Nr. 13
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Aus einem literarischen Handschriftenalbum.
Von G. Lngelsmann (Wien).
»Meine Tage sind gezählt, das Leben kurz, die Stamm
bücher gehen aber ins Unendliche! Gott sei allen armen Schrift
stellern gnädig!«
Prag, im März 1839.
Im Jahre 1874 veröifentliche H. J. Landau unter
dem Titel »Stammbuchblätter«, »Erinnerungen aus
meinem Leben«, ein als »Manuskript« gedrucktes Buch,
welches nebst manchen interessanten persönlichen Er
lebnissen eine ungemein stattliche Anzahl von Stamm
buchblättern enthielt, die mit Unterschriften berühmter
Namen geschmückt waren. Das heißt, einst waren sie
alle berühmt, aber heute gehören schon viele von ihnen
zu den Vergessenen, wie H. J. Landau selbst.
Landau war ein Original, als Mensch vielleicht
origineller denn als Schriftsteller, was sich auch darin
äußerte, daß er seine Bücher selbst zum Verkaufe
brachte. Aber er war ein liebenswürdiger, bescheidener
Mann, der überall Freunde gewann, wohin er kam, und
selbst jenen willkommen war, die da wußten, daß sie
ihm ihren Tribut in Form eines Autographs für sein
Stammbuch würden leisten müssen. Landau sammelte
mit einer wahren Leidenschaft die Beiträge für sein
Stammbuch und er erzählt selbst in anziehender Weise,
wie diese Passion bei ihm entstand und wie andere ihr
— frönen mußten.
In Prag, wo er seine Karriere als Rezensent be
gann, hat Landau 1839 sein »Album« begonnen und im
Laufe der Jahre schwoll es zu einem mehrere Hunderte
Seiten umfassenden Buche an, das er anläßlich seines
61. üeburastages im Jahre 1874 drucken ließ. Wir greifen
aufs Geratewohl eine Reihe von Inschriften aus dem
selben heraus, die teils durch ihren Inhalt, teils durch
den Namen des Autors Anspruch darauf erheben können,
auch heute noch gelesen zu werden:
Landau Worte ins Stammbuch, die deutlich zeigen, wie
hoch er von Kunst und Künstlern dachte:
»Der Künstler ist der Märtyrer der Kunst, aber seine
Thaten sind der Segen Gottes auf Erden.«
Prag, 20. Febr. 1841.
Zur freundlichen Erinnerung von
Oie B. Bull.
»Dieses Stammbuc'hblatt«, bekennt Landau, »bildete
den ersten Grundstein zu meinem heutigen reichhaltigen,
mir unschätzbaren Handschriftenalbum.« In der Tat
würde dieses Album heute nicht nur in dem Sinne, in
dem es der arme Schriftsteller ineinte, einen »unschätz
baren« Wert repräsentieren, denn es würde mit seinen
Beiträgen von den größten Schriftstellern, Dichtern und
Musikern seiner Zeit, von den Autographensammlern
mit Gold aufgewogen werden.
Im Jahre 1844 ging Landau nach Wien. Fr hielt
dort humoristische Vorlesungen, machte die Bekannt
schaft der literarischen und künstlerischen Berühmt
heiten, die zu jener Zeit nicht so dicht gesät in Wien
waren, und begnügte sich nicht damit, von ihnen freund
liche Worte mündlich zu hören. Sie gaben sic ihm auch
schriftlich für sein Album. Eine merkwürdige Er
scheinung mag F. Hausner gewesen sein, der damals
zu den geistvollsten Musikkritikern Wiens zählte, ob
wohl er stocktaub war. Er muß wohl eine scharfe Feder
geführt haben, nach den Zeilen zu schließen, die er
Landau widmete:
»Ich gebe dir hier Schwarz auf Weiß,
Daß ich Jakobus Hausner heiß.
Viel hab' ich zu thun mit Kunstgeschmeiß,
Dasj Gute lob’, das Schlechte reiß’.
Ob's von der Seine kommt oder Theiß.
Wien, 23. Febr. 1845.«
Eine vergessene Größe ist Oie B. B u 11, dessen Vir
tuosenberühmtheit einst die Welt erfüllte. Er schrieb
Fig. 4. Liebermann, Knaben auf Geländer.
Im Jahre 1842 kam Serval, der sich später den
Namen des »Alleinherrschers des Cello« erspielte, nach
Prag. Sein erstes Konzert deckte kaum die Kosten, es
waren nur wenig Hörer erschienen, die vornehmsten Mit
glieder der Aristokratie. Servai wollte seine Koffer packen
und abreisen; Fürst Kamillo Roh an überredete ihn, zu
bleiben und die angesagten Konzerte zu absolvieren.
Diese waren in der Tat dann überfüllt. Landau erhielt
folgende, wohl scherzhaft gemeinte Zeilen von dem
großen Musiker: