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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 1 
langen Leiden und Kämpfen endlich das Joch der 
Türkenherrschaft abzuwerfen und zum Teil auch eine 
gewisse politische Reife zu erlangen, so ist der Verlust 
an künstlerischer Kultur unwiderbringlich. Sie bedarf 
der ungestörten Entwicklung durch Jahrhunderte, hu 
Orient kann sie nicht an die alte Kunst anknüpfen, die 
dem modernen Empfinden nicht mehr entspricht, und die 
hochentwickelte Kunst Westeuropas ist dem ästheti 
schen Empfinden dieser Völker noch fremd, die, sich zu 
ihr erst werden heranerziehen müssen. Vorläufig sind 
wir erst in den Anfängen dieses kulturellen Erziehungs 
prozesses und die Donau ist noch immer, wie gesagt, die 
Qrenzscheide zwischen künstlerischer Kultur und einer 
nur in seltenen Fällen notdürftig verhüllten Barbarei. 
Trotzdem ist eine Reise durch die Länder des Balkans 
für den Kunstkenner wie für den Sammler von größtem 
Interesse. Gerade jene förmlich verschüttete christliche 
Kultur vergangener Jahrhunderte gestattet, ein sehr an 
ziehendes Studium, und die in allerhand Hausindustrien, 
gewerblichen Erzeugnissen und kunsthandwerklichen 
Produkten verschiedener Gegenden und Perioden übrig 
gebliebenen Traditionen einer sehr alten Kultur bieten 
dem Sammler hochinteressantes Material. Im Orient sind 
ferner gar viele Schätze namentlich aus jener Zeit be- 
Fig. 9. Carlo Artaria. 
graben, als der Verkehr zwischen den europäischen 
Ländern und der Türkei zahlreiche Kunstprodukte aus 
dem Westen nach dem Osten wandern ließ, wo sie jetzt 
oft aus entlegenen Gegenden des Reiches auf die Märkte 
von Konstantinopel und anderen Städten kommen. Ich 
möchte irn Nachfolgenden versuchen, die Erfahrungen 
einer Reise, die mich in den letzten Monaten durch 
sämtliche Länder der Balkanhalbinsel führte, soweit sie 
die Leser der »Internationalen Sammler-Zeitung« inter 
essieren dürften, aufzuzeichnen. 
Meine Reise führte mich zunächst nach Serbien 
und Mazedonien. Die Hauptstadt Serbiens, 
B e 1 g r a d, selbst ist für den Kenner und Sammler be 
sonders unergiebig. Ich habe in Belgrad kein einziges gutes 
Bild gesehen, und die an sich interessante alte Festung 
besitzt nur kriegerische alte Denkmäler. Bloß die in den 
Festungsgefängnissen internierten Sträflinge erzeugen 
hübsche Glasperlenbeutel und ähnliche Arbeiten, in 
denen serbisch-nationale Motive mit Glück verwendet 
werden. Es ist ein für unser Empfinden vielleicht etw r as 
greller Geschmack, der da zum Ausdruck kommt, aber 
er ist doch individuell und von farbigem Reichtum. Erst 
in den durch die letzten Kriege neuerworbenen Gegen 
den, in Nord- und Westmazedonien stoßen wir auf inter 
essantere Denkmäler alter Kunst und auf ein schön aus 
gebildetes altes Kunstgewerbe. In den alten serbischen, 
oft ganz oder halbverfallenen Kirchen des griechisch- 
orthodoxen Glaubens haben sich zahlreiche Gegenstände 
der byzantinischen Kunst erhalten. In der uralten 
serbischen Kirche von Uesküb sah ich zahlreiche, sehr 
gute und wohlerhaltene Bilder mit biblischen Sujets, die 
eine starke künstlerische Verwandtschaft mit den 
italienischen Primitiven aufw-iesen. Bei vielen dieser 
Gemälde sieht man die typisch byzantinische Verbindung 
zwischen Malerei und Silberschmiedekunst, die sich in 
einer im Laufe der Zeit ganz unkünstlerisch gew-ordenen 
Art in allen orthodoxen Ländern bis heute erhalten hat. 
Ganz besonders schön sind in dieser Kirche die zahl 
reichen Holzschnitzereien, von denen manche den Wett 
bewerb mit den schönsten Arbeiten des deutschen 
Mittelalters aufnehmen könnten. Sie sollen albanischen 
Ursprungs sein und können w-'ohl heute nicht mehr er- 
worben werden, da die Serben diese alte Kirche in der 
Hauptstadt des Kaisers Duschan als nationales Heilig 
tum schätzen und die altserbischen Kunstschätze durch 
ein Ausfuhrverbot geschützt haben. Aber es ist wohl 
möglich, ja wahrscheinlich, daß sich in Serbisch- und 
Griechisch-Mazedonien, die vor sechs Jahrhunderten dem 
großserbischen Reiche angehörten, viele alte Kunst 
gegenstände finden lassen werden, die denen in den 
dalmatinischen Städten gefundenen an Schönheit und 
Wert nicht nachstehen w-erden, da sie derselben Kunst- 
und Kulturepoche entstammen. 
Typisch für die Städte Mazedoniens sind die 
hübschen Silberfiligranarbeiten, die albanischen Ur 
sprungs sind. Die besten Meister in diesem Kunstgewerbe 
w-ohnen in Prisrend. Doch findet man auch schon 
in Uesküb und Monastir und in allen Städten des 
Kossowo Werkstätten solcher Silberschrniede, die in 
ihren primitiven Straßenläden am offenen Feuer die 
reizenden Sächelchen, Zigarettenspitzen, Dosen, 
Schmuckkästchen, Broschen, Nadeln und Halsketten er 
zeugen. Die schlechten Zeitläufte haben bewirkt, daß 
die armen Leute die Waren sehr billig hergeben und sich 
mit sehr geringem Verdienst begnügen. Hier kann man 
sich auch sehr hübsche Kollektionen alter, sehr 
charakteristischer albanischer Ringe anlegcn, die nicht 
selten ansehnliche Proben einer alten Silberschmiede 
kunst sind. Es ist wohl zu erwarten, daß die Erschließung 
dieser Länder durch den Bau von Eisenbahnen in den 
nächsten Jahren ein rasches Schwinden alter Kunst 
gewerbesachen zur Folge haben wird und sich in Uesküb 
oder in Belgrad Zentralen des Handels mit siidslavischen 
Antiquitäten bilden werden. Vorläufig ist Mazedonien 
wie die meisten Balkanländer noch Neuland für den 
westeuropäischen Sammler. 
In Bulgarien ist wohl für den Sammler am 
wenigsten zu holen. Der lebhafter entwickelte kauf 
männische Geist des Bulgaren hatte aber wenigstens zur 
Folge, daß man beispielsweise in Sofia auf den Wert 
alter Kunstgegenstände früher aufmerksam wurde und 
sich dort ein, wenn auch nicht stark ausgebildeter Handel 
mit Antiquitäten entwickelte. Doch sind es hauptsächlich 
Dinge aus der alten Türkenzeit, die auf den Markt 
kommen, namentlich alte türkische Waffen. Auch er 
warb ich hier Schnitzereiarbeiten älteren griechischen 
Ursprungs auf Perlmutter. Eine ziemlich dürftige Haus 
industrie — Stickereien bulgarischer Bäuerinnen auf 
grobem Leinen — ist ebenfalls vertreten, die iedoch 
mattere Farben bevorzugt, als sie auf den ähnlichen 
serbischen und rumänischen Erzeugnissen zu finden sind. 
Die albanischen Silberfiligranarbeiten sind auch hierher 
gedrungen, doch hatte die bedeutendere Entfernung auch 
eine Steigerung der Preise zur Folge.
	        
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