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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 12
Die Frau als Bibliophilin.
In der Weltausstellung für Buchgewerbe und Graphik
in Leipzig, vulgo Bugra, wird zum erstenmal der Ver
such gemacht, die Tätigkeit der Frau als Sammlerin und
Bibliophilin zusammenfassend darzustellen.
Die Geschichte des Sammelwesens und der Biblio
philie der Frau ist ein bisher noch unerforschtes Gebiet.
Doch ist bekannt, daß es zu allen Zeiten schon Bücher
freundinnen und Sammlerinnen gegeben hat. In Frank
reich sind Margarethe von Valois, Katharina
und Maria von Medici und die Töchter Lud-
w i g s XIV. eifrige Förderinnen der Buchkunst gewesen.
Die Komtesse de Valois besaß eine Bibliothek von
18.000 Bänden. Margucritc d'A ngouleme, Maria
Antoinette und Madame L ä t i t i a, die Mutter
Napoleons, ließen ihre Bücher mit ihren Wappen oder
Initialen schmücken. Auch Diana von P o i t i e r s, Frau
von Maintenon und die Marquise von Pompa
dour waren kunstverständige Bücherfreundinnen.
Die Königinnen Katharina Parr und Maria die
Katholische von England besaßen Bibliotheken und
ließen ihre Bücher in Stickerei und Samt binden. Auch
von Königin Elisabeth sind solche Bände erhalten.
Von den Büchersammlerinnen der Neuzeit nennen wir
nur Mrs. R y l a n d s, die die Bibliothek ihres Gatten ver
vollständigen und ein Gebäude zu ihrer Unterbringung er
richten ließ, das sie mit Inhalt der Stadt Manchester
zum Geschenk machte.
Die polnische Königin J a d w i g a machte große
Aufwendungen, um die von ihrem Manne gestiftete Univer
sitätsbibliothek in Krakau, die berühmte Jageilona, bis
über ihren Tod hinaus zu dotieren. Sie soll außer reich
lichen Barmitteln ihren gesamten Schmuck zu diesem
Zwecke geopfert haben.
In Italien ist besonders Isabelle d’E s t e von
Mantua als Bücherfreundin berühmt.
Die Nachrichten über deutsche Büchersammlerinnen
fließen spärlicher und nur eine Ueberlieferung meldet, »daß
Eginhard oft genug seine E m rn a aus der Bibliothek
holen mußte«. Die im 12. Jahrhundert lebende Aebtissin
Herrad von Landsberg hinterließ in ihrem »Hortus
deliciarum« ein unschätzbares Dokument zur Geschichte
der Wissenschaften, Literatur, Kunst, Kleidung, Waffen
und Sitten des Mittelalters.
Eine Erscheinung wie Kaiser Maximilian, den
Fürsten unter den Bücherfreunden überhaupt, der eine
Blüte des Buchdruckes hervorrief, die noch jetzt uner
reicht ist, 'haben die Frauen in Deutschlan 1 nicht aufzu
weisen. Ebensowenig kennen wir eine Frau, die ein so
vorbildliches Büchersammeln betätigt iiat, wie Fried
rich der Große. Aber auch seine Schwestern haben
ihre Bücher geschätzt und ihnen ein untadeliges Gewand
gegeben, wie die in Holland erworbenen Bände der Prin
zessin Wilhelmine beweisen. Die Frauen zur Zeit
Anna A m a 1 i a s von Weimar, sowie diese selbst
haben die Werke ihrer berühmten Zeitgenossen ge
sammelt, und Königin Luise von Preußen hat ihre
Bücher mit guten Lederbänden versehen lassen. Ferner
ist die österreichische Fürstin MarieLuise, die zweite
Gemahlin Napoleons, zu nennen, die später als Her
zogin von Parma dieser Stadt einen prächtigen Biblio
theksraum geschaffen hat, in dem heute noch ihre
Büste steht.
Unter den Fürstinnen unserer Tage ist Carmen
Sylva, die Königin Elisabeth von Rumänien,
als kenntnisreiche und kunstverständige Sammlerin
bekannt.
Von Frauen der Gegenwart, die sich durch großartige
Bibliotheken auszeichnen, nennen wir Frau Professor
Lilli Behrens in Neubabelsberg bei Berlin, Frau Edith
H a n i e 1 in Merzig an der Saale, Frau Paula Hirsch
in Frankfurt a. M., Frau Helene Kraus in Berlin, Fräu
lein Elfriede R a i t h c 1 in Longville bei Metz, Fräulein
Dr. Sascha Schwabacher in Frankfurt a. M., Fräu
lein Anna Simons in London, Frau Regierungsrat
Snethlage in Coblenz am Rhein, Frau Paul Rosen
bacher in Hamburg, Frau Paula Steiner in Prag,
Frau Elisabeth Wolff-Mer ck in Leipzig, Frau
Else Thormählen in Köln-Lindenthal, Frau Ida
S c h o e 11 e r in Düren, Frau Marie König in Leipzig
und Frau Martha von Z o b e 11 i t z in Berlin.
Der Kunstdiplomat
Zuin Tode des Mr. Charles Davis.
In Gloucester-Place bei London ist dieser Tage
Mr. Charles Davis, königlicher Kunstexperte und Kunst
schätzer von beispiellosen Qualitäten und profundem Wissen,
gestorben. Obwohl er nur ein Alter von 65 Jahren erreicht
hat, ist doch die ganze so überaus betriebsame englische Kunst
politik der letzten vier Jahrzehnte fast allein von Davis be
sorgt worden. Schon sein Vater, Frederic Davis, war der
Mittelsmann beii großen kunsthändlerischen Affären und der
Vertrauensmann des Hauses Rothschild und des be
rühmten Kunstsammlers Lord H e r t f o r d. Charles erbte die
speziellen Fähigkeiten, die ein »Kunstdiplomat«, wie man ihn
später nannte, braucht, er war kaum sechzehn Jahre alt,
als er im Aufträge des Erben Lord Hertfords, des später
weltberiihmt gewordenen Sammlers Sir Richard Wallace,
nach Rußland fuhr, um dort Sammlungen zu besichtigen und
Kunstschätze anzukaufen. Dies war der Beginn einer lebens
langen, innigen Verbindung mit den großen Mächten des
englischen Kunsthandels.
Eine seiner ersten Errungenschaften war die Erwerbung
des historischen Schreibtisches von Dubois samt Tintenfaß
und Mappe, auf dem der Friede von Tilsit im Jahre 1807 unter
zeichnet worden war. Er erstand diesen Tisch vom Grafen
Bezborodko für Sir Richard Watlace. Ebenso gelang es
ihm, für Sir Richard drei beispiellos schöne, unermeßlich wert
volle Sevresvasen aus einem alten Schlosse in Montpellier
zu erringen. Als im Jahre 1874 das Gebäude in Knights-
bridge, in dem die Wallace-Schätze damals ruhten, ab
brannte, leitete Davis mit imponierender Kaltblütigkeit die
Entfernung der Sammlungen. Seine Ruhe und Besonnen
heit kam einmal während des Deutsch-Französischen Krieges in
köstlicher Weise zum Ausdruck. Davis befand sich auf einer
Tour durch Frankreich und war abends todmüde in Dijon