MAK
Nr. 12 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 179 
teilten Beifall, kündigt aber in seiner Abhängigkeit von 
Marees noch nicht das eigentliche künstlerische Wesen 
Beckmanns an. Es sind die »Jungen Männer am Meer«, 
eine Arbeit von erstaunlicher Sicherheit in allem Tech 
nischen. Der junge Künstler will alle Malweisen be 
herrschen, mit den Erscheinungen der Zeit sich ausein 
andersetzen. Dieser Lehrzeit und dem bloßen Experiment 
entwächst er mit dem »Drama«, das im Jahre 1906 ent 
steht und mit dem er auf heftigen Widerspruch stößt. 
Dieses in der höchsten Erregung gemalte Bild enthält 
bereits den ganzen Beckmann. »Das Entsetzliche und Ge 
heimnisvolle der menschlichen Tragödie, den Tod, ver 
sinnlicht die dramatische Leidenschaft dieses Werkes.« 
Diese Gekreuzigten sind mit ihrer letzten, furchtbaren 
Geste nicht ein Symbol des Todes Christi, sondern ein 
Ausdruck des größten menschlichen Schmerzes. Die 
»Sterbeszene« aber bedeutet einen Rückfall in platten 
Naturalismus, ja, ins Anekdotische, ln der Villa Ro- 
mana in Florenz malt er die »Schlacht« und eines seiner 
ergreifendsten Bilder: »Adam und Eva« (siehe Fig. 1). 
In einem leeren Zimmer, dessen graue Wände 
blühende Blumengewinde schmücken, sieht man die 
Menschenmutter kniend, das Antlitz wie in einem tiefen 
Schuldbewußtsein gesenkt, in ihrer Nähe Adam, das Ge 
sicht in die Hände vergraben: die Tragödie nach dem 
Sündenfall. 
Die »Unterhaltung«, mit der Beckmann zum ersten 
mal ein Gruppenbild aus dem modernen Gesellschafts 
leben bietet, ist charakteristisch für seine porträtistische 
Auffassung. In diesem Bilde vereinigt der Künstler 
Menschen, die ihm am nächsten stehen, seine Frau, ihre 
Mutter und die Schwägerin. Wundervoll ist hier nicht nur 
die fast dramatische Gruppierung und die noble malerische 
Pracht, sondern auch das, was diesem Werke den Wert 
eines menschlichen Dokuments verleiht. Beckmanns 
Porträtkunst bezeichnet Kaiser als »tragischen Indivi 
dualismus« und sagt, daß über allen seinen Bildnissen 
der geheimnisvolle Zug schwebt, der immer mit tiefer 
Menschlichkeit verbunden scheint. Wie einsam die 
Menschen auch im Beisammensein sind, das ist hier wie 
im »Selbstbildnis mit seiner Frau« und in noch voll 
endeterer Weise in der »Gesellschaft« (Fig. 2) ausge 
drückt. Auch hier finden wir J J orträts aus der Umgebung 
des Malers, ja, ihn selbst, seine Frau und seinen kleinen 
Sohn, aber jeder dieser in enger Gruppe vereinigten 
Menschen erscheint wie eine Welt für sich, rätselhaft und 
in einer unnachahmlichen Individualisierung jedes ein 
zelnen Zuges. Eine Stimmung von Traumhaftigkeit liegt 
über dem Ganzen, jenes Visionäre mitten im Realen, wie 
wir cs in den Dichtungen Dostojewskis finden. 
Das ist auch die Grundstimmung seiner Kom 
positionen, der »Auferstehung«, der »Beweinung«, 
der »Amazonenschlacht« und des »Unterganges von 
Messina« (Fig. 3). Da sind Menschen wie im 
letzten Akt einer Tragödie, in einem letzten Kampf, in 
einem Aufruhr der Instinkte in der italienischen Gasse 
zusammengedrängt, solche, die im Kampfe ums Dasein 
aneinander geraten, Verzweifelnde, Sterbende oder hoff 
nungslos ihrem Schicksal sich Ergebende. All diese Ge 
stalten haben die Monumentalität des Tragischen, aber 
auch persönlichstes Menschentum in der Art, wie sie auf 
das furchtbare Ereignis reagieren. In dieser Kunst ist 
kosmisches üefüh-l, eine Symbolik, die auch durch die 
Farbentöne, durch das ganze Milieu ausgedrückt wird. 
Leidenschaft und heroische Romantik, diese beiden 
sind nach Kaiser die Elemente der Beckmannschen 
Kunst. Die Sehnsucht nach einer großen dichterischen 
Auffassung, einer monumentalen Dramatik, sie erscheint 
in dem bei uns leider noch zu wenig gekannten Maler 
Max Beckmann erfüllt. 
Fig. 3. Beckmann, Untergang von Messina.
	        
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