Nachbildung dar
stellt; der Stempel ist jedenfalls erst in jüngster Zeit nach
gemacht worden. Ein gleicher schwungvoller Handel wird
mit den seltenen sieben bürgischen Gold
dukaten betrieben.
Philatelie.
(Die russischen Jubiläums marken.) Wie
von uns gemeldet, haben sich die russischen Postbeamten ge
weigert, die neuen, mit den Bildern der Zaren versehenen
Jubiläumsmarken abzustempeln, weil sie die Ehrfurcht vor
den Herrschern zu verletzen fürchteten, wenn sie ihr Gesicht
mit der Stempelmarke beschmutzen. Da aber die Maschinen,
auf denen die älteren Marken gedruckt wurden, bereits aus
einandergenommen worden sind, und der noch vorhandene
Vorrat der älteren Marken ein verhältnismäßig sehr geringer
ist, so lag die. Befürchtung nahe, daß der Vorrat zu Ende
gehen werde, ehe neue Briefmarken gedruckt waren. Um
dieser Gefahr vorzubeugen, hat der russische Postminister
verfügt, daß die Jubiläumsmarken neben den älteren Marken
noch in diesem Jahre benützt werden dürfen; zugleich aber
soll unverzüglich mit der Herstellung neuer Brief
marken begonnen werden, die von den Jubiläumsmarken
das Wappen und von den älteren die künstlerische Umrahmung
erhalten werden. Die Her sch er sollen wegfallen,
damit sie nicht mehr — abgestempelt werden müssen.