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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 13
kommt er ilnm in Frische der Auffassung und flotter Be
handlung sogar gleich. De Keyser hat vollendetere und
anziehendere Bilder wie diese nicht gemalt.
In einer Sammlung wie der Oppenheimschen durfte
auch Rembrandt nicht fehlen. Der Studienkopf eines
jungen Mädchens ist ein Werk der Fünfzigerjahre, einer
Epoche des Künstlers, der jetzt vor allen anderen der
Vorzug gegeben wird. Die reiche Färbung, der leuchtende
Ton, die tiefe Empfindung zeichnen sie vor allem aus.
Die großen Genremaler sind fast vollständig vorhanden.
Gerard Ter Borchs »Zechendes Pärchen« besitzt in
hohem Maße die delikate Zeichnung und leuchtende Fär
bung, worin der Künstler alle anderen Meister Hollands
übertrifft. Jan Steens »Versuchung« kennzeichnet den
ihm eigenen köstlichen Humor. Die »Drei Zecher« von
Adrian van O stade, zwar von bescheidenem Umfang,
zählen zu den besten Arbeiten des Künstlers, durch den
warmen Ton bei reicher Färbung und ungewöhnlich
guter Charakteristik. Das Hauptwerk unter den sitten
bildlichen Darstellungen ist aber die »Mutter mit ihren
Kindern« von Pieter de Hooch. Es gehört der früheren,
seltenen Zeit des Künstlers an; die Jahreszahl 1658 neben
dem Monogramm auf dem Bilde beweist, daß es gleich
zeitig mit Hoochs Meisterwerken in der National Gallery,
in Buckingham-Palace mit anderen ähnlichen Haupt
werken entstanden ist. Am nächsten steht es dem Bilde
mit einem ganz ähnlichen Motiv im Rycks-Muscum zu
Amsterdam, mit dem es auch den warmen, noch an Maes
erinnernden Ton und die leuchtenden roten Farben ge
mein hat.
Als große Seltenheit sei auch ein zwar kleines, aber
sehr eigenartiges Meisterwerk von Paulus P o 11 c r ge
nannt, die »Schweineherde im Sturm«, das den Künstler
auch als Meister in der dramatischen Darstellung der
Tiere kennen lehrt. Es ist ungewöhnlich breit und effekt
voll behandelt. Eine kleine Landschaft mit Kühen von
Albert C u i j p zeigt die Tiere vor glühend warmem
Abendhimmel.
Unter den großen Landschaftsmalern Hollands fehlt
keiner. Von Jakob van R u i s d a e 1 ist die »Buchenallee«,
eines der selteneren einfachen Motive seiner holländi
schen Heimat, die der Künstler aber ebenso wahr wie
reizvoll zur Darstellung bringt. Von Mcindert H o b-
b e m a besitzt die Sammlung sogar zwei treffliche Ge
mälde: »Die Wassermühle« und das umfangreichere
»Dorf unter Bäumen«, beide aus den Sec'hzigerjahren, in
denen er seine ebenso seltenen wie ausgezeichneten
Werke der National-Gallery und im Louvre gemalt hat.
»Die Bleiche bei Haarlem«, nach der Bezeichnung ein
Werk des Jan van Kessel, kommt den bekannten
Bildern Jakob Ruisdaels mit dem gleichen Motiv ganz
nahe. Der große »Winter« von Aart van der Neer ist
von ungewöhnlicher Breite der Behandlung und sehr
eigenartig und wirkungsvoll dadurch, daß die Landschaft
durch die dicht fallenden Flocken gesehen ist. Das kleine,
flott hingestrichene Interieur der »Schmiede« ist ein
Unikum als Motiv, das wir als Werk des Aart van der
Neer nicht erraten würden, trüge es nicht das echte
Monogramm des Meisters. Das Bild beweist, daß das
Talent des feinsinnigen Künstlers, den man mit Unrecht
nur als Spezialisten für Winter- und Mondlandschaften
betrachtet, jedem Motiv gewachsen war. Offenbar
waren cs auch hier die verschiedenen Lichteffekte, die
ihn zu der Darstellung reizten, ihre Wiedergabe ist i'hrn
trefflich gelungen.
Noch sind ein paar Porträte zu nennen; das
lebensvolle Bildnis einer alten Dame von Cornelisz
Verspronck, Hals’ tüchtigstem Nachfolger unter den
Porträtmalern, sowie ein sehr wirkungsvolles Porträt
eines jungen Herrn in reicher Tracht, das wegen seiner
großen schlichten Wirkung dem Velasquez zuge
schrieben wird. In der Tat wird man vor diesem statt
lichen Bildnis in ganzer Figur sofort an ähnliche Porträte
aus Velasquez’ früherer Zeit, an die Bildnisse des Oli-
varez und das seines jungen Königs, erinnert. Ist der
tüchtige Künstler ein Spanier oder war er ein Flame,
der vorübergehend in Madrid lebte und dort — um das
Jahr 1630, in das wir das Bild zu setzen haben — den
Einfluß von Velasquez erfuhr?
Außer den genannten sind noch andere ungewöhn
lich gute Bilder in der Sammlung, deren Aufzählung hier
zu weit führen würde.
Kunstwerke aus Schlössern Schleswig-Holsteins.
Aus Altona wird uns geschrieben:
Unter den Veranstaltungen, mit denen Altona sein
250jähriges Stadtjubiläum begeht, ist die soeben eröffnete Aus
stellung von Kunstgegenständen aus dem Besitz schleswig
holsteinischen Adels von besonderem Reize.
Es war ein glücklicher Gedanke, einmal zu zeigen, welchen
Anteil die Ritterschaft der schleswig-holsteinischen meerum
schlungenen Herzogtümer am Kunst- und Kulturleben ihrer Zeit
hatte, wie sie, fern von der Kultur der Städte, in ihren Schlös
sern und Herrenhäusern alle ästhetischen Stile oachlebte, deren
Ausgangspunkt die großen Fürstenhöfe waren. So ist diese Aus
stellung, die im schönen, alten Donnerschen Schloß am Altonaer
Elbabhang gezeigt wird, gewissermaßen ein Abriß der Stilge
schichte aus den letzten drei Jahrhunderten. Von einer indi
viduellen Kunstpflege ist nicht viel zu spüren, und von einer
spezifisch schleswig-holsteinischen Kultur noch weniger. Die
schiewig-holsteinischen Edlen, die für Kampf und Kampfspiel,
für Männertrunk und Frauengunst — so manche Liliencronsche
Ballade berichtet uns davon — empfänglicher waren als für
die Reize eines Lebens in Kunst und Aesthetik, nahmen das
Gute, wo es sich ihnen bot oder wie es ihnen von fürstlichen
und königlichen Freunden geschenkt wurde. Die Gemälde sind
fast ausschließlich Familienporträts, und da sich unter den
Malern nur selten ein bekannter Name findet (die meisten
Bilder sind unbezeichnet), so ist ihr Familienwert größer
als ihre künstlerische Bedeutung. Ein paar Bilder allgemein
künstlerischen Inhalts aus der flämischen Schule und ein
Bildnis Karls V. von der Hand Lukas Cranachs — Kaiser
Ferdinand I. schenkte es dem vortrefflichen und weit über seine
Zeit hinaus berühmten Statthalter Heinrich v. Rantzau
(16. Jahrhundert) — fallen als besondere und wertvolle Rari
täten auf.
Das weitaus größte Interesse beanspruchen die sehr zahl
reichen Möbel und Edelmetallarbeiten, unter denen
sich Kostbarkeiten von feinsten und seltensten Kunst- und
Materialreizen befinden. Beispiele aller Stile sind vertreten, am
stärksten Barock, Rokoko und Empire. Man sieht wundervolles
Tafelgerät aus ersten Pariser und Augsburger Goldschmiede-