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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
6. Jahrgang. 
Wien, 1. März 1914. 
Nr. 5. 
Spitzen-Modellbücher. 
Von Marie Schuette (Berlin).* 
Die stärkste Stütze Italiens in seinem Ansprüche als 
Erfinderin der Spitze sind die Spitzen-Modell- 
büche r. Ohne Ausnahme sind die frühesten Muster 
sammlungen dieser Art italienischen Ursprungs, im Gegen 
sätze zu den ihnen vorangegangenen Stick-Model- 
büchern, von denen die ältesten deutsch sind. Jene haben 
im besonderen Venedig zum Druckort oder aber zur un 
mittelbaren Heimat. Damit ist Venedigs Bedeutung, ihre 
unmittelbare Tätigkeit und ihr maßgebender Einfluß auf 
die italienische Spitze erwiesen. 
In den italienischen Modellbüchern spielen die Ara 
besken und Mauresken mit ihren Randverschlingungen 
(groppi) eine große Rolle. T a g 1 i e n t e bestreitet in 
seinem Esemplario nuovo 1530 ein Drittel seiner Vor 
lagen mit ihrer Hilfe; Messir Francisque Pelegrin de 
Florence gibt um 1530 eine ganze Sammlung von 
solchen Mustern heraus und deutet schon im Titel auf 
ihren Ursprung »La Fleur de la Science de Portraiture et 
Patrons de Broderie Faqon arabique et italique« hin. 
Noch die ßelleze de Recatni 1558 bringen selbständige 
Muster dieser Art. 
Auch das langsame Sichloslösen der Spitzenarbeit 
von der Stickerei, das sich aus der technischen Unter 
suchung der Spitze in ihrem Zusammenhänge mit der 
Durchbrucharbeit zur Gewißheit ergibt, äußert sich aufs 
deutlichste in den italienischen Modellbüchern. Die 
frühesten kennen nur Stickmuster, so Paganino und 
Burato, Venedig 1527; der bedeutende Zoppino, 
Venedig 1529; Taglien te, Venedig 1530; Zoppino, 
Venedig 1537; Va vassore, Opera nova, Venedig 
1546. Erst in den Vierzigerjahren taucht neben Stickerei 
der Punto tagliato auf. Die gleichen Muster finden sich 
bei Vavassore und Mattco P a g a n, dessen frühestes 
Werk »Ornamento delle belle et virtuose donne« wahr 
scheinlich aus den Jahren 1542/43 stammt und neben 
Kreuzstich- und Filetmustern ausgesprochene Tagliato- 
und Spitzenvorlagen bringt. Dieser Sammlung entnimmt 
Pagano die Muster seiner späteren, nur Spitzenmuster 
enthaltenden Bücher des Honesto E s e m p i o und der 
* Wir entnehmen diese interessanten Ausführungen dem 
kürzlich erschienenen, von uns gewürdigten Werke der Ver 
fasserin »Alte Spitzen«. Berlin W. 62. Richard Karl Schmidt 
& Co. 
seltenen »Gloria et l’Honore de ponti tagliati« (1558). Und 
hier deutet schon der Titel darauf hin, wie stark der 
Punto tagliato in den Vordergrund des Interesses ge 
treten ist. 1557 erscheint, ebenfalls in Venedig, das erste, 
ausschließlich für Klöplerirmen bestimmte Musterbuch 
»La Pompe« und 1563 die schöne Mustersammlung für 
Nähspitzen von Francesco C a 1 e p i n o. 
Das Hauptmodellbuch bringt erst die folgende Gene 
ration. Erdacht, gesammelt und herausgegeben hat cs ein 
Venetianer, doch ist es in französischer Sprache ge 
schrieben, der französischen Königin gewidmet und in 
Paris 1587 bei Jean Le Clerc verlegt. Die Art seiner 
Entstehung ist wie ein Symbol für das Schicksal der 
italienischen Nadelspitze, die, in Venedig gepflegt und zur 
Blüte gebracht, dem heimischen Boden entrissen und 
nach Frankreich verpflanzt wurde, das sich an seinen 
Früchten erfreuen sollte. Das bedeutende Buch trägt den 
Titel »Les Singuliers Et Nouveaux Pourtraicts Du 
segneur Eederic de Vincilio Venitien«. Es hatte einen 
ungeheuren Erfolg und ist in unzähligen Auflagen in 
Frankreich erschienen; nach neun Jahren wurde cs ins 
Deutsche übersetzt und auch in englischen Spitzenbüchern 
leben die Muster weiter. 
Künstlerisch vielleicht noch höher einzuschätzen ist 
das bekannteste venezianische Spitzenbüchlein, die von 
Cesare Vecellio im Jahre 1591 hcrausgegebene »Co 
rona delle no'bili et virtuose donne«. Ein Vergleich diese r 
beiden, zeitlich so nahestehenden Werke zeigt, daß 
Vecellio seinen Vorgänger wohl gekannt und benutzt hat, 
und daß beide aus derselben allgemeinen Quelle geschöpft 
haben. Es begegpen gleiche und verwandte Muster, deren 
Fassung sich bei Vecellio und Vinciolo wie Stadt zu 
Provinz verhält. Jener ist der modernere und bringt weit 
mehr figürliche J\1ustcr, während sich dieser an das Geo 
metrische hält und eine besondere Vorliebe für die Reti- 
cella zu haben scheint. 
Das 17. Jahrhundert geht schon im Format über den 
bescheidenen, kleinen handlichen Vecellio hinaus. In Rom 
gibt Elisabetta Parasole ihr »Teatro delle nobili et 
virtuose donne 1616« heraus und von weltmännischer 
Haltung sind ihre großzügigen Muster. Sie beschränkt 
sich hier noch auf die reine Nähspitze, sie bringt von
	        
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