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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 2
durch fast klassische Reinheit der Linien und wunder
bare Feinheit der Farben wirkt es ganz anders, als die
sonst bekannten Millets. Pissarro zeigt sich in Nr. 2
»Wald« sichtlich von Courbet beeinflußt (von dem übri
gens eine schöne »Juralandschaft« zu sehen ist), während
sein »Rauhreif« mit hellen Farben und herber Luft ver
blüffend pastös ist. Die Degasschen Studien fallen sehr ab.
Auch die Galerie Ar not bringt moderne Fran
zosen, vielfach dieselben Meister wie Miethke; durch
die Unterstreichung des Programmatischen aber, die sie
in letzter Zeit allgemein zeigte, erzielt sie kein gutes
Niveau. Außer mehreren Courbets und Monets, einer
»Femme couchee« von Renoir und einem sehr flotten
Interieur von Vuillard sind nur noch Sisley mit einer
»Allee«, Thaulow mit einer Landschaft und Richet mit
einem »Herbstlichen Wald« . zu . erwähnen, während
Degas und besonders van Gogh und Gaugoin letzterer
auch mit zwei unmöglichen Holzskulpturen — höchstens
vom kunstgeschichtlichen Standpunkt aus interessieren
können.
Die Vereinigung bildender Künstlerin
nen Oesterreichs hat bisher noch bei jeder ihrer
Ausstellungen mindestens einen güten Durchschnitt auf
gewiesen, was in unserer Zeit der künstlerischen Ver
irrungen nicht wenig bedeutet. Die besten Stücke sind
diesmal die Radierungen von Marie Ressel, die feinen
Zeichnungen von Milde Pollak-Kotanyi, eine Radierung
»Rouen« von T. Kasimir-Hoernes, deren sich der
Meisterradierer Luigi Kasimir nicht zu schämen
braucht, und die Oelporträts der schon vorteilhaft be
kannten Johanna Freund im Miniaturen- und größeren
Format. Marianne Hitschmahn-Steinberger zeigt in einer
Radierung viel Feinheit und Grazie, in der I ernpera
»Welle«, die einen famos gezeichneten kleinen Akt ent
hält, geschmackvolle Erfindung. Auch die Damen Weber,
Leuze-Hirschfcld, Kupelwieser, v. Lerch, Murad-
Michalkowski und Baronin Krauß verdienen lobende Er
wähnung. Eine Plastik »Vorfrühling« von Hilda Fitikcs
ist durch feine Auffassung bemerkbar. Das Wiener
Kunstgewerbe ist durch die Keramiken und kunstgewerb
lichen Arbeiten von R. Fuchs, Helene Jo'hnovä und J.
Meier-Michel vorteilhaft vertreten, welch letztere auch
in einer Bronze »Waldmädchen« ein Kabinettstück der
Kleinplastik geschaffen hat.
Wenn man nach dem Anfang schon voreilig eine
künstlerische Halbmonatsbilanz für Wien ziehen will, so
braucht man dem Kunstjahr kein ungünstiges Horoskop
zu stellen. Wir wollen sehen, was für Vorstöße die Hyper
moderne heuer macht, in deren Dienst sich Miethke,
Arnot und Heller gestellt haben. Letzterer hat eine
Ausstellung Alfred Kubin angekündigt. Auch der
Hagenbund, der, seitdem er durch den Wiener Ge
meinderat heimatlos geworden ist, im Künstlerhausc
Gastfreundschaft genießt, steht in der vordersten
Phalanx und wird wohl in der Frühjahrsausstellung am
Karlsplatz wieder zum Wort gelangen. Wir stehen noch
mitten in den Gärungen; hoffentlich wird auch die
Klärung nicht ausbleiben.
Die „Anbetung der Könige“ von Hugo van der Goes.
In aller Stille ist am zweiten Weihnachtstage in Berlin
jenes Meisterwerk des Hugo van der Go e s eingetroffen, das der
Spürsinn und die Beharrlichkeit der deutschen Kunstforschung
aus seiner Haft im spanischen Kloster M o n f o r t e befreit hat.
Nun ist »Die Anbetung der Könige« im Ecksaale des Kaiser
Friedrich-Museums ausgestellt, wo sie die gerechte
Bewunderung aller Kunstkenner findet.
Eine seltsame Künstlergestalt ist der Schöpfer dieses
Meisterwerkes. Hugo van der Goes. Sein genaues Geburtsjahr
ist uns nicht bekannt; er war wahrscheinlich ein Genter Kind
und entstammte einer Familie, in der die edle Kunst der Malerei
erblich zu Hause war. Vieles an seinen Lebensumständen ist uns
dunkel, auch seinen Lehrmeister kennen wir nicht, aber im Jahre
1468 war der junge Maler bereits angesehen, und als damals
in Brügge die feierliche Einholung der jungen Braut Karls des
Kühnen Gelegenheit zu einem glänzenden Feste gab, da wirkte
er an der malerischen Dekoration der Straßen und Gebäude mit.
Auch für die bald nachfolgende Vermählungsfeier des Herzogs
mit der Prinzeß Margaretha von York fand Meister Hugo bei der
Anfertigung ähnlicher »entremets« Beschäftigung, und er stand
bereits auf dem Höhepunkte seiner Kunst, als er um das Jahr
1470 für den Florentiner Tonunaso Portinari, den Chef der
Briigger Filiale des Bankhauses Medici, jenes weltberühmte
Altarwerk schuf, das für das Hospital der Kirche S. Maria Novella
in Florenz bestimmt war, heute aber eine der großen Zierden
der dortigen Uffiziengalerie bildet.
Bis dahin sind die Nachrichten über den Meister »Hugo von
Antwerpen«, wie ihn Vasari nennt, spärlich genug und ohne be
sonderen Charakter. Jetzt aber beginnt, was wir den Künstler
roman des van der Goes nennen können. Vielleicht spann dieser
Roman sich im Hause des Jacob W e y t e n s an der Muyder-
brixeke zu Gent an. Dort malte der Künstler über einem Kamine
ein Wandbild in Oeifarben. das die Begegnung der klugen Abi-
gail mit König David darstellte. Vielleicht hat im König David
Hugo sich selbst abkonterfeit, und eine der Frauengestalten des
Bildes stellte das Töchterlein des Hausherrn dar; denn Hugo
freite damals um sie. wie uns überliefert wird, war es
Cupido, der ihm bei diesem leider verlorenen, als Meisterwerk
berühmten Bilde den Pinsel führte. Was weiter geschah — wir
wissen es nicht; wir können es nur raten. Vielleicht war der
Ausgang der Liebe des Meisters zu Jouifrouw Wcytens unglück
lich, vielleicht war dies der Grund, daß Hugo der Welt entsagte.
Er zog sich in das Kloster der Augustiner Chorherren Rooden-
daale bei Auderghem im Walde von Soignies zurück. Freilich,
sein Ruf war bereits schon so groß, daß ihn die Vornehmen der
Welt auch in seiner Zurückgezogenheit besuchten. Der Bruder
Hugo bekam öfters hohen Besuch, und selbst Erzherzog Maxi
milian und seine Gemahlin Maria von Burgund sprachen
im Kloster vor, um ihn zur Lieferung eines Werkes von seiner
kunstfertigen Hand zu bewegen.
Der Prior Thomas van Vossem wußte gar wohl, daß
dieser Frater nicht von der gemeinen Art war, gönnte ihm
manche Freiheit und erlaubte ihm insbesondere, wenn er feinen
Besuch bekam, mit den Gästen im Laienrefektorium zu speisen.
Das bekam aber dem Bruder Hugo gar nicht gut, denn er war
ein großer Freund des Weines und trank bei solchen Gelegen
heiten mehr, als ihm bekömmlich war. So vergingen einige Jahre,
als, wohl im Anfänge der Achtzigerjahre, die furchtbare Kata
strophe eintrat. Er war auf einer Rückreise von Köln her be
griffen, als ihn plötzlich eine tiefe Melancholie in ihren schwarzen
Mantel schlug. Er verzweifelte an seinem Seelenheile, hielt sich
für einen ewig Verlorenen, und sein armer Geist ängstigte sich