Nr. 6
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 91
In der »Vereinigung bildender Künst
lerinnen Oesterreichs« haben Nasta Koje und
Mila Wod kollektiv ausgestellt. Oie erstere, eine kroati
sche Malerin, hat dankbare und malerische Sujets aus
ihrer Heimat in Sonne und Schnee geschildert, Land und
Meer in Gewitterstimmung vollendet dargestellt (27, 30);
die Porträts reichen im allgemeinen nicht an die Valeurs
der Landschaften heran, von denen Nr. 19, »Aus Alt-
Agram«, wohl die hervorragendste ist. Von den Skulp
turen des Fräuleins Wod soll ein ausdrucksvoll
modellierter Greisenkopf (78) und eine formschöne Bronze
(Bajadere, 61) lobend erwähnt werden. Die Stickereien,
Handgewebe, Spitzen u. s. w., die als Produkte der
kroatischen Hausindustrie ausgestellt sind, lassen ver
möge ihrer originellen Schönheit den Bestrebungen der
Vereine in Agram und Petrinja, dem nationalen Haus
gewebe einen Absatz auch' im Auslande zu verschaffen,
ein günstiges Horoskop stellen.
Im neueröffneten Kunstsalon »Briiko« ist eine reich
haltige Ausstellung von Pastellen Wilhelm Lists zu
sehen, der verschiedene Sommerstimmungen am Lunzer
See so gut festgehalten hat, daß die Bilder ganz unmittel
bar wirken. Auch als Porträtist und Graphiker hat er gute
Leistungen zu zeigen. In seinen Kompositionen bevorzugt
er eine der frühen Sezession verwandte, diskrete Stili
sierung, die wohltuend geschmackvoll bleibt. Man kann
der weiteren Entwicklung des Künstlers mit Interesse
entgegensehen.
Chronik.
Autographen.
(Stimmzettel von der Frankfurter Natio-
nalversammlun g.) Der neueste Katalog des Antiquariats
Rudolf Hönisch in Leipzig weist unter anderen inter
essanten Autographen 564 eigenhändige mit Namenszug und
Wohnort ausgefüllte Stimmzettel von sämtlichen Mitgliedern
der ersten deutschen Nationalversammlung vom Jahre 1848
auf. Die einzelnen Zettel sind in alphabetischer Reihenfolge auf
Folioblätter geklebt und in einem Pappband vereinigt. Der
Preis der Sammlung beträgt 150 Mk.
(D i e V e r s t e i g e r u n g derThackeray-Briefe.)
Aus Newyork wird berichtet: Die Versteigerung der be
rühmten T h a c k e r a y - Briefe aus der Sammlung William
H. Lamberts aus Philadelphia hatte ein gutes Ergebnis.
Die 43 Liebesbriefe Thackerays an Frau William Brook-
f i e 1 d wurden für 35.56U Mk. zugeschlagen. 35 Thackeray-
Briefe an Mrs. E 11 i o 11 und Miß P e r r y, iti denen immer
wieder mit zärtlichen Ausdrücken Frau Brookfield erwähnt
wird, erzielten 27.500 Mk. Die offenbare Verehrung Thackerays
für Frau Brookfield führte zu Verstimmungen mit dem Gatten
William Brookfield; in einem Briefe an Miß Perry schreibt
Thackeray hierauf anspielend über Brookfield; »Er hätte eine
Köchin heiraten sollen, und er behandelt sie (Frau Brookfield)
wie ein solche.« Dieser Brief fand für 2200 Mk. einen Käufer.
Das Manuskript des Vortrages über »Humor und Wohltätig
keit«, in dem sich Thackeray auch ausführlich mit Dickens be
schäftigt. erzielte 28.000 Mk. Für das Manuskript eines Vor
trages über Swift, der dann den ersten Aufsatz der »Eng
lischen Humoristen« bildete, wurden 34.000 Mk. bezahlt, ob
gleich nur 21 Seiten von Thackeray selbst geschrieben waren,
während die übrigen Seiten die Handschrift seiner Tochter Anne
zeigen. Das Manuskript des Vorwortes von Charlotte Bronte
zur zweiten Auflage von »Jane Eyre«, die Thackeray ge
widmet W'ar, fand für 4300 Mk. einen Liebhaber.
Bibliophilie.
(Neuentdeckte Jugendwerke von Flau-
b e r t.) Nach einer Mitteilung aus Paris ist es der Nichte
Gustav F 1 a u b e r t s, Frau Franklin-Gout, gelungen,
eine große Anzahl bisher noch unbekannter Manuskripte
aus der Jugendzeit des Dichters aufzufinden. Frau Franklin-
Gout hat die Handschriften geordnet und beginnt jetzt mit ihrer
Veröffentlichung. Sie sollen insgesamt sieben Bände füllen, die.
als Ergänzung zu Flauberts Hauptwerk, den Titel »Die ersten
Werke« führen sollen. Der soeben vorliegende erste Band zeigt,
daß schon der Knabe Flaubcrt den künftigen Schriftsteller ahnen
ließ. In einem »Tagebuch« zeigt sich der dreizehnjährige
Schüler des Gymnasiums von Rouen als ein frühreifer Knabe,
der viel gelesen hat und in literarischen Formen denkt, die
Dinge aber doch schon persönlich sieht. Unter den Arbeiten
sind weiterhin die ersten Versuche Flauberts zu gestaltender
Erzählung, darunter als bemerkenswerteste eine humoristische
»Lektion in der Naturgeschichte« und ein dramatischer Versuch
über Ludwig XL Das lebhafte Künstlerbewußtsein, das Flaubert
später auszeichnet, läßt sich in diesen jugendlichen Arbeiten
deutlich erkennen, auch eine gewisse Scheu. Diese ersten Ver
suche des Knaben waren nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt,
sondern sollten nur Freunden gezeigt werden. Wesentliche Ver
änderungen von Flauberts literarischer Physiognomie darf man
von der Veröffentlichung dieser Jugendwerke wohl kaum er
warten, sie sind aber zur Entwicklungsgeschichte des Dichters
sehr wertvoll.
(Einer der ältesten Mainzer Drucke.) ein
Exemplar des Pamphlets Die Gier s von Isenburg gegen
Adolf von Nassau vom 30. März 1462, ist durch Kauf aus dem
Besitze des kgl. Staatsarchivs in Stuttgart an das Outenberg-
Museum in Mainz übergegangen. Das vom Gutenberg-Museum
erworbene Exemplar weicht von dem bisher bekannten mehr
fach und besonders darin ab, daß die sonst handschriftlich ver
besserten Druckfehler hier vor dem Druck verbessert sind.
(Die erste Ausgabe von Goethes »Faust«.)
Der neueste Katalog des Antiquariats Josef Baer & Co. in
Frankfurt a. M. enthält die erste Ausgabe von Goethes
»Faust« in einem Einbande der Zeit, Bekanntlich gibt es von der
ersten Ausgabe des »Faust« zw f ei Drucke, die wahrscheinlich
gleichzeitig erschienen sind. Das Baersche Exemplar trügt auf
dem Titel die Bezeichnung »ächte Ausgabe«, alle Bogen haben
keine Norm (während Exemplare Vorkommen, die Bogen aus
»Goethes W. 7. B.« enthalten) und auf Seite 145 wiederholen
sich die drei letzten Zeilen von Seite 144. Wie selten die Erst
ausgabe des »Faust« schon seit Jahrzehnten vorkommt, geht
daraus hervor, daß W. L. Holland bereits 1882 schrieb;
»Dieser erste Sonderdruck des »Faust« scheint heute in Deutsch
land so gut wie verschwunden zu sein. Hirzel selbst hat sein
Exemplar in England erworben.« Es ist dies auch derselbe Druck,
den S e u f f e r t im Neudruck hcrausgegeben hat. Auch Kippen
berg 1836 bezeichnet diesen Druck als den ersten. — Auf der
Auktion Deneke brachte ein Pappbandexemplar dieser Aus
gabe 1320 Mark. Bei Baer ist das Exemplar mit 1200 Mark an
gesetzt.
Bilder.
(V e 1 a s q u e z’ »Venus« schwer beschädig t.)
Aus London liegt eine Meldung vor, die zeigt, bis zu welchem
Paroxismus sich der Fanatismus der Wahlrechts-Demonstran-