Nr. 15
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 229
Siebenjährigen Krieg mußte man ihm immer wieder neue
Werke nachsenden. Aus den noch unveröffentlichten Briefen
seines Vorlesers de C a 11 läßt sich das nachweisen. So liest
er zum Beispiel mit großem Eifer die 40 Bände Kirchen
geschichte von Eleury durch, und während des Bayerischen
Erbfolgekrieges vertreibt er sich in S i 1 b e r b e r g den ganzen
Tag mit Lektüre, so daß er unter anderem täglich einen Band
der Römischen Revolutionen von Vertot. »verzehrt«. Dabei
liest er sehr genau, macht das Gelesene durch umfangreiche
Auszüge, durch wiederholte Lektüre und Besprechungen zu
seinem geistigen Eigentum; er liest mit großer persönlicher
Anteilnahme und bisweilen mit solcher innerer Erregung, daß
Bücher sind in rotes Maroquinleder mit Goldschnitt gebunden.
Der sonst so sparsame Herrscher hat für seine Bibliotheken
große Aufwendungen gemacht; die sich aus den Schatullen
rechnungen ergebenden Gesamtsummen von 20.963 Talern
11 Groschen für Anschaffung und 13.003 Talern 22 Groschen
für Einbinden der Bücher geben noch kein vollständiges Bild
von seinen Ausgaben; doch hat der alte Fritz viele Bücher an
die königliche Bibliothek abgegeben oder sonst verschenkt.
Von den verschiedenen Buchhändlern, von denen er neben
seinen literarischen Agenten die Bücher bezog, ist er bis ans
Lebensende nur einem, Pitra, treu geblieben; die anderen
bekamen wegen zu hoher Preise keine Aufträge mehr. Aus
Fig. 3. Aus der Werkstatt Michael Pachers.
er zu Tränen gerührt wird. Besonders bei Racine muß der
Vorleser öfters aufhören. »Ich kann nicht weiter,« sagt er,
»dieser Racine zerreißt mir das Herz.« Eine besondere Eigen
tümlichkeit des alten Fritz war das Auswendiglernen großer
Stellen, ja ganzer Bücher.
Auf seinen Reisen im Wagen memoriert er lange Stellen
aus den antiken Klassikern und den französischen Tragikern,
um sic sich zu eigen zu machen, und findet darin große Freude
und Befriedigung. Manchmal freilich »stuckert« der Wagen so,
daß er nicht einmal lesen kann. Folianten und dickleibige
Bücher konnte er nicht leiden, er beschuldigte die Deutschen
der Geschmacklosigkeit, weil sie so riesige Wälzer produ
zierten, und zog handliche Oktavausgaben allen anderen vor.
Auf Einbände legte er großen Wert; die meisten seiner
den eigenhändigen Bestellzetteln, die der alte Fritz nach Berlin
schickte, ersieht man, welch hohen Wert er auf bestimmte
Ausgaben legte. Als ihm Pitra zum Beispiel eine im D e c k e r-
schen Verlage erschienene Ausgabe der Akademi’ka von
Cicero schickt, schreibt er entrüstet zurück: »Wenn ich die
Akademikcn von Cicero verlange, so meine ich damit die Aus
gabe von Durand und durchaus nicht die des alten Schwätzers
Castilion.«
Ein anderes Mal will er einen Polybius haben, erhält die
sechsbändige von Folard kommentierte Ausgabe, von der er
bereits 1753 selbst einen Auszug hat drucken lassen, und ant
wortet ungehalten: »Wenn ich von Herrn Pitra Polybius ver
lange, dann will ich nicht den Polybius von Folard, den ich
sehr gut kenne; wenn er mich in Zukunft nicht besser bedient,