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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 12
das Kostüm wurde sorgsamer behandelt als die Seele.
Die Menschen jener Bilder erscheinen als schauspieleri
sche Figuren, repräsentativ und seelenlos. Verwandter,
als sie ihrem Wesen nach es sein sollte, wurde die
Malerei der Plastik. So ausschließlich gab sie sich den
greifbaren Dingen, der sichtbaren Welt hin. Meier-
Graefe hat in seinen polemischen Monographien
nachgewiesen, wie dürftig der malerische Sinn bei drei
so großen, repräsentativen Malern wie Menzel,
B ö c k 1 i n und Thom a ausgebildet ist. Der Impressio
nismus verfiel ins andere Extrem; es war eine Kunst des
raffiniert Handwerklichen, der Sachlichkeit, hart pour l'art.
In der jüngsten deutschen, oder besser gesagt, der
Berliner Kunst ist in dem viel umstrittenen Max
Beckmann ein Künstler erstanden, dessen Bilder
wie eine Synthese von Idee und malerischem Ausdruck
erscheinen. Er ist ein Darsteller dci starken geistigen
und seelischen Erlebnisse, ein Expressionist voll visio
närer Kraft, eine Mischung von Realismus und Ro
mantik. Mit ganzer Seele im Leben des modernen Berlin
wurzelnd, in seinem Rhythmus und seiner sozialen
Tragik, sind seine Bilder doch wie in einer heftigen
Ekstase empfangen, visionär und monumental.
Er gehört zu den Tragikern unter den Malern und
ist so sehr auf die Idee gerichtet, daß alles ihm zum Sym
bol wird, die einfachste Landschaft sowohl wie jedes
menschliche Geschehnis. Er malt den Tod und das
Sterben, die Primitivitäten und das Raffinement des Ge
fühls, den ewigen Liebeskampf und die großen seelischen
Erschütterungen. Das alles ist Weltbild, Weltanschauung.
Seine Porträts erzählen uns die letzten Geheimnisse der
Seele, von ihrer Einsamkeit und ihrem Individualleben.
Aber diese Werke sind keine blutleeren Abstraktionen,
nicht Ideen an sich, sondern Darstellungen mit den raffi
niertesten, zuweilen gesuchtesten malerischen Mitteln. Er
ist ein Dramatiker, aber er kennt und liebt das zarteste,
geheimnisvollste Leben von Lust und Licht, die Poesie
der rein sinnlichen Erscheinungen. Seine Angst vor der
Banalität des sinnfällig Schönen ist so groß, daß er oft
in das Häßliche, von Qual Verzerrte verfällt.
Diesem Künstler, der sein Letztes uns noch nicht
gesagt und in einem Läuterungsprozeß sich noch be
findet, widmet Hans Kaiser eine den Wurzeln seines
Schaffens nachgehende kritische Monographie,* deren
Darstellung wir hier folgen.
Die Entwicklung Beckmanns nimmt ihren Ausgang
von Weimar, wo er drei Jahre iang von Frithjoi S m i t h,
einem Norweger, sich im Handwerklichen der Malerei
unterweisen läßt. Mit 19 Jahren kommt der Niedersachse
nach Paris, wo Manet einen besonders starken Ein
druck auf ihn ausübt. Seiner eigenen Persönlichkeit wird
sich Beckmann aber erst in Berlin bewußt, das ent
scheidend für seine Entwicklung wurde. In dieser Stadt
der angespanntesten Energien, diesem Schauplatz voll
Brutalitäten, sozialer Tragik und krassester Gegensätze,
gewinnt der Künstler ein Element, das seinen Werken die
individuelle Physiognomie verleiht. Es ist, wie Kaiser
sagt, hier eine heroische Romantik des Lebens, gemischt
aus brausender Lebensfreude, besinnungslosem Fort
stünnen und dem ganzen Auf und Ab einer jäh entwickel
ten Weltstadt. Ihm entnimmt Beckmann seine Symbole,
die Grundfarbe seiner Stimmungen, die Bodenständig
keit, ohne zu einem Kopisten des Alltags zu w- r erden.
Sein erstes Berliner Bild, das in seiner Komposition
dekorativ und noch ein wenig abstrakt ist, findet unge-
* »M a x Beckmann« von Hans Kaiser (Berlin, Paul
Cassirer).
Fig. 2. Beckmann, Gesellschaft.