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Internationale S a m m 1 e r - Z e i t n n g.
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und Niederländer, sodann auch deutsche Meister. Erwähnt sei
ein schöner Schweizer Scheibenriß von der Mitte des 16. Jahr
hunderts, einige Blätter aus dem Kreise Peter Candid-
S u c t r i s, drei Handzeichnungen Chodowiec k i s, ein
Sammelband mit 312 Federzeichnungen von Wilh. von Kobel!
und einige schöne Landschaften von Ferd. Kob eil. Unter den
Handzeichnungen des 19. Jahrhunderts dominieren natürlich die
Münchener Schulen. Erwähnt seien die drei Blätter von Wilh.
von Diez sowie die von Jos. Flüggen, Matth. Schmid
und Heinr. von Zügel.
Der Katalog mit 6 Lichtdrucktafeln ist durch Hugo Hel
bing in München zu beziehen.
Ein Neuland der
Die Archäologie ist stets die letztgeborene der Wissen
schaften. Eine Kultur muß schon auf einer gewissen materiellen
Höhe stehen, die allgemeine Bildung muß tiefere Wurzeln ge
schlagen haben, bevor man die Erforschung der monumentalen
Ueberreste vergangener Zeiten, die so wenig praktischen
Nutzen verspricht, aufniinrnt. So ist denn auch in Bulgarien
die archäologische Wissenschaft zuletzt entstanden.
Kunstgeschichte.
düng erhalten hatten, richteten ihre Aufmerksamkeit haupt
sächlich auf die griechischen und römischen Altertümer, die
der Boden Bulgariens massenhaft birgt; in neuester Zeit aber
erkennt man auch den Wert der Denkmäler der byzantini
schen und türkischen Zeit, und die Kenntnis des byzantini
schen Mittelalters, deren Bedeutung auch in Deutschland erst
in den zwei letzten Jahrzehnten erkannt worden ist, wird in
Fig. 9. Wien, vom Palais Schwarzenberg aus gesehen.
Der Kunstgeschichtsprofessor an der Universität Charjkov
Theodor Schmidt, der in einem Aufsatz der »Deutschen
Literaturzeitung« die archäologische Erforschung Bulgariens
behandelt, hält es sogar für wunderbar, »daß sie schon ge
boren ist, daß sie schon kräftig aufblüht und Resultate zutage
fördert, die Beachtung verdienen«. Zunächst setzte eine ge
radezu unglaubliche Entwicklung der Museen ein. 1878 war,
noch unter der Regierung des Fürsten Dondukov-Kor-
s a k o v, die Nationalbibliothek gegründet worden, deren eine
Abteilung eine Sammlung von Münzen, Inschriften und der
gleichen umfaßte. 1891 wurden diese Altertümer von der
Bibliothek getrennt und boten den Grundstock für das Natio
nalmuseum, das freilich außer der Münzsammlung zunächst
nur 163 Nummern, zum Teil zweifelhafter Qualität, enthielt.
Das Museum nahm jedoch einen bedeutenden Aufschwung, wo-
beijsich Zar Ferdinand als energischer Mäzen und feiner
Kunstkenner besonders hervortat. 1909 umfaßte die Samm
lung der Altertümer 88 Marmorstatuen, 767 Reliefs, 400 Bron
zen, 746 Vasen, etwa 11.000 Münzen, über 2000 Nummern
Kleinfunde. Daneben gibt es ein Museum der bulgarischen
»Wiedergeburt« seit 1904 und seit 1907 eine Bildergalerie.
Gleichzeitig mit der Gründung des Nationalmuseums ent
wickelte sich auch die einheimische archäologische Forschung.
Die jungen Gelehrten, die meist in Deutschland ihre Ausbil-
Bulgarien reiche Aufschlüsse gewinnen, ln den wichtigeren
Städten haben sich Vereine von Freunden des Altertums ge
bildet, die sich eifrig mit der archäologischen Lokalforschung
befassen, die Denkmäler zu schützen und zusammenzusuchen.
Einen einheitlichen Mittelpunkt erhielt diese Tätigkeit
durch die Gründung der Bulgarischen Archäologischen Gesell
schaft, die im Juni 1910 auf einer Konferenz in Tirnovo be
schlossen wurde. Die neue Gesellschaft hat bisher zwei Bände
ihrer Nachrichten erscheinen lassen, die einen imponierenden
Eindruck von der archäologischen Forschung in Bulgarien ver
mitteln. An der Spitze der Arbeiten steht der Direktor des
Nationalmuseums zu Sofia B. Filov, der in musterhafter
Weise die bedeutenden Ausgrabungen von H i s a r, einer
kleinen Festung, 42 Kilometer nördlich von Plovdiv (Philippo-
Polis) an der alten Römerstraße, geleitet hat. Die alten
Festungsmauern stehen in einem mächtigen Viereck mit vor
springenden Ecktürmen und einem prächtigen Tor noch auf
recht; in unmittelbarer Nähe der Südmauern wurden die
Grundmauern einer altchristlichen Basilika aufgedeckt, die dem
4. Jahrhundert angehört, während die Festungsmauern aus
der Zeit Justinians stammen. Trotz der bereits gewonnenen
j bedeutenden Resultate ist Bulgarien noch ein Neuland der
Kunstgeschichte, das besonders der mittelalterlichen Kunst- und
I Kulturgeschichte eine neue Welt erschließen wird.