Nr. 11
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Internationale Sammler-Zeitung.
gatten, den'bekannten vorsätzlichen Todtschlag. Er ist
nun nach eigenem Geständnisse seiner schändlichen
Mordsucht nach den bestehenden Gesetzen aus der
menschlichen Gesellschaft hinausgestoßen; zum ab
schreckenden Beyspiele durch den Strang von diesem
Leben in das andere ‘befördert, und der Menschheit un
schädlich gemacht worden. Welch ein zurück,schrecken-
der Anblick! Ein Mensch nach dem Ebcnbilde Gottes,
wie wir, vernünftiges Wesen, konnte sich so vergessen,
und ein Mörder isoines Mitmenschen werden, um sein
Leben so sträflich am Schandholze enden zu müssen. Es
ist wahr, wird vielleicht Mancher hier denken, es ist ein
schändliches, Menschen entehrendes Verbrechen, allein
e [ s hat schon so sollen seyn, denn was einem a-uferlegt ist,
dem entgeht man nicht. Solche und dergleichen Reden
führen selbst jene, die aus eigener Schuld die Folgen
verübter Schandtaten büßen müssen.
Gott, sagen sie, hat doch alles vorher gesehen,
was einem Jeden begegnen soll, und was er vor
her gesehen hat, muß doch geschehen, weil er
es und wie er es vorher gesehen hat. Dieses
sträfliche Vorurteil ist bloß aus falschen Be
griffen von Gott und seiner Vorsehung entstanden, näm
lich aus der Vermengung der Begriffe, etwas vorher
sehen und etwas vorher bestimmen. Beydc Begriffe be
zeichnen aber etwas ganz Verschiedenes. Etwas vorher
sehen, heißt nämlich, bloß wissen, was geschehen oder
aus dem Verhalten (dieser und jener Menschen, in diesen
und jenen Umständen erfolgen wird; etwas vorher be
stimmen aber heißt hier, cs veranstalten, daß dieses ge
schehen muß, oder daß diese und jene so handeln müssen.
Gott sicht es freylich vorher, und bey seyner Allwissen
heit kann er cs auch vorher sehen, wie es uns in unserem
Leben gehen wird, weil er es auch weiß und vorher sieht,
wie wir uns in diesen und jenen Umständen verhalten,
und was wir zu unserem Glück und Unglück mit
wirkend beytragen werden; aber deßwegen ist das,
was er vorher sieht, von ihm uns nicht bestimmt und auf
erlegt, weil er unser Verhalten, von welchem unser
Glück und Unglück abhängt, in allen Umständen ganz
unserem Willen überläßt und überlassen muß, wenn er
die Grundlagen unserer Natur, das, was uns eigentlich zu
Menschen macht, die Vernunft und Freyheit des Willens,
nicht selbst zerstören, und mit ihnen alle Zurechnung
und Sittlichkeit nicht ganz rufheben will.
Von diesem Vorurteile, welches ich bey dieser Ge
legenheit nur kurz fassend widerlegen konnte, war der
vor uns hangende nicht geblendet. Er erkannte gleich
nach verübter Mordtat sein Verbrechen, ging selbst
dem Gefängnisse und der strafenden Gerechtigkeit ent
gegen; bath selbst um Verüaftnehmung und gerichtliche
Untersuchung seines sträflichen Vergehens, wobey er
niemanden als sich selbst anklagte, und sich selbst die
Schuld zuschrieb, seinen Dienstkameraden aus schon lang
in sich genährter Rache, ermordet zu haben. Sein innerer
Richter, das Gewissen, verurteilte ihn früher zur ver
dienten Strafe, als das bestehende Gesetz des Staates.
Höhlet mir, ich bitte euch, sagte er zum Wächter
seines Gefängnisses, den Seelsorger, damit ich vor ihm
an Gottesstatt, mein großes Verbrechen bekenne lind be
reue, damit ich durch Bußthränen meinen so schwer be
leidigten Gott aussöhne; denn, idh bin ein Mörder, und
habe den gesetzlichen Tod verdient. Ja, ich war dann,
als mir gerichtlich der freye Zutritt nach seiner gänz
lichen Verhörung bekannt gemacht wurde, Zeuge -seiner
Bekehrung, seiner Seufzer und reumüthigen Bußthränen,
die er in seinem Gefängnisse vergoß, bevor er noch
öffentlich -sein Todesur-theil vernahm. Nachdom er aber
nach vorgeles-enem Todesurtheil an seiner Hinrichtung
gar nicht mehr zweifeln konnte, so bath er mich auf
seinen Knieen mit zitternden Händen, mit schwacher
Stimme eines Sterbenden, inm eine Bitte nicht zu ver
sagen. Ich bin Vater, sprach er, von vier unmündigen
Kindern, ach dieses BewuDtseyn ist mir schwerer, als
die Ketten, die ich trage, angstvoller, als die Todesart,
die meiner wartet; diese, ach diese Unglücklichen
machen mir das Sterben schwer! Ich kann sic nicht mehr
sehen, und darf sie, wie ein sterbender Vater seine
Kinder am Sterbebette das letzte Mahl segnet, mit meiner
verruchten Mörderhand nicht segnen! Sie weinen aber
nicht Thränen des Dankes für mich, sondern, wie ich es
verdient habe, Thränen der Schande und des Unwillens
über mich, ihren Vater am Schandholze als Verbrecher
sterben zu wissen. O ich bitte Sie, sprach er weiter, be
ruhigen Sie sie, und sagen Sie -ihnen meine von Herzen
gut gemeinte Le-hre, die ich ihnen -aus eigener Erfahrung
um so nachdrücklicher sagen kann: daß sic Gottesfürchtig
und Nächstenliebend wandeln; daß sie durch ihre gute
Aufführung die Schande ihres Vaters vergessen machen
sollen! Auch an alle Bewohner Mödlings, wo er das große
Aergerniß gab, als auch an all jene, die Zeugen und Zu
schauer seiner Hinrichtung sind, hat er eine Bitte, daß ihr
ihm vergebet, verzeihet, und für seine -arme Seele, die
Gott richtet, bet-het.
Er hat diesen schimpflichen Tod standhaft vollendet,
er starb nicht wie ein unbußfertiger Brudermörder Kain,
nicht wie ein verzweifelnder Selbstmörder Judas, sondern
wie ein reuimüthiger Missothäter, nach dem Beyspi-el-e
des an der Seite des unschuldig sterbenden Jesus, hangen
den Schächers, -deßwegen hoffen wir alle, daß Gott seiner
armen Seele gnädig und barmherzig sey.
Erhebet nun alle zu,m letzten Mahl eure Augen an
den den entseelten, am Schandholze hangenden Mörder;
-er hängt -da, nicht bloß der Strafgercchtigkeit wegen, son
dern auch der Menschheit zum warnenden Beyspiele,
das Gebot-h Gottes sowohl als auch die bürgerlichen Ge
setze, wodurch -die -menschliche Gesellschaft Schutz und
Sicherheit erhält, nicht leichtsinnig zu übertreten. Lerne
hier Jeder, den oft seine Leidenschaft und Begierden
übermannen, sie in ihrer Entstehung zu unterdrücken, da
mit ihn keine zu späte Reue treffe, kein Ach und Weihe
zu Grabe begleite. Denn wie glücklich ist der, welcher
seine Begierden mäßigen und beherrschen kann, und Herr
über sich selbst, dadurch erst verdient und behauptet er
den hohen Rang über alle sichtbaren Geschöpfe.
Aber besonders w-ende ich mich an euch, christliche
Aclt-ern, denen dii-e geistliche und leibliche Wohlfahrt
eurer Kinder am Herzen liegt, und bitte euch, eure Kinder
mit Worten und Beyspielen von der -ersten Jugend an, die
Gcbothe Gottes halten zu lehren, wenn ihr nicht an ihnen
Spott und Schande, Kummer -und B-etrübniß erleben, und
einst vor dem Abrichter für selbe verantwortlich er
scheinen wolltet. Widersteht ihren Begierden, wenn sie
auf unerlaubte oder -schändliche Dinge gerichtet sind, alle
zeit, und machet ihnen, wenn sie ihre Vernunft ge
brauchen können, darüber Vorstellungen, damit sie bey
Zeiten nach -Gründen handeln lernen. Aber auch dann zu
weilen, wenn sie etwas an sich Unschädliches begehren,
schlaget ihnen ihre Bitte ab, nöthiget sie auch zu dem, wo
zu sic keine Lust bezeigen und kehret euch nicht an ihr
Bitten, Weinen oder Trotzen. Sie werden dadurch lernen,
ihren Begierden zu widerstehen, d-cr Vernunft, welche in
reifem Jahren die Stelle der Aelt-ern vertreten muß, zu
folgen und sich selbst zu beherrschen.
Ehe wir -aber diesen Richtplatz verlassen, wo w-ir
itzt den entseelten Hängenden nach der Gerechtigkeit der
Gesetze sterben sahen, aber doch reiumüth-ig sterben
Sahen, so verabscheuen wir zwar sein Verbrechen, aber