MAK
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Seite 169 
Internationale Sammler-Zeitung. 
zuerkennen, denn die Mischung seiner Totentanz 
phantastik, die mittelalterliche Konturen zeigt ohne den 
ethischen Gehalt Holbeinscher Phantastik, mit satanisch 
profilierter Erotik, appelliert wirklich schon ein wenig an 
die Fähigkeit, gepfefferte Sensationen schmackhaft zu 
empfinden. Nun waren aber nur gegenständlich zähme 
Kunstblätter ausgestellt, und es war eine Wahl getroffen, 
die das Künstlerische in erste Linie stellte. Nichts 
darunter gab Exzeßmöglichkeiten Raum, Geiger zeigte 
sich als rassiger Künstler,- der das Anrecht hat, jede 
Kunstgemeinde sich zu verpflichten. 
Anderen Künstlern, deren Ausstellungen zu einem 
gesellschaftlichen Ereignis gemacht werden, wird 
moralische und materielle Anerkennung zuteil. In Wien 
kann man überhaupt nur durch das gesellschaftliche 
Entree ein Ereignis werden. Wo es sich um wirkliche 
Künstler handelt, mag schließlich einer solchen, nicht 
ganz einwandfreien Methode das Wort gesprochen wer 
den. Ich habe mich sogar herzlich gefreut, daß unlängst 
im »Verein bildender Künstlerinnen« die hochbegabte, 
bisher in der Einsamkeit Wiens verborgene — in Wien 
muß immer der Berg zum Propheten kommen — hoch- 
begabte Eritzi U 1 r c i c h der Oeffentlichkeit repräsentativ 
vorgeführt wurde. Sie verfügt über eine blühende, schön 
heittrunkene Phantasie und über einen oft stürmischen 
Willen zur Wahrheit. Als Autodidaktin, die sich schul 
mäßigem Zwange nie beugen konnte, fällt es ihr freilich 
manchmal schwer, den edlen Phantasos stets in die 
Kandare zu nehmen; er macht ab und zu seine eigen 
willigen Seitensprünge ins schildernd Poetische, doch 
fühlt man, daß die hohe Schule des Fleißes die Kunst 
dieser Malerin schon heute in einigen Fällen ans Ziel ge 
bracht hat. 
Schlechter erging es dem gleichfalls begabten Erich 
Lamm im Kunstsalon Briiko. Ein Ehrgeiziger, da 
nach dem Besten ringt und gegenwärtig in eine Krise ge 
raten ist. Lamm ringt um einen persönlichen Stil. Der 
Wechsel großer und kleiner Formate, kompositorischer 
Probleme, der verschiedenartigen Konzeptionen seiner 
Stoffwahl, das Versunkensein still in die Natur lauschen 
der Betrachtung und dann der Riesensprung zu dekora 
tiver Gesamtwirkung: alles dies zeigt ihn als Experi 
mentator, dem nichts entspricht, weil er sich noch nicht 
gefunden hat. Sein Ringen wird zum Ziel führen, falls er 
seinem Natursinn treu zu bleiben vermag. Technisch ist 
er heute schon sehr tüchtig. 
Am schlechtesten erging es dem Besten: Franz 
Bunke. Die Ausstellung von zwanzig seiner Land 
schaften ist ein besonderes Verdienst des Kunstsalons 
P i s k o. Seit langer Zeit wird in diesen Werken der 
tiefste Sinn der Kunst zum erstenmal wieder schranken 
los enthüllt. Wie von einem Alp befreit, die uns der tech 
nischen Originalität und Brillanz zustrebende Zeitgeist 
aufbürdete, ergehen wir uns in den tiefräumigen, ge- 
danken- und gefühlstönenden, in Wind und Wolken, 
Wäldern und Ebenen welttief empfundenen Landschaften, 
die uns zu gehören scheinen, weif sie uns zum Mitleben 
zwingen. Es ist Geist vom Geiste Böcklins oder, wenn 
man will, Michelangelos und Beethovens, nicht ein 
spezifisch malerischer Geist, sondern jener der wahren 
Kunst im weitesten Umfange. Und in Anschauung ver- 
_ sunken, bleibt nur ein Rest von Bewußtsein dafür, daß 
hinter diesen Verkündungen unserer Weltzugehörigkeit 
auch ein großes technisches Vermögen steht, das mit 
einer der inneren Aufgabe entsprungenen Disziplin sich 
dieser ganz unterordnet. Dieser Meister blieb in Wien 
ganz unbeachtet. Der Rest ist Schweigen —. 
Der gleiche Kunstsalon schließt nun die Saison mit 
einer sehr anregenden Ausstellung »Holländischer Kunst 
von 1870 an«, und gibt dazu einen illustrierten Katalog 
heraus, aus dem man über die Geschichte der holländi 
schen Malerei im genannten Zeitraum das Wesentliche 
erfährt. Uns ist wohl Rembrandt bis ins Detail vertraut, 
doch von Jung-Holland wissen wir nichts] Zur Not ber 
herrschen wir theoretisch Namen, wie Jozcf Israels, 
Maris oder Weißenbruch. Nun sind die alle zu 
uns gekommen, mit den meisten jener Künstler, die in der 
sogenannten Haagschen Schule zu einer im einzelnen 
sehr variablen Stilrichtung vereint sind, oder: waren. 
Denn gar mancher ist nicht mehr. Dennoch spricht alles 
mit unmittelbarem Leben zu uns. Von Israels ist es be 
sonders das unglaublich stimmungseinheitliche »Am ein 
samen Wege«, das uns bannt. Nicht weniger aus einem 
Stück gegossen ist sein »Glaubensvertrauen«, ein Bild, 
dem ich nur wegen des fanatisch-religiösen Ausdruckes 
im Frauengesicht nicht nahe kommen kann. Gemälden, 
wie Jakob Maris’ »Stadtansicht«, begegnet man selten. 
Es ist von kleinstem Format. Und doch spricht sich die 
ganze, stille Größe eines überragenden Meisters in ihm 
aus. Stadtansicht. Das Wort sagt so gar nichts, es streift 
nur zur Not die Situation des Themas. Hier ist es wieder 
die persönliche Auffassung und die überlegene, jede 
Brillanz verachtende Malweise sowie die bewunderns 
werte Einfachheit, mit der das Geschaute in künstlerische 
Fassung emporgehoben wird, so daß sich ein simples 
Naturmotiv zum Erlebnis weitet. Sein Bruder Willem 
M a r i s ist im Gegensätze dazu ein echtes, in den Farben 
lebendes Malertemperament. Seine Farben sind satt und 
doch von flüssigster Leuchtkraft. Die »Weiße Kuh« ver 
kündet sich so als magische, der Natur schönheitfreudig 
abgelauschte Lichtkomposition. Schade, daß der Dritte 
diqses Malergeschlechtes fehlt. Unglaublich ist cs, daß 
dieses kleine Holland eine größere Anzahl beachtens 
werter Maler besitzt als Oesterreich. Es ist also auch 
heute das klassische Land der Malerei. Vor der Unmög 
lichkeit zurückschreckend, alle Maler zu nennen, die cs 
verdienen würden, zitiere ich zusammenhanglos nur 
einige, die mich besonders ansprachcn. So Dirk 
Wiggers mit einer in Flcckenteehnik sehr diskret ge 
malten Mondlandschaft — »Bei üroesbeek« — deren laue 
Sommernachtstimmung ein schönes, inniges Lied ist. 
Weiters J. H. Weißenbruchs »Am Strand«: alles 
Gegenständliche im Silbergrau der tonigen Farbe 
schattenhaft und in der dunstigen Luft zu Schleiern sich 
lösend. Von Willem de Z w a r t ein prachtvolles Stück 
»Sonniger Tag«. Vom 25jährigen Willem K o r t e 1 i n g 
ein »Stilleben«, das in Anlehnung an die Tradition des 
17. Jahrhunderts, aber in moderner Verarbeitung eine 
Meisterprobe ist. An die Lebenskraft Rubens’, wenn auch 
nicht an seine impulsive Bewegtheit, gemahnt Martin 
Monnickendam. Unbedingt genannt muß auch 
werden J. B. J o n g k i n d, der gegenwärtig in Paris 
hohen Ehren entgegengeht. Das »Mondlicht« zeigt ihn als 
typischen, französisch beeinflußten Impressionisten, sagt 
mir aber nicht mehr, als daß er ein virtuoser, tempera 
mentvoller Maler ist. An solchen ist die Ausstellung arm. 
Ueber zweihundert ausgestellte Werke, fast alle von 
einer gewissen Temperamentlosigkeit, wirken monoton. 
Die Modernsten unter ihnen versagen ganz, darunter 
auch zwei sehr schwache Zeichnungen van G o g h s. 
Im Klosterneuburger Stift hat der Verein »Heimischer 
Künstler Klosterneuburgs« vor kurzem seine dritte Aus 
stellung eröffnet, und braucht sich nicht zu scheuen, sich 
mit dem Künstlerhaus in Wien zu vergleichen. Von dort 
weilen auch einige Gäste im Marmorpalast des Stiftes. 
Allen voran Max v. Poosch mit entzückend schönen 
Interieurs und Landschaften. Knapp hinter ihm eine end 
lose Serie Landschaften Max Kahrcrs, worunter zwei 
besonders schönen Winterlandschaften die Palme ge 
bührt. Einsam thront in der goldenen Flut seiner Farben-
	        
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