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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 6
Stecherkunst zu versuchen, respektive ein Unternehmen
zu begründen, das nach seinen und anderer Zeichnungen
Ereignisse und Helden des Tages mit Hilfe des Grab
stichels zu verewigen berufen war. Zeichnerisches Talent
ist Löschenkohl nicht abzusprechen. Porträts und
Gruppen, von denen wir wissen, daß sie Löschenkohl
gezeichnet hat (Glück der Zukunft, Neujahrsempfang,
Kaiser Josef und seine Generale), verraten, wenn wir von
der etwas monoton wirkenden Anordnung der Figuren in
Profil absehen, ein nicht gewöhnliches, porträtistisches
Talent.
Löschenkohl begann seine Verlagstätigkcit im Jahre
1780. Der Tod der Kaiserin Maria Theresia, ein Er
eignis, das jedem Oesterreicher, speziell jedem Wiener,
naheging, dürfte in so manchem den Wunsch nach einer
graphischen Erinnerung erweckt haben. Löschenkohl er
faßte das aktuelle Interesse des Falles, und kurz nach
dem Tode der Kaiserin prangt in seinem Schaufenster
im Laden am Hohenmarkt Nr. 488 das erste größere Er
zeugnis seines jungen Unternehmens. Die Köpfe dieses
Blattes sind in Silhouettenmanier ausgeführt, eine Kunst
gattung, der sich Löschenkohl kurz nach ihrem Sieges-
zuge aus Frankreich mit größtem Eifer annahm und die
er für die von ihm verlegten Porträts Jahrzehnte hin
durch pflegte. Schon dieser erste Versuch Löschenkohls
hatte einen fabelhaften Erfolg, in wenigen Tagen wurden
7000 Exemplare, das Stück zu zwei Gulden, verkauft.
Löschenkohls beispielloser Erfolg in Wien, die Technik
und Manier, in der er dieses und eine Reihe anderer
Blätter gestochen hat, blich nicht unwidersprochen.
Schon 1780 erscheint in zweiter Auflage eine »Schilde
rung der Silhouettenfabrik in Wien« von einem gewissen
A. J. v. Aichenstein. Bei aller zeichnerischen Aner
kennung des Talentes Löschenkohls, läßt es sich der
Verfasser nicht nehmen, dem »Manufakturanten«, wie er
ihn nennt, so manchen Hieb zu versetzen. Er wisse kaum,
sagt u. a. Aichenstein von Löschenkohl, wie der Grab
stichel anzusetzen sei.
Doch diese und auch andere Angriffe, von denen
noch die Rede sein soll, hinderten Löschenkohl nicht, auf
dem einmal eingeschlagenen, für Wien neuen Wege des
Kunstbetriebes fortzuschreiten. Das Zeitalter Josef II. mit
seinen zahlreichen politischen und sozialen Reformen,
den Begebenheiten auf dem Kriegsschauplätze und den
interessanten Lokalereignissen boten dein findigen
Löschenkohl reiche Ausbeute für seinen immer mehr an
Umfang gewinnenden Verlag. So entstanden in rascher
Folge das Blatt »Der Neujahrsempfang bei Hof 1782«, eine
Interieurszene im Augarten mit den hier zu Gaste weilen
den großfürstlich russischen und wiirttembergischen Herr
schaften,* die »Neue Praterlust« mit der Ansicht des
Pratersterns und zahlreiche Porträts (Kaiser Josef,
Erzherzog Maximilian, Herzog Albert von Sachsen-
Teschen, seine Gemahlin Marie Christine, Graf Nädäsdy,
Lascy, Fürst Rosenberg u. a.).
Das richtige und rechtzeitige Erfassen und Ausnützen
aller Ereignisse innerhalb und außerhalb Wiens machte die
von Löschenkohl eingeführte Illustration der Begeben
heiten zu einem interessanten Pendant zur Tagespresse, die
gerade um diese Zeit dank der milde gehandhabten Zensur
einen mächtigen Aufschwung nahm, manchmal allerdings
auch nur, um ein verhältnismäßig kurzes Dasein zu fristen.
Wir wissen ja, daß eine Reihe von Wiener Zeitungen
jener Periode, die sich in den Dienst der täglichen oder
wöchentlichen Berichterstattung stellten, oft nach einem
ganz kurzen Bestand den Weg alles Ueberflüssigen
* Wir haben das interessante Blatt in der Nummer vorn
15. Februar d. J. reproduziert.
gingen. Größeren Anklang als diese gedruckten Tages
berichte haben wohl die Löschenkohlsehen Stiche ge
funden, nicht etwa deshalb, weil sie, wie es oft nach
einer witzigen Bemerkung von Gr ä f f e r heißt, den Er
eignissen vorgegriffen haben und Löschenkohl zum Bei
spiel die Hinrichtung R o b e s p i e r r e s schon zu einer
Zeit im Bilde vorführt, wo der französische Tyrann noch
lustig andere köpfen läßt, sondern einfach deshalb, weil
sie eben die bequemere Form der Berichterstattung und
der Kenntnisnahme bedeutender und unbedeutender Er
eignisse darstel'lten.
Ein unermeßliches Arbeitsgebiet eröffnete dem
findigen Verleger das Zeitalter Josef II., eine Periode,
reich an politischen, gesellschaftlichen und kriegerischen
Vorkommnissen, die allein imstande waren, einen
industriösen Künstler zu ernähren. Der Aufstand in den
Niederlanden, der Türkenkrieg mit seinen zahlreichen,
mitunter amüsanten Episoden, der Besuch des Papstes in
Wien, die Eröffnung des Josephinums, Blanchards Luft
ballonfahrten, der Einzug und die Audienz des marok
kanischen Botschafters und viele andere mehr oder
minder ernste Begebenheiten boten seinem und seiner
Mitarbeiter Grabstichel Arbeitsmaterial in Hülle und Fülle.
Die Umwälzungen im Kulturzustand Oesterreichs
und speziell Wiens, die die Regierungszeit Josef II.
inaugurierte, boten unserem Bilderchronisten neue unge
ahnte Ausbeute. Hier setzte eigentlich so ganz seine
Originalität ein, und man kann wohl sagen, daß er als
Erster Sittenbilder wienerischer Faktur schuf, die in
ihrer karikaturartigen Komposition dem Grundsatz der
Satire, lachend die Wahrheit zu sagen, nahe zu kommen
suchen. Allerdings ist nicht zu vergessen, daß die Zeit
für derartige freiheitliche Auslassungen und Ausgelassen
heiten sehr günstig war. Frei von jeder Einschränkung
der Zensur, konnte jedermann seiner Meinung in Wort
und Bild ungestraft Ausdruck geben. Löschenkohl nützte
die Situation redlich aus. Die strenge Handhabung der
Sittenpolizei, die statt den Verbrecher zur Untätigkeit zu
verurteilen, ihn als Straßenkehrer verwendet und hiebei
selbst vor Verbrechern aus der höheren Gesellschafts
klasse nicht haltmacht, die Dirnen und weibliche Zücht
linge brandmarkt, indem sie ihnen das Haar abschneiden
läßt und ihnen so das Kainszeichen der gesellschaftlichen
Aechtung aufdrückt, diese und ähnliche Begebenheiten
haben eine Reihe Löschenkohlscher Produkte gezeitigt.
Ein Gegenstück zu diesen Blättern im anderen
Sinne ist der »Spaziergang am Abend am Graben«. In
seiner Ankündigung in der »Wiener Zeitung« 1784 nennt
er es »eine Szene nach der Natur, im Geschmack des
jetzigen Zeitalters bearbeitet. Lauter beliebte Gruppen
von Gelegenheitsmacherinnen, Verführerinnen und Ver
führten.« Das sittengeschichtlich hochinteressante Blatt —
ein Exemplar, ein Unikum, besitzt der bekannte Sammler
Dr. August Heymann in Wien hat bei Erscheinen
illuminiert 36 Kreuzer gekostet.
Teurer war das Blatt, das die Bezeichnung »Josef II.
und seine Generale« trägt. Es ist im Mai 1787 ausgegeben
worden, und Löschenkohl begleitet sein Erscheinen mit
folgender Bemerkung: »Josef II. und seine Generale. Ein
sehr großes Stück. Der Kaiser, der Erzherzog Franz und
die vornehmsten Generale sind zu Pferde, in der Ferne
ist ein großes Manöver von Infanterie, Kavallerie und
Uhlanen. Ich schmeichle mir, daß dieses Stück gewiß den
Beyfall des Publikums erhalten wird, da über zwey Jahre
lang mit dem größten Fleiße daran gearbeitet worden
ist und es jedem Patrioten sehr angenehm seyn wird,
die wohlgetroffenen Bildnisse der Verteidiger seines
Vaterlandes auf einem Blatte beysammen zu besitzen.
Der Preis ist 12 fl.«