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Internationale S a m ni 1 e r - Z e i t u n g.
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Formen der Baukunst zog ihn jedoch das Idyllische, die
Landschaft, an. Er beschloß daher, zur Malerei überzu
gehen und bezog die vom Großherzog Karl Alex-
a n d e r von Weimar gegründete Hochschule, wo Graf
Kalckreuth als Direktor und Männer wie B ö c k 1 i n,
Le n b a c h, M i c h e 1 i s und Max Schmidt als Lehrer
wirkten. Es war eine glückliche Fügung des Schicksals,
daß sein erster Lehrer in der Landschaft Arnold
B ö ck 1 i n war, aber auch durch Lenbach und A. von
R amberg wurden ihm Unterweisungen zuteil; den
hauptsächlichsten Einfluß dürfte Michelis auf den
jungen Künstler ausgeübt haben, wenigstens in bezug auf
die feine und sichere Malweise, die an den späteren
Bildern Weichbergers so zu schätzen ist.
Bei der scharfen Beobachtungsgabe, dem ange
borenen Talent des Sichversenkens in die Reize der
Landschaft, der ausgezeichneten Anleitung durch hervor
ragende Künstler und nicht am wenigsten durch die Lieb
lichkeit der Thüringer Lande konnte cs kaum Wunder
nehmen, daß Weichberger zu einem in der Landschafts--
malerei in die vorderste Reihe tretenden Künstler heran
reifte. Wohl hat ihn auch die Wanderlust ergriffen, nach
der Ostsee, nach der Rhön, nach den Alpen geführt, und
ebenso hat er in Italien längere Zeit gelebt und studiert,
aber immer wieder zog es ihn mit tausend Fäden in die
Thüringer Berge. In den Sechzigerjahren waren es
Woldemar Friedrich, Franz Arndt, Karl B o p p o,
Winkler, Günther, F r e i e s 1 e b c n, T ü b b e c k e,
Graf H a r r a c h und andere, die einen erlesenen Kreis
bildeten, der dem einzelnen vielerlei Anregung bot und so
auch für Weichberger von tiefgehender Bedeutung war.
Diese ältere Generation, die bald in alle Winde zerstob,
wurde durch eine neue abgelöst, Leute wie Karl Buch
holz, Max Lieber mann, Max Merker, Hans
Spekter u. a. Aber wie auch die Männer und Zeiten
wechselten, Weichberger blieb Weimar getreu, lehrte die
kleinen Fräuleins im Sophienstift gut aufmerken, richtig
sehen und hübsch zeichnen und malen, so daß die heran-
wachsende Jugend dem geliebten Meister auch noch
Fig. 2. Leo Rauth, Lautenspieler.
später die größte Verehrung entgegenbrachte und die
eigenen Heime mit Bildern von seiner Hand schmückte.
Die Anerkennung ist dem genialen und fleißigen
Schaffen nicht versagt geblieben. Verschiedene öffentliche
Museen und Galerien haben Weichbergers Arbeiten er
worben, nicht nur die Weimarer Museen, die natürlich
auch eine Reihe von seinen Werken besitzen, nein — bis
nach Holland, England, Nordamerika, ja bis in die Art
Gallery of Warnämpool hat Weichbergers Kunst einen
Weg gefunden. Verschiedene Medaillen (London, Mel
bourne etc.) von großen Ausstellungen zeugen davon, daß
seine Kunst weit und breit anerkannt worden ist. Groß
herzog KarlAlexander verlieh dem Maler 1899 den
Professortitel, und an Ehrungen von seiten seiner Kunst-
Fig. 3. Leo Rauth, Sommerspuk,
genossen hat es weder zu seinem 60. Geburtstage, welcher
1903 zu einer Kollektivausstellung seiner Werke Veran
lassung gab, noch zu seinem 70. Geburtstage, anläßlich
dessen wieder eine Sonderausstellung ins Leben gerufen
wurde, gefehlt.
Als Eduard Weichberger am 13. August vorigen
Jahres die lieben, freundlichen Augen für immer schloß,
da wurde es den kunstliebenden Kreisen nicht nur seiner
Heimat, sondern weit und breit offenbar, daß einer von
uns gegangen ist, dessen Werke aller Wahrscheinlichkeit
nach manches weit überdauern wird, was uns gegen
wärtig als höchste Errungenschaft der Kunst gepriesen
wird.
Von seinen Landschaften gibt unsere Abbildung
(Fig. l) den »Wintertag« wieder, ein Gemälde, das aus
den letzten Jahren des Künstlers stammt. Es ist gezeichnet
und datiert: 1908.
Ueber Leo Rauth sind, wie bei fast allen Neu
erscheinungen auf dem Gebiete der Kunst, die Meinungen
geteilt. Vielleicht arn gerechtesten hat ihr: Paul Kühn be
urteilt, der über ihn schrieb: »Er kann sich an Erfindung
und Mannigfaltigkeit der Stoffe nicht genug tun; alles
will er mit Farbe und Stift gestalten: Mythologisches,
Märchen und Legendenhaftes und Allegorisches, Liebe
und Haß, Parsival und Ophelia, den Mummenschanz und
die Maskenlust des Faschings, Rokokozauber in den an
mutig-schwermütigen Gestalten von Pierrot und Kolom
bine, Parkszenen mit Stelldichein und Liebesgeflüster,
Porträts und Atelierszenen, Tanzfiguren und die ganze
Lebe weit in ihren gekünstelten Typen, Flaneurs in ihrer
gespreizten Nichtigkeit, Damen ä la mode in extra
vaganten Phantasiekostümen, rauschendes Frou-Frou und
ein gewisses Etwas von halbverhüllter Erotik und
raffinierter Lebensgier, die Elegants des Rennplatzes, der