MAK
Nr. 3 
I n t e r n a t i o n a 1 e S a m m 1 e r - Z e i t u n g. 
Seite 39 
Siebenbürgische Türkenteppiche. 
Von Dr, Viktor Roth (Budapest). 
Im großen Saale des Landes-Kunstgewerbemuseums ist 
soeben die Ausstellung siebenbürgischer Kirchenteppiche er 
öffnet. Dreihuiidertundzwölf Stück dieser kostbaren Erzeug 
nisse der Knüpfteppich sind hier zu einer Schau vereinigt 
worden, die nicht nur bei Teppichliebhabern und Sammlern, 
sondern aucli bei allen Kunstfreunden einen nachhaltigen Ein 
druck hinterlassen wird. Die Ausstellung hat beinahe aus 
schließlich siebenbürgische Kirchenteppiche zusammengetragen, 
wobei daran erinnert werden darf, daß diese Teppiche weder 
in Siebenbürgen erzeugt noch für Kirchen bestimmt worden 
waren. Es sind Teppiche, die zum größten Teile anatolischer 
Herkunft sind und vom sechzehnten Jahrhundert angefangen 
als Handelsware nach Siebenbürgen gelangten. Hier wurden 
sie von Privaten und Körperschaften, hauptsächlich von den 
Zünften erworben und vornehmlich zum Schmuck der Sitz,' 
Plätze in den Kirchen verwendet. Ihre heutige Benennung ist 
lediglich eine Händlerbezeichnung. Natürlich geschah der Export 
von Teppichen aus der asiatischen Türkei nicht nur nach Sieben 
bürgen, dessen Städte Brasso und Nagyszeben der weiteren 
Versendung als Stützpunkte und Stapelplätze dienten, wie wir 
das aus den alten Zwanzigstrechnungen erfahren; daß sich 
aber gerade in Siebenbürgen verhältnismäßig so viele dieser 
Teppiche erhalten haben, hängt mit der Art der Kultur, vor 
allem mit der festen Verbindung von Volk und Kirche, der 
Organisation des Handels in Zünfte, dem geschlossenen Zu 
schnitt des sächsischen Lebens überhaupt zusammen. 
Schon ein weniger geübtes Auge wird bei einem dang 
durch die Ausstellung wahrnehmen, daß sich unter dem ge 
brauchten Sammelnamen sehr verschiedene Typen vereinigen. 
Wir finden hier die große Gruppe der Gebetsteppiche, leicht er 
kenntlich an dem die Form einer Türöffnung aufweisenden 
Fond, dein sogenannten »Mihrab«, der Gebetsnische, ferner 
Säulenteppiche, dann die Sorten Kutah, Ladik und Usehak, 
dazu ausgesprochene Türken und Armenier, Die Technik, in 
der diese Arbeiten hergestellt sind, ist die der Knüpfarbeit, 
wobei die Art des Knotens für die Bestimmung der Herkunft 
insoweit maßgebend ist, als der »kleinasiatische Knoten« von 
dem »persischen Knoten« zu unterscheiden ist. Gewebte 
Stücke, die man Karaman oder Küims heißt, sind unter den 
alten sieberrbürgischen Teppichen nicht zu finden, woraus ge 
folgert werden darf, daß sie zu der Zeit der regen Handels 
beziehungen mit dem türkischen Orient im sechzehnten und 
siebzehnten Jahrhundert noch nicht importiert worden sind. 
Die Bedeutung, die unserer Ausstellung zukommt, kann 
daraus beurteilt werden, daß zum erstenmal der Versuch ge 
macht worden ist, ein engeres Gebiet der unabsehbaren großen 
orientalischen Textilkunst in übersichtlicher Nebeneinander 
stellung ihrer charakteristischen Denkmäler festzuhalten. Diese 
Bedeutung gewinnt an Gewicht, da sicli in der Ausstellung nur 
antike Stücke befinden. Im allgemeinen rechnet man schon 
Teppiche aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zu 
den antiken Teppichen, man kann daher leicht ermessen, 
welche Wichtigkeit für die Kenntnis der Geschichte des orien 
talischen Teppichs der Veranstaltung des Landes-Kunstge- 
werbemuseums zukommt. wenn hier mit wenigen Ausnahmen 
nur Erzeugnisse des sechzehnten und des siebzehnten Jahr 
hunderts Aufnahme gefunden haben. Was man bisher über 
alte kleiuasiatische Teppiche gewußt, stützte sich lediglich auf 
■wenige Stücke und mußte deshalb zu Urteilen verleiten, die im 
einzelnen sehr der Richtigstellung bedürfen. Für die allgemeine 
Teppichkunde des Morgenlandes bedeutet deshalb unsere 
Ausstellung einen bleibenden Schritt nach vorwärts und für 
die wissenschaftliche Aufarbeitung des umfangreichen Materials 
hat sie fiir die Zukunft faßbare Handhaben geliefert. 
Und noch auf eines muß nachdrücklich hingewiesen 
werden: der Bedarf an »Perserteppichen« ist ins Ungeheuere 
gestiegen. Kein Wunder deshalb, daß sich das kaufmännische 
Talent der Orientalen, diese Tatsache zunutze gemacht hat 
und daß gegenwärtig zu vielen Tausenden Teppiche erzeugt 
werden, die bei ihrer fabriksmäßigen Herstellung mit der alten 
bodenständigen Volkskunst wenig, oft nichts mehr gemein hat. 
Die Verwendung unechter Farben, die Aufarbeitung euro 
päischer Motive, die künstliche Patinierung durch Beizen und 
andere Hilfsmittel, die willkürliche Benennung von Stücken, 
die aus Anstalten hervorgegangen sind, die von Europäern 
geleitet werden, dazu der Umstand, daß persische, ja selbst 
indische Strafhäuser ihre Insassen zur Erzeugung von 
Teppichen heranziehen, das alles hat den Markt mit einer Un 
menge künstlerisch wertloser Ware überschwemmt. Gute, alte 
Stücke sind heute für den mit Glücksgütern nicht übermäßig 
gesegneten Käufer unerschwinglich geworden und selbst 
solide Teppichhändler haben gegenwärtig schwere Mühe, 
unter der Fülle des Anbotes wirklich Brauchbares aufzutreiben. 
Immerhin kommen aus dem Orient noch immer schöne, mit 
guten Vorwürfen und unverfälschten Farben ausgestattete 
Teppiche nach Europa herüber, und es bedarf nur eines geübten 
Blickes, einiger Kenntnisse, am besten des Beistandes eines 
uninteressierten Sachverständigen, um in den Besitz eines 
wirklich echten Teppichs zu gelangen. Man halte sich nur vor 
Augen, daß nicht jedes Stück, das aus dem Orient stammt, auch 
echt ist, selbst wenn es von Persern oder anderen Bewohnern 
des westlichen Asiens erzeugt worden ist. Sehen können 
schützt auch hier vor Uebervorteilung und Schaden, und aus 
diesem Grunde gebührt gerade unserer Ausstellung alle Be 
achtung. Denn hier kann man einmal von Stück zu Stück be 
trachten, worin der eigentliche Wert der hochentwichelten 
morgenländischen Textilvolkskunst bestellt. Von welchem 
Gesichtspunkte immer man die einzelnen Stücke ansieht, ob 
man den ungemein fein ausgebildeten koloristischen Geschmack 
in der Zusammensetzung der Farben, der Reinheit der Motive, 
die gesunde Phantasie in der wunderbar sicher gehandhabten 
Stilisierung, die Gediegenheit der technischen Ausführung im 
Auge behält, immer wird man einem überaus tiefgehenden 
künstlerischen Empfinden begegnen, wie man es nur in einer 
Kultur vorfindet, die sich auf den,sicheren Traditionen vieler 
Jahrhunderte aufbaut. Es ist deshalb nicht überraschend, daß 
der älteste bisher bekanntgewordene orientalische Teppich 
— er befindet sich im Besitz des Mcchitaristen-Ordenspriesters 
Dr. Kalemkiar in Wien und stammt aus dem Jahre 1202 unserer 
Zeitrechnung — eine überzeugende Achnlichkeit und Ver 
wandtschaft mit den anatolischen, in sächsischen Kirchen 
Siebenbürgens in zahlreichen Exemplaren aufbewahrten 
Säulen-Gebetsteppichen aufweist. Das ist ganz natürlich, weil 
dieser geschichtlich unermeßlich wertvolle Teppich aus dem 
gleichen Ursprungsland, Kleinasien, hervorgegangen ist. Welche 
Zähigkeit und welche Lebenskraft muß in den Motiven und 
Vorwürfen herrschen, wenn sie sich mit einer so wunderbaren 
Treue zu erhalten wissen! 
Zur Charakteristik der in der Ausstellung des Kunst 
gewerbemuseums vereinigten Teppiche und zu deren besserer 
Würdigung sei erwähnt, daß es ganz geschlossene, streng von 
einander geschiedene Gruppen innerhalb des Gebietes der 
morgenländischen Textilkunst eigentlich nicht gibt. Gemeinsam 
ist ihnen eben nur das Orientalische. Es gibt Motive, die sich 
über das ganze Territorium von China über Persien, Nord 
afrika, bis ins maurische Spanien, ja selbst bis in die Senn 
hütten der Karpathen erstrecken und deren Vorkommen hier 
oder dort noch kein Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer 
bestimmten Landschaft bedeutet. Es gibt Motive, so das so-
	        
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