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Internationale S a m ni 1 c r - Z c i t u n g.
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In R u in ä n i e n findet man namentlich eine alte,
hochentwickelte Stickereihausindustrie neben vielen
Altertümern aus der türkischen Vergangenheit. Die
Stickereien der Rumäninnen zeichnen sich durch eine be
sondere Farbenfreude und einen oft künstlerisch ent
wickelten Geschmack aus. Die Bukarester Damen bilden
durch die besonders intimen Beziehungen der vornehmen
rumänischen Gesellschaft zur französischen in Dingen
des Toilettengeschmackes eine Klasse für sich auf dem
Balkan. Sie haben es auch verstanden, die Hausindustrie
schöpferisch zu befruchten und für ihre Zwecke heran
zuziehen. So werden namentlich prachtvolle Stickereien
für Damenblusen von den rumänischen Bäuerinnen an
gefertigt, die nationale Motive auf das feinste dem
wechselnden modernen Geschmack anpassen. Die be
kannte Notlage des rumänischen Bauernstandes hat zur
Folge, daß man solche Stickereien verhältnismäßig sehr
billig erwerben kann.
Konstantinopel ist das Sammlerparadies des
europäischen Ostens. Die Stadt des Padischah ist der
Sammelpunkt aller Kunsterzeugnisse des Ostens bis tief
nach Indien hinein, der große Markt, auf dem auch die
Schätze alter Kulturen in unerschöpflichen Mengen zu
sammenströmen. Es wird kaum einen Sammler geben,
der nicht im Basar von Stambul oder in den Läden
von Pcra irgend einen befriedigenden Einkauf wird machen
können. Nur ist dabei eines nie außer acht zu lassen,
ln Europa hat der Sammler doch immerhin einen Maß-
stab dafür, was der Händler in Wirklichkeit zu erhalten
hofft, wenn er einen Preis nennt. So mancher läßt ja
mit sich reden, darunter auch die, die darauf schwören,
daß sie fixe Preise haben. In der Türkei gibt cs diesen
Maßstab nicht. Man kann nie wissen, was für einen
Preisaufschlag der orientalische Händler auf den Minimal
verkaufspreis machen wird. Es kann sehr leicht Vor
kommen, daß der Händler zehn Pfund für einen Gegen
stand verlangt, den er dann unter Seufzen und Stöhnen,
aber mit erfreuten Mienen für ein Pfund hergibt. Der Käufer
soll darum in Konstantinopel sich immer genau Rechen
schaft geben, wieviel er für einen Gegenstand anlegen
will und der Hartnäckigkeit des Händlers die eigene ent
gegensetzen. Man darf auch niemals zeigen, daß einem
daran gelegen ist, eine Sache um jeden Preis zu er
werben.
Vor allem wird man, wenn man das nötige Sach •
Verständnis besitzt, schöne und billige Teppiche in Kon
stantinopel kaufen können. Aus allen persischen, klein-
urid zentralasiatischen Teppichgegenden fließt der
größere Teil der Erzeugnisse in Konstantinopel zusammen.
Die größeren Händler des Stambuler Basars schicken
eigene Karawanen nach Afghanistan und Belüdschistan,
hierher kommt auch ein Großteil der Teppicherzeugnisse
Anatoliens. Tn Konstantinopel findet man aber auch die
Einkäufer aller größeren europäischen Teppichfirmen,
die hier einen großen Teil ihres Bedarfes decken, um
dann nach Smyrna weiterzugehen, wo der Haupt
einkaufsort der kleinasiatischen Fabriksware ist. Viele
Teppichkäufer halten sich mit Vorliebe auf dem Kon-
stantinopler Zollamt auf, wo viele Vorräte lagern, die
noch nicht verzollt sind und, wenn sie dort erworben
werden, dem türkischen Zoll entgehen und als Transit
gut die Reise nach Europa fortsetzen können. Hier haben
auch einige Konstantinopler Banken, die sich mit der
Belehnung von Teppichsendungen befassen, ihre Maga
zine. Wenn solche Teppichballen, was häufig vor
kommt, von den Eigentümern nicht ausgelöst werden,
gelangen sie zum freihändigen Verkauf, was bei dem
nicht allzu hohen Schätzungspreis, mit dem die Waren
belehnt sind, manchen sehr günstigen Einkauf ermög
licht. Niemand möge aber ohne eigenes Sachverständ
nis oder die Begleitung eines Sachverständigen Teppiche
einkaufen, sonst passiert ihm leicht, was einem meiner
Freunde begegnete, der von einem Straßenhändler einen
kostbaren alten Gebetteppich zu einem staunend billigen
Preis erwarb, kurze Zeit später aber erfahren mußte,
daß der üebetteppich eigentlich eine Tischdecke war
und in einer deutschen Fabrik um die Hälfte des Preises
erzeugt worden war. Die Ausfuhr deutscher Teppiche
nach dem Orient ist denn auch eine sehr bedeutende.
Neben den Teppichen sind es Kunstgegenstände
aller Art, die man in Konstantinopel erwerben kann,
namentlich sieht man viel alte Waffen, asiatische
Bronzen und die Perlmutterarbeiten aus Damaskus,
darunter oft sehr schöne alte Stücke. Was aber den
europäischen Sammler, der sich bereits auf einem be
sonderen Gebiete spezialisiert hat, interessieren wird,
sind die Kunstgegenstände westeuropäischen Ursprungs,
die er oft hier findet. Namentlich Porzellane, Gläser, alte
Uhren und kostbare alte Möbel sieht man überaus häufig
auftauchen. Sie sind meist französischen oder englischen
Ursprungs und stammen größtenteils aus dem 18. Jahr
hundert, aus jener Zeit also, in der Frankreich einen
überragenden politischen Einfluß im Orient ausübte, der
ihm nur mit Mühe von England streitig gemacht wurde.
Zu jener Zeit wanderten herrliche Möbel des Rokoko,
zahlreiche Erzeugnisse der Fabrik von Sevres, Uhren der
Pariser Meister und Glaswaren als Geschenke in die
Paläste der Sultane und Paschas. Von diesen Schätzen
kommt jetzt erst vieles wieder aus der Verborgenheit
prinzlicher Schlösser und vornehmer Harems zum Vor
schein. Man braucht sehr viel Geld in der Türkei, und
die Schätzung alten Kunstbesitzes ist eigentlich gering.
Ich sah bei meinen Besuchen des Basars von Stambul
und in den Schaukästen der Antiquare von Pera viel
schönes Porzellan, fast durchaus französischen Ur
sprungs, zu sehr mäßigen Preisen. Zumeist waren es
große Dekorationsstücke, darunter besonders mächtige
Vasen, die offenbar aus dem Reichtum alter Paläste her-
'rührten. Natürlich ist Konstantinopel auch der Haupt
fundort alter Handschriften aus Arabien und Persien. Ein
besonderer Kult wurde hier, auch mit der geschichtlichen
Gestalt Napoleons I. getrieben, und es tauchen wieder
holt wertvolle Souvenirs an diese Epoche der französi
schen Historie auf.
Zahlreich sind die Produkte der Hausindustrien aus
den verschiedenen Provinzen des weiten Reiches. Neben
den farbigen, goldgestickten Haremsarbeiten sieht man
kunstvolle Gewebe und Stickereien aller möglichen Her
kunft. Nicht minder viel Material findet der Sammler
alter Waffen. Neben den schönen, mit Silber und Bronze
schmiedearbeit reidhgezierten Gewehren und Pistolen
aus Albanien und Mazedonien sind es schön damasziertc
Yatagans, prachtvolle Dolchmesscr mit in Silber und
Elfenbeinmosaik ausgeführten Griffen, die den Blick des
Kenners fesseln.
Die in Konstantinopel ansässigen Europäer, be
sonders die Diplomaten, sind fast durchwegs Sammler
orientalischer Altertümer, doch verlegen sie sich zu
meist auf das Studium und die Erwerbung von Tep
pichen. Groß ist die Zahl der Engländer und Amerikaner,
die alljährlich bei den Antiquaren von Konstantinopel
große Summen anlegen. Deshalb bleibt dem Sammler,
der mit bescheideneren Mitteln ausgestattet ist, noch
immer ein großes Feld übrig, wenn er über Geduld und
Sachverständnis verfügt. Jedenfalls wird die Hauptstadt
der Türkei noch für lange Zeit einer der interessantesten
und ergiebigsten Orte für den Sammler bleiben.
(Schluß in der nächsten Numrrrr.)