Nr. 7
Internationale S a in m 1 e r - Z e i t n n k.
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von einem Gebüsch umgrünt, darin rote Kamelien und lila
Oleanderbliiten aufleuchten. Den Park schließt eine Mauer ab,
dahinter erhebt sich im blaugriinen Duft der Ferne ein Ge
birgszug, über dem Wolken in den blauen Himmel aufsteigen.
Dr. Haberfeld teilt einem Interviewer über die Erwerbung
folgendes mit: »Ich war auf der Suche nach alten Meistern in
Italien, als ich in Mailand die Nachricht erhielt, daß die schon
seit längerer Zeit von mir gepflogene Unterhandlung wegen
des Familienbildes von Waldmüller nunmehr zum Abschlüsse
gebracht werden könne. Am nächsten Tage saß ich im Zug
und fuhr über Paris an die Küste des Atlantischen Ozeans.
In dem kleinen, altertümlichen Orte war rasch das Haus ge
funden, und bald stand ich dem fast eine ganze Zimmerwand
bedeckenden Waldmüller-Bilde gegenüber, dessen wie eine
monumentale Verklärung der Altwiener Malerei anmutende
Schönheit in der fremdländischen Umgebung mich um so tiefer
ergriff. Bei einem Glase Cider hörte ich dann an der Hand
alter Familienpapiere die merkwürdige Geschichte des Bildes.
Es stellt den Altwiener Bürger Matthias Ke rz ma nn, fürst
lich Esterhazyschen Rat und Besitzer des Hauses Nr. 804 auf
der Seilerstätte, dar, seine zweite Frau, eine geborene Gräfin
Majlath, und sein Töchterchen Marie. Als Marie herange
wachsen war, heiratete sie einen französischen Arzt und
Pädagogen, der als Erzieher der Prinzen Czartoryski da
mals in Wien lebte. Ihr Vater, der freundliche alte Herr, war
früher gestorben, bald darauf verlor sie ihre Mutter. Aber
auch sie selbst durfte sich ihres jungen Glückes nicht lange
erfreuen: sie starb im ersten Kindbett, und ihr folgte das
Töchterchen Angelique, acht Monate nach seiner Geburt. Den
wieder einsam gewordenen Franzosen und einzigen Erben
des Kerzmannschen Besitzes hielt nichts mehr in Wien. 1858
kehrte er in die Normandie zurück, nahm neben beweglichem
Hausrat auch das Familienbild mit sich, wurde Landarzt und
heiratete eine Französin, die mir, eine 85 Jahre alte Dame,
die zwischen Altwien und der Normandie spielende Geschichte
ihres 1892 verstorbenen Mannes erzählt hat. 1858, als das
Familiengemälde W'ien verließ, lebte Waldmüller noch, und
die Wiener Kunstfreunde mögen es als Meisterwerk des in
zwischen auf neuen Wegen gegangenen großen Künstlers ge
kannt und bewundert haben. Seither geriet es, merkwürdig
genug, in vollständige Vergessenheit.«
Numismatik.
(Miinzauktionen.) Bei A. E. Cahn in Frankfurt
begann gestern die Auktion einer großen Münzensammlung.
Sie enthält, wie der mit sieben Lichtdrucktafeln versehene
Katalog angibt, 1890 Objekte, und zwar: die Sammlung des
Freiherrn v. B. in D„ Münzen des Mittelalters und neuere
Prägungen bis zum Ende der Kipperzeit, von Deutschland und
Oesterreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden so
wie eine Sammlung sardinischer Münzen aus altem Be
sitz. — Vom 14. bis 17. d. M. findet durch die Brüder Egger
in Wien die Versteigerung einer Sammlung von römi
schen Münzen statt, die 2046 Nummern umfaßt. An diese
Versteigerung schließt sich unmittelbar die der Sammlung des
Herrn Nikolaus M o r o s i n i (Wien) an, der Spezialsammler
von Tirol, eine außerordentliche Sammlung von Münzen und
Medaillen der gefürsteten Grafschaft Tirol zusammenge
bracht hat. Der mit 13 Lichtdrucktafeln ausgestattete Katalog
verzeichnet nahezu 2000 Lots, darunter verschiedene Selten
heiten. — Am 22. und 23. April versteigert Rudolf Lepke in
Berlin die Sammlung F. v. Parpar t, die besonders durch
die religiösen Medaillen bemerkenswert ist, ferner eine reich
haltige englische Sammlung von Medaillen und Plaketten des
15. bis 17. Jahrhunderts.
(Die Münzsammlung des Grafen Iwan
Tolstoi.) Aus Frankfurt a. M. wird uns geschrieben:
Am 10. v. M. kam bei A. Heß Nachf. die (in Nr. 5 der »Inter
nationalen Sammler-Zeitung« besprochene) Sammlung russi
scher Münzen des Grafen Iwan Iwanowitsch Tolstoi (St.
Petersburg) zur Versteigerung. Den höchsten Preis, 11.250 Mk.,
erzielte ein Rubel des Kaisers Konstantin, des nicht zur Regie
rung gekommenen ältesten Sohnes Alexanders I. Ein Porträt-
Rubel des Kaisers Nikolaus I. (1845) brachte 4725 Mk., die
Serie von sechs Probe-Rubeln Alexanders III. (1886)
8150 Mk„ ein Porträt-Rubel Pauls I. 3250 Mk. und zwei Probe
münzen desselben Kaisers nach dem Talerfuß 3300 und
3125 Mk. Die seltenen Kupfermünzen von 1802 und 1810
wurden mit 560, 530, 665 und 615 Mk. bezahlt, zehn Kupfer
münzen von 1811 brachten 3250 Mk. Von Goldmünzen waren
besonders die Fünfrubel-Stiicke der Warschauer Münze be
gehrt. Die lückenlose Serie der Platinmünzen der Jahre 1828
bis 1845 brachte über 25.000 Mk.
Philatelie.
(Neue ungarische Marken.) Wie uns aus
Budapest gemeldet wird, beabsichtigt die Postverwaltung
die 50 Fillermarke einzuziehen. An ihre Stelle soll eine in
brauner Farbe gedruckte 72 Fillcrmarkc treten. Kleine
Farbänderungen sollen bei der 6 und der 10 Filler
marke platzgreifen, und zwar soll erstere in Zukunft in fahl
braunem Gewände, letztere in Karmintönung erscheinen.
(Aus den Anfängen des Briefmarken
handels.) In London ist kürzlich Mr. Stanley Gibbons
gestorben, der Begründer des heute zu so ansehnlicher Be
deutung angewachsenen und über die ganze Welt verbreiteten
Briefmarkenhandels. Die Geschichte seiner Laufbahn, die ihn
von kleinen Anfängen zum Besitzer einer Weltfirma emporge-
fiihrt hat, ist nicht nur für die Freunde dieses Sammelsports
von Interesse. Als Knabe arbeitete Gibbons im Geschäfte
seines Vaters, eines Chemikers in Plymouth. Schon früh er
faßte ihn eine wahre Leidenschaft für das Briefmarken-
sammeln, und als er fünfzehn Jahre alt war, begann er in
kleinerem Umfange Handelsgeschäfte mit den geliebten
Marken zu treiben. Sein Vater erlaubte ihm sogar, als er
merkte, daß die Liebhaberei des Jungen lukrativ zu werden
begann, sich einen eigenen Ladentisch in einer Ecke seines
Geschäftes einzurichten. Stanley Gibbons Markenhandel
wuchs schnell und erlangte bald solche Bedeutung, daß seine
Einnahmen die seines Vaters überstiegen; nach dessen Tode
wurde auch das ursprüngliche Geschäft verkauft. Einen be
sonderen Aufschwung nahm Gibbons Briefmarkenhandel in
folge eines glücklichen Zufalles. Im Jahre 1863 kamen zwei
Matrosen, die die in einer Ecke des Schaufensters ausge
legten Briefmarken gesehen hatten, in den Laden und fragten
den jungen Händler, ob er nicht für Marken Verwendung hätte,
die sie auf ihrem Schiff mit sich herumsöhleppten. Gibbons
sagte ja, und am nächsten Tage kamen die Matrosen mit einem
ganzen Säckchen von Marken wieder; es waren Tausende
von dreieckigen Kap der guten Hoffnung, seltene und
gewöhnliche Arten durcheinander gemischt. Auf die Frage,
woher sie die Marken hätten, erklärten die Matrosen, es
wären Marken, die man in Kapstadt für Wohltätigkeitszwecke
gesammelt hätte, und ein Sack voll davon wäre auf einem
Kirchenbasar versteigert worden; sie hätten, da sie gerade
auf einer Vergnügungsfahrt aufs Land dazugekommen wären,
ein Los für einen Schilling gekauft und diese Nummer ge
wonnen. Höchst vergnügt zogen die beiden Teerjacken ab, als
ihnen Gibbons 100 Mark für ihren Schatz übergab. Der kost
bare Vorrat hielt lange Jahre vor; nach einer bescheidenen
Schätzung hat Gibbons mindestens 10.000 Mark an seinem
Kauf verdient. Heute freilich würde der Sack voll Marken
gut das Zehnfache an Wert haben.